Von der Stadt aufs Land an die frische Luft: «Wohnkolonie Schanz» in Waldenburg | Baselbieter Baukultur #92

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Als sich die Schweiz vom Zweiten Weltkrieg erholte, wurde wieder vermehrt gebaut. Wer es sich leisten konnte, zog bevorzugt in ein Einfamilienhaus aufs Land. Auch wenn das «stadtnahe ländliche» bevorzugt wurde, finden wir diese Entwicklung auch in weiter entfernten Gemeinden, etwa in Waldenburg. Als Stadt am Fluss gab es in Waldenburg schon früh Bebauungen ausserhalb des historischen Dorfkerns und der Stadtmauer entlang der Vorderen Frenke. Zudem liegt Waldenburg am Fuss des Oberen Hauensteinpasses ideal. Die wichtige Überquerung von Basel nach Solothurn verband bereits im Römischen Reich den Rhein mit der Genferseeregion.

Vom Tal in die Sonne
Nach 1945 beschränkte man sich aber nicht mehr auf die Talsohle. Nun wurde auch der Westhang bebaut. Eine frühe Ausnahme bildet die Villa Gelpke des Industriellen Gédéon Thommen am Hang über dem Bahnhof. Diese Entwicklung und die Ausbreitung der Siedlung am Hang kann mittels zeitgenössischer Karten nachvollzogen werden. Waldenburg war damit nicht alleine, auch in anderen Ortschaften beobachten wir ähnliches. Talabwärts in Hölstein etwa ordneten sich die Gebäude historisch entlang der Bachzeile am Talgrund und nach 1900 im Bereich rund um die Uhrenfabrik Oris. Nach den Kriegswirren verdichteten sich die Quartiere und um 1970 beginnt man ebenfalls damit, die Hangflanken zu bebauen. Die ersten Bebauungen bereits um 1948 im Gebiet Schanz in Waldenburg sind dank tollen Fotografien von Arnold Seiler-Rudin zumindest bildlich bestens dokumentiert.

Waldenburg, Wohnkolonie Schanz (1948) STABL_PA_6292_01_784, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin

Waldenburg, Wohnkolonie Schanz (1948) STABL_PA_6292_01_784, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin

Historische Karte Waldenburg von 1900 (bearbeitet), Grundlagen Luftbild © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Historische Karte Waldenburg von 1900 (bearbeitet), Grundlagen Luftbild © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Was bedeutet Individualität?
Interessant ist dabei die Beschriftung der Fotografien. Anstatt «Ansicht Westhang» oder «Neue Bebauungen» steht da «Wohnkolonie Schanz». Man kann also davon ausgehen, dass die ganze Bebauung durch eine einzige Bauträgerschaft erstellt wurde. Dafür spricht natürlich auch die einheitliche Architektur der Einfamilienhäuser.
Die Stadtflucht ins Grüne nach dem Krieg wird noch bis März 2021 in der Ausstellung «Modern Living» im Museum Kleines Klingental thematisiert. Zwar legen die beiden Kuratoren den Fokus auf einzelne Bauwerke, verschaffen uns aber einen guten Überblick über die Entwicklung der damaligen Bedürfnisse. In einem eigenen, individuell gestalteten Einfamilienhaus zu wohnen, war vielen offenbar sehr wichtig. Die Frage sei an dieser Stelle daher erlaubt: Entspricht die sich wiederholende Architektur der Wohnkolonie Schanz diesem Wunsch? Vermutlich schon. Im Vergleich zur Wohnung in der Stadt dürfte das eigene Haus mit Umschwung tatsächlich wesentlich mehr geboten haben. Der Wunsch nach Licht und Luft ist durchaus nachvollziehbar – in direkter Nachbarschaft zur Wohnkolonie steht seit 1912 das Kurhaus Schanz.

Waldenburg, Wohnkolonie Schanz (1948) STABL_PA_6292_01_783, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin

Waldenburg, Wohnkolonie Schanz (1948) STABL_PA_6292_01_783, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin

Historische Karte Waldenburg von 1940 (bearbeitet), Grundlagen Luftbild © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Historische Karte Waldenburg von 1940 (bearbeitet), Grundlagen Luftbild © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Rustikaler Sockel und verputzte Fassade
Leider finden sich zu den Umständen dieser Bebauung an der neu erstellten Schanzstrasse keine weiteren Informationen. Stilistisch geben sich die Gebäude mit dem massiven, wahrscheinlich auch der Hangsituation geschuldetem Sockel rustikal. Es folgt ein verputztes Hauptwohngeschoss. Auf diesem Stockwerk befindet sich auch ein überdeckter, teils eingezogener, übereck laufender Balkon, wie man ihn in der Chalet-Architektur findet. Ein möglicher ebenerdiger Zugang bergseits ins Hauptwohngeschoss gibt es noch nicht.

Waldenburg, Wohnkolonie Schanz (1948) STABL_PA_6292_01_782, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin

Waldenburg, Wohnkolonie Schanz (1948) STABL_PA_6292_01_782, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft, Foto: Arnold Seiler-Rudin

Historische Karte Waldenburg von 1955 (bearbeitet), Grundlagen Luftbild © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Historische Karte Waldenburg von 1955 (bearbeitet), Grundlagen Luftbild © Bundesamt für Landestopografie swisstopo

Den Abschluss macht ein mit Holz verkleidetes Dachgeschoss. Aufgrund des fehlenden Kniestocks ist davon auszugehen, dass es sich dabei nur um einen Dachboden handelt, eventuell mit teilweise sichtbarer Dachschräge im Innenraum. Im klassischen Sinne wurden beidseitig symmetrische Klappläden verwendet. Die Sprossen sind dabei noch nicht schwenkbar. Im Allgemeinen wirkt die Situation sehr aufgeräumt, gar – aus heutiger Sicht etwas kitschige – Gartenzäune um und zwischen den einzelnen Parzellen fehlen nicht. Strom und vermutlich bereits Telefon kommen noch via Freileitung ins Haus.

Gebiet Schanz, Waldenburg (2020) © Simon Heiniger / Architektur Basel

Gebiet Schanz, Waldenburg (2020) © Simon Heiniger / Architektur Basel

Gebiet Schanz, Waldenburg (2020) © Simon Heiniger / Architektur Basel

Gebiet Schanz, Waldenburg (2020) © Simon Heiniger / Architektur Basel

Und heute?
Bis heute hat sich die Siedlung von Waldenburg nicht grossflächig ausgedehnt. Die Verdichtung hat im Inneren stattgefunden. Neben den Industriebauten der Feinmechanik an der Hauptstrasse bildeten sich vor allem an den Ausfallstrassen einzelne Bebauungen. Das bebaute Gebiet Schanz reicht heute bis weit ins Seitental, vereinzelt sich dann aber und geht in eine steile Wiesenlandschaft über. Die Häuser der Wohnkolonie Schanz stehen noch, wurden aber vielfach, etwa um Carports und Garagen ergänzt. Die Freileitungen sind im Boden verschwunden. Trotz diverser Anpassungen der einzelnen Gebäude hat sich die Architektursprache der gesamten Bebauung über die Jahre erhalten. Interessant ist die Farbigkeit der Klappläden: Fast wie abgesprochen hat jedes Haus eine andere – matt zurückhaltend notabene – passende Farbe. Vielleicht hat ja der Gedanke des Gemeinsamen doch irgendwie überlebt?

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Waldenburg / Schanz
Adresse: Schanzstrasse, 4437 Waldenburg
Architektur: unbekannt


Fotos:
– © Simon Heiniger / Architektur Basel
– Arnold Seiler-Rudin, Seiler Arnold Senior (1864-1927) und Junior (1892-1978), Liestal, Fotosammlung, Staatsarchiv Basel-Landschaft
Karten/Luftbild:
– Bundesamt für Landestopografie swisstopo
Quellen:
– Staatsarchiv Kanton Basel-Landschaft, Online-Archivkatalog

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