100 m Wohnturm von Harry Gugger: Münchenstein will den Baselbieter Rekord

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Mit Hochhäusern ist es so eine Sache. Jeder will das schönste und vor allem das höchste. Daran hat sich seit dem Bau der Geschlechtertürme in San Gimignano im 13. Jahrhundert wenig geändert. Das legendärste Duell fand vor 90 Jahren statt, als sich in New York das Chrysler Building und das Empire State Builidung den Platz an der Sonne streitig machten… In der Region Basel ist seit einigen Jahren ein ähnliches Wetteifern zu beobachten. Nun hat Münchenstein sein Ass auf den Tisch gelegt: 100 m hoch soll der Wohnturm «Spenglerpark» von Architekt Harry Gugger werden. Es wäre damit das höchste Haus im ganzen Baselbiet.

Visualisierung Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Visualisierung Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

100 m sind «gut verträglich»
«Der Spenglerpark mit seiner ausgezeichneten Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr ist ein idealer Standort für innere Entwicklung im Sinne des aktuellen Raumplanungsgesetzes», sagt Architekt Harry Gugger zur Ausgangslage. Aber weshalb muss es ein 100 m Hochhaus sein? «In einer Studie zur Weiterentwicklung des Spenglerparks wurden verschiedene Möglichkeiten geprüft. Die nun erarbeitete Planung mit einem Hochhaus von 100 Metern Höhe ist das austarierte Ergebnis aufgrund eines qualitätssichernden Workshops mit den Projektverantwortlichen. Es steht in einem gut verträglichen Verhältnis zum bestehenden Gebäude und zum Ortsbild.»

Situationsmodell Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Situationsmodell Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

«Neues Gesicht» für Münchenstein
Hinter dem Projekt steht die CSA Real Estate Switzerland (CSA RES), eine sogenannte «Anlagegruppe» der Credit Suisse Anlagestiftung. Viele Geschosse bringen viel Rendite, oder? Andreas Roth, Produktmanager der CSA RES widerspricht: «Mit unserem ganzheitlichen Ansatz von Bestandswahrung und Weiterentwicklung schaffen wir qualitätsvollen Wohnraum und geben der Gemeinde auch ein neues Gesicht: Das Identität stiftende Hochhaus im Kanton Basel-Landschaft wird als Eingangstor zu München­stein einen hohen Wiedererkennungswert haben.» Bei all den gebauten und geplanten Hochhäusern wird sich die Bevölkerung bald kaum mehr vor überbordender «Identitätsstiftung» retten können…

Grundriss Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Grundriss Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Ursprünglich 120 m geplant
Eigentlich sollte der Wohnturm sogar 120 m hoch werden. Das war der Kantonalen Denkmal- und Heimatschutzkommission zu viel und so wurde der Turm um 20 m gekürzt. Dieselbe Kommission bemängelte zudem den «baulichen Anschluss» an die bestehenden Bauten. Braucht das Hochhaus einen Gegenspieler? Architektur Basel-Leser Mario Saurer kommentiert: «Mit seiner sich nach unten verjüngenden Schmalseite verlangt der Baukörper nach einem Gegenüber. Alleine wirkt er durch seine deutliche Asymmetrie unruhig und «verspannt». Das ist meine Meinung.» Insgesamt bietet das neue Hochhaus 150 barrierefreie Mietwohnungen. Ausserdem wird der Neubau im Minergie-P-Standard realisiert. Das gesamte Areal soll öffentlich zuänglich beiben. Fussgänger- und Velowege werden integriert.

Fassade Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Fassade Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Wo bleibt der Architekturwettbewerb?
Nach einer Entwicklungsstudie 2012 wurde Harry Gugger Studio Anfang 2016 durch die Credite Suisse Anlagestiftung mit der Ausarbeitung eines Richtprojekts zum Spengler-Hochhaus mit Wohnnutzung beauftragt. Leider fand kein Architekturwettbwerb mit verschiedenen Teilnehmern statt. Ein Missstand, auf den Architektur Basel schon an anderer Stelle hingewiesen hat. Die Gestaltung derart markanter und prägender Bauten sollten zwingend mit einem Architekturwettbewerb erprobt werden. Das kantonale Hochhauskonzept sagt dazu folgendes: «Zur Qualitätssicherung von Hochhausprojekten und zur unabhängigen Beurteilung der Erfüllung der Eignungskriterien sind Varianzverfahren zwingend, insbesondere bei Hochhäusern über 80 m Höhe.» Wir fragen uns: Weshalb fand kein Varianzverfahren in Form eines Wettbewerbs statt?

Schema Volumetrie Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Schema Volumetrie Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Volumetrie: Vom Dreieck zum Rechteck
Die dreieckige Form der unteren Geschosse des Hochhauses leitet sich aus dem Grundriss der existierenden Autoeinstellhalle in diesem Bereich ab und setzt sich bis zur Höhe des Bestandsgebäudes fort. Ab hier beschreibt die Formgebung dann eine kontinuierliche, geschossweise Veränderung von Dreieck zu Rechteck. Hieraus ergeben sich effiziente Wohnungs-Grundrisse und fast schon skulpturale Kubatur, die dem Gebäude je nach Blickwinkel eine andere Form verleiht. Lediglich die zur Bruderholzstrasse orientierte Erschliessungsschicht bleibt über die gesamte Höhenentwicklung eine Konstante. Die Fassade besteht im jetzigen Stand aus hellen Bändern, eine Art Corporate Identity für viele Hochhäuser in der Region. Leser Laurent Voegelin fasste es folgendermassen zusammen: «Form gut, die Bänder repetitiv.»

Visualisierung Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Visualisierung Spenglerpark Hochhaus © Harry Gugger Studio

Das letzte Wort hat die Bevölkerung
Die Bevölkerung ist nun doppelt gefragt: Zuerst findet im Mai das formelle Mitwirkungsverfahren statt. Im September 2019 kommt es an der Gemeindeversammlung dann zum Showdown. Ja oder Nein zum «neuen Gesicht für Münchenstein» lautet die Frage.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Hinweis
Am 2. Mai 2019, 19.00 bis ca. 21.00 Uhr, findet im Restaurant hundertpunkt im «Spenglerpark» (Binningerstr. 2/ Emil Frey Strasse 100, Tramhaltestation Spengler, BLT-Linie 11) eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Quartierplan Spenglerpark statt, zu der alle interessierten Münchensteiner/-innen herzlich eingeladen sind.

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