Ein Arbeiterwohnhaus mit ornamentiertem Sichtbackstein und Zierbalken | Baselbieter Baukultur #93

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Die in der Nordwestschweiz im 18. Jahrhundert aufkommende Band- und Tuchweberei wurde auch in Lausen in Heimarbeit, der sogenannten Heimposamenterei, betrieben. Bis 1920 sind in den beiden Basel allerdings die meisten Produktionsbetriebe und Heimarbeitsstätten für Seidenbänder verschwunden. Einige Ortschaften litten unter dem Abwandern des Industriezweigs; ein wirtschaftlicher Wandel in den kommenden Jahren ist ausgeblieben. Oltingen etwa verzeichnete lange kein Wachstum mehr. In Lausen nutzte man die günstige geografische Lage und griff neben der Wasserkraft für den Betrieb von Getreidemühlen auch auf natürliche Ressourcen zurück. Mit dem Abbau von Tonerde startete die Produktion von Ziegeln.

 

Trotz ornamentierter Sichtbacksteinfassade gibt sich das Gebäude zurückhaltend © Simon Heiniger / Architektur Basel

Trotz ornamentierter Sichtbacksteinfassade gibt sich das Gebäude zurückhaltend © Simon Heiniger / Architektur Basel

Die Industrie verlangte eine Menge Arbeitskräfte und damit einhergehend genügend Wohnraum. Gleich hinter der späteren Tonwerk AG am Bahnhof wurden nach 1900 mehrere Arbeiterwohnhäuser erstellt. Sie stehen auf ähnlichen langrechteckigen Parzellen zwischen dem Bahnareal und der Hauptstrasse. Weitere sind an der Fabrikstrasse. An der Hauptstrasse 72 findet sich ein authentisch erhaltenes Exemplar. Im Gegensatz zu seinen Nachbarbauten dürfte die Sichtbacksteinfassade noch im Originalzustand sein.

Der Zugang befindet sich an der Ostfassade © Simon Heiniger / Architektur Basel

Der Zugang befindet sich an der Ostfassade © Simon Heiniger / Architektur Basel

Das zweigeschossige Wohnhaus verfügt über einen kleinen nördlichen Vorgarten zur Hauptstrasse. Der Zugang erfolgt über die Ostfassade. Die Fassaden sind vollständig mit Backsteinen gemauert. Während die Ost- und Westfassade einfache Doppelflügelfenster mit Oberlicht aufweisen, überrascht die Strassenfassade mit gekuppelten Fenstern und vorstehenden Bändern. Trotz den durchaus üppig gestalteten Fenster- und Türgewänden mit verschieden ausgeführten Sturzdetails und den Ornamenten im Sichtbackstein, gibt sich das Gebäude gesamthaft eher zurückhaltend. Das auf einem einfachen Sockel stehende Erdgeschoss wartet mit massiven Eckquadern auf; im Obergeschoss allerdings gab man sich immerhin mit dunkelrot gestrichenen Ecklisenen zufrieden. Wer genau hinschaut erkennt: die Ecklisenen sind sogar nur aufgeputzt. An der Westfassade blättert der Putz ab und gibt die darunterliegenden Backsteine frei. Das einfache Satteldach ist nordseitig mit Doppelfalz- und südseitig mit Pfannenziegeln eingedeckt. Zierbalken ergänzen die Dachuntersicht. Eine rückwärtige Holzverschalung deutet auf eine kleine Laube hin.

Die massiven Eckquader im Erdgeschoss werden im 1. Obergeschoss zu aufgeputzten Ecklisenen © Simon Heiniger / Architektur Basel

Die massiven Eckquader im Erdgeschoss werden im 1. Obergeschoss zu aufgeputzten Ecklisenen © Simon Heiniger / Architektur Basel

Die mit Jahrgang 1864 ältesten, noch erhaltenen Arbeiterhäuser im Kanton finden wir in Birsfelden und Grellingen. Das mehrstöckige «Kosthaus» in Birsfelden wurde noch über eine aussenliegende Laube erschlossen. Beide haben verputzte Fassaden. Ebenso die um 1920 gebauten Arbeiterwohnhäuser in Hölstein. Die lupenreine Backsteinfassade mit Verzierungen in Lausen dürfte sicher auf die lokal vorhandenen Ziegel aus eigener Produktion zurückzuführen sein.

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Arbeiterhaus
Adresse: Hauptstrasse 72, 4415 Lausen
Architektur: unbekannt
Baujahr: 1901
Funktion: Wohnen


Fotos:
– © Simon Heiniger / Architektur Basel
Quellen:
– Affolter, C. im Auftrag der Denkmalpflege BL (2008), Bauinventar Kanton Basel-Landschaft BIB, Gemeinde Lausen
– Heusser Sibylle, Büro für das ISOS (2008), ISOS Lausen, Bundesamt für Kultur BAK, Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege, (keine ISBN vorhanden)

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