Pfarrei-Ensemble Oltingen | Baselbieter Baukultur #1

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Baselbieter Baukultur
Ab heute widmen wir uns den architektonischen Leckerbissen des Landkantons. Grossartige Architektur ist nämlich nicht nur in den Städten zu finden, sondern auch fernab der Zentren – ja beinahe versteckt. Die Städte und Agglomerationen sind seit Jahren einem dynamischen Veränderungsprozess unterworfen. Dörflichen Strukturen hingegen steht diese Entwicklung noch bevor; die Kerne sind in ihrer Grundanlage meist erhalten geblieben, momentan substanziell aber oftmals unternutzt. Diese Ausgangslage fordert nicht nur Architektinnen und Architekten, sie geht uns alle etwas an. Der fast schon inflationär verwendete Begriff der «Inneren Verdichtung» bedeutet nämlich nicht einfach, in die Höhe zu bauen, sondern vor allen Dingen intelligent und sinnvoll zu agieren. Wunderbar erhaltene Dorfkerne bieten dafür beste Voraussetzungen. Die Serie «Baselbieter Baukultur» versucht sich dieser Thematik anzunähern. Wir besuchen sowohl die Agglomeration von Basel als auch das Oberbaselbiet. Ziel soll nicht nur eine Auflistung bemerkenswerter Architektur sein, sondern eine Auseinandersetzung mit den Herausforderungen ländlicher und dörflicher Baukultur. Der Fokus ist breitgestreut: Herausragende Einzelobjekte, Ensembles, Umbau- und Neubauprojekte, Kirchen, Schulen oder Infrastrukturbauten.

Ausbleibender Wandel als Chance?
Zu Beginn schauen wir in ein beschauliches, aber nicht minder interessantes Dorf im hintersten Zipfel des Kantons. Oltingen liegt in einer Senke direkt neben Anwil im Tal und Wenslingen in der Höhe. Von Basel aus erreichen wir das Dorf halbstündlich mit dem Bus von Gelterkinden oder Tecknau. Da Oltingen im Gegensatz zu vielen anderen Baselbieter Gemeinden aufgrund wirtschaftlicher Stagnation um 1970 der Abwanderung zum Opfer fiel, blieb die grosse Bautätigkeit, insbesondere ausserhalb der ohnehin schon bebauten Gebiete, aber auch im Kern aus. Die inzwischen leider vergriffe Publikation «Bauten im Baselbiet» erkennt in Oltingen denn auch «(…) eines der schönsten Ortsbilder des Basellands (…)». Dem schliessen wir uns an.

Das Dorf mit Kirche in der Mitte aus Südwesten, Oltingen © Architektur Basel

Das Dorf mit Kirche in der Mitte aus Südwesten, Oltingen © Architektur Basel

Ein einzigartiges Ensemble
Das bestens erhaltene Ensemble aus Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheune auf einer kleinen Anhöhe bildet unmissverständlich den Mittelpunkt des Dorfes. So heisst der Abschnitt der Hauptstrasse davor auch «Herrengasse». Die Herrengasse als solche gibt es auch in Bern, Linz oder Wien. Die 1296 erstmals urkundlich erwähnte Anlage ist deshalb interessant, weil die verschiedenen Gebäude klar zueinander gesetzt in zwei hierarchisch gegliederten Höfen, dem allgemeinen Pfarrhof und dem geschlossenen, etwas höher liegenden Kirchhof sich nicht nur unter topografischen Gesichtspunkten perfekt in das Dorf einordnen, sondern auch untereinander harmonieren. Obschon die Kirche mehrfach umgebaut worden ist, präsentiert sich das am westlichen Dorfeingang und durch eine Mauer gefasste Sakralgebäude noch im spätgotischen Stil. Die Fassaden bestehen aus Tuffstein aus der Region. Bei Restaurationsarbeiten um 1956 wurden im Innenraum der aus einem Haupt- und Nebenschiff bestehenden Kirche Wandbilder freigelegt.
Die Nutzung der verschiedenen Gebäude wurde im Laufe der Zeit den jeweiligen Bedürfnissen angepasst, die Bauten, etwa die heutige Scheune von 1710 um- oder angebaut. Seit 1984 befindet sich im Erdgeschoss der Scheune das Heimatmuseum der drei Dörfer Oltingen, Wenslingen und Anwil. Das umgebaute Dachgeschoss wird als Kirchgemeindesaal genutzt.

Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheune, Oltingen © Börje Müller Fotografie

Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheune, Oltingen © Börje Müller Fotografie

Wir finden, ein Besuch des Ensembles lohnt sich auf jeden Fall, ist eine solche Anlage doch eher einzigartig. Wer nicht zu lange auf den Bus warten möchte, dem sei ein Spaziergang auf einen der umliegenden Hügel empfohlen; die Struktur des Dorfes und die Anordnung der Pfarrei wird von oben nochmals deutlich sichtbar.

Funktion: Sakralbau, Museum, Versammlung
Adresse: Herrengasse 38, 38a & 39, 4494 Oltingen
Baujahr: ab 1474
Restauration Kirche: um 1956
Architektur: unbekannt
Material: Tuffstein (Kirche)


Text:
– Simon Heiniger / Architektur Basel
Fotos:
– © Börje Müller Fotografie
– © Simon Heiniger / Architektur Basel
Quellen:
– Hasche, K. & Hanak, M. (2010), Bauten im Baselbiet: eine Architekturgeschichte mit 12 Spaziergängen, Schwabe AG, Basel. ISBN: 978-3-7965-2664-0
– museums.ch, die Plattformfür Museen in der Schweiz, https://www.museums.ch/org/de/Heimatmuseum-Oltingen-Wenslingen-Anwil, abgerufen am 21. März 2018

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