Kantonsbaumeister Beat Aeberhard: «Am Walkeweg» steht komplementär zur Entwicklung der Nordspitze von Herzog & de Meuron»

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Anfang Woche präsentierten die Vertreter des Bau- und Verkehrsdepartements sowie Immobilien Basel-Stadt die Ergebnisse der städtebaulichen Studie zur Entwicklung des gut 6 ha grossen Areals Am Walkeweg. Die heute als Freizeitgärten genutzten Flächen, die grösstenteils ab 2021 frei werden, sollen neuem Wohnraum für 650 Menschen, einer Primarschule, Kindergärten und Gewerbeflächen weichen.  Wir haben uns mit Kantonsbaumeister Beat Aeberhard über die Chancen und Potentiale des Areals «am Walkeweg» unterhalten.

Modell Am Walkeweg © Architektur Basel

Arealentwicklung Am Walkeweg im Modell © Architektur Basel

Der Studienauftrag untersuchte verschiedene städtebauliche Ansätze, die für die Umsetzung der Eigentümerstrategie und insbesondere den Grundsatz „Low-Cost – Low-Energy“ besonders geeignet sind. „Low-Cost“ zielt dabei auf die Höhe der monatlichen Mietbelastung der einzelnen Haushalte ab. Diese Zielvorgabe ist nicht ganz widerspruchsfrei: Denn eine «künstliche Verbilligung» der Mieten beispielsweise durch reduzierte Baurechtszinsen oder subventionierte Baukosten werde von vorneherein ausgeschlossen. Die Liegenschaften der Einwohnergemeinde hätten eine «marktgerechte Rendite zu erwirtschaften.» Das Thema „Low-Energy“ sieht eine Minimierung des Wärmebedarfs sowie eine Maximierung des Anteils an regenerativer Energie vor. Die Bebauung des Areals soll durch Abgabe im Baurecht oder Eigeninvestitionen der Einwohnergemeinde der Stadt Basel erfolgen.

Architektur Basel: Mit Abschluss des Studienauftrags hat die Arealentwicklung am Walkeweg einen grossen Schritt genommen. Inwiefern unterscheidet sich der Walkeweg von anderen Transformationsarealen in Basel? Worin liegen seine spezifischen Qualitäten?

Beat Aeberhard: «Städtebaulich liegt das Areal etwas abseits von den grossen Entwicklungen. Hinter dem Wolfgottesacker und dem grossen Entwicklungsgebiet des Dreispitz und im Übergang zur Brüglinger Ebene dient das Areal heute grösstenteils als Freizeitgärten oder als Asylunterkunft. Gleichzeitig grenzt das Gebiet an die S-Bahn-Haltestelle Dreispitz, es ist also hervorragend erschlossen. Die Aufgabenstellung sah im Wesentlichen ein differenziertes Wohnungsangebot und eine neue Primarschule vor. Dabei zielt der Grundsatz „Low Cost – Low Energy“ auf ein Wohnumfeld, das sowohl für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich wie auch langfristig energie- und ressourcenschonend ist. Der auserwählte Entwurf schlägt nun eine vielfältige Wohnlandschaft vor, die im Vergleich mit den anderen Basler Transformationsarealen einmalig ist. Damit bestätigt sich unsere Annahme, dass sich jedes Transformationsareal differenziert aus den jeweiligen spezifischen Bedingungen des Ortes und des Programms entwickeln lässt. Im Fall des Areals am Walkeweg versteht sich das Projekt geradezu komplementär zur angestrebten Entwicklung auf der Nordspitze des Dreispitz von Herzog & de Meuron.»

Arealentwicklung Am Walkeweg im Stadtmodell © Architektur Basel

Arealentwicklung Am Walkeweg im Stadtmodell © Architektur Basel

Das BVD spricht in seiner Medienmitteilung von „bekannten, historischen Basler Siedlungstypologien“ an denen sich der Städtebau der Architekten camponovo baumgartner orientiere. Weshalb ist dieser Bezug zur gewachsenen, historischen Stadt in Ihren Augen von Bedeutung?

«Der prämierte Entwurf basiert auf einer sorgfältigen Recherche des Ortes. Die Architekten haben in einer Art archäologischen Spurensuche wesentliche Elemente des Areals in ihren Entwurf aufgenommen. Eigenschaften wie der Gleisbogen, die Bodenbeläge, aber auch Sichtbeziehungen, die Bepflanzung oder die Struktur der gegenwärtigen Familiengärten bilden die Grundlage für ein neues Quartier. Das hat etwas Selbstverständliches und gleichzeitig Radikales. Selbstverständlich ist das generierte Bild der bodennahen und fein verästelten Struktur der Bebauung mit der neuen Schule im Zentrum. Es erinnert entfernt an ein Gartenstadtdiagramm von Ebenezer Howard und eben auch an die bekannten, historischen Basler Siedlungstypologien aus den 1920er, 1930er Jahren. Radikal am Entwurf ist der Umgang mit der Dichte und dem vielfältigen Angebot an Interaktionsräumen für die zukünftige Bewohnerschaft.»

Im Modell springt der Solitärbau auf der SBB-Parzelle ins Auge: Welche Rolle ist ihm zugedacht?

«Der 9-geschossige Solitär ausserhalb des Gleisbogens markiert zusammen mit dem geplanten Hochhaus auf dem Irène Zurkinden-Platz Anfang und Ende des Walkewegs. Typologisch vervollständigt er das geplante Wohnungsangebot auf dem Areal, so dass letztlich der angestrebte vielfältige Wohnungsmix auch tatsächlich erreicht wird. Das hohe Haus wurde innerhalb des Begleitgremiums durchaus kontrovers diskutiert, letztlich war man sich aber einig, dass es eine interessante Ergänzung des Entwurfs ist.»

Visualisierung Wohngasse © Camponovo Baumgratner Architekten

Visualisierung Wohngasse © Camponovo Baumgratner Architekten

Das Konzept sieht nebst der Energieeffizienz unter dem Begriff „low cost“ preisgünstiges Wohnen vor. Uns nimmt es wunder, inwiefern diese anspruchsvolle Vorgabe beim Studienauftrag, also der städtebaulichen Konfiguration des Areals, miteinbezogen wurde – und welche Erkenntnisse daraus resultierten.

«Low cost beginnt beim Städtebau. Kompakte Gebäude sind da eine wesentliche Bedingung. Die Reduktion der beheizten Geschossfläche, etwa durch Auslagern von Bauteilen wie Treppen ausserhalb des Dämmperimeters, ist eine mögliche Strategie. Einfache Wohnzeilen wie im vorliegenden Entwurf sind eine robuste Grundlage, um in den weiteren Wettbewerbsverfahren eine vielfältige Wohnanlage mit verschiedenen, flächeneffizienten Wohnungstypen für ein breites Publikum entwickeln zu können.»

Zum Schluss eine persönliche Frage: Könnten Sie sich vorstellen in fünf Jahren selbst an den Walkeweg zu ziehen?

«Ja, selbstverständlich, wobei sich mir persönlich die Frage nicht stellt. Mein gegenwärtiges Wohnumfeld ist geprägt durch die oben genannten „bekannten, historischen Basler Siedlungstypologien“. Dort bin ich sehr zufrieden.»

Herzlichen Dank für das Interview. Sämtliche Projekte des Studienauftrags zur Arealentwicklung «Am Walkeweg» können noch bis am 24. September im Hochbauamt an der Dufourstrasse 40 besichtigt werden. Die Öffnungszeiten wochentags jeweils 8.00 – 12.15 Uhr und 13.15 – 17.00 Uhr. Ein Besuch lohnt sich.

 

Interview: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Beat Aeberhard
Dipl. Arch. ETH / MsAUD Columbia Univ. / SIA

aufgewachsen in Zürich
Architketurstudium an der ETH Zürich und EPF Lausanne
Nachdiplomstudium Architecture and Urban Design an der Columbia University in New York
2009 bis 2015 Stadtarchitekt in Zug
Seit 2015 Kantonsbaumeister in Basel

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