Städtebau in Basel – Mehr Charakter statt Langeweile

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Die Entwicklung der Erlenmatt neigt sich langsam dem Ende zu. Geplant war ein heterogenes Quartier mit einem überzeugenden Freiraumkonzept und innovativer Architektur. Die Realität unterscheidet sich von der ursprünglichen Vision: Erst durch das aktive Eingreifen der Stiftung Habitat auf dem östlichen Teil konnte etwas von der Absicht, ein lebendiges Quartier mit qualitativ guten Bauten und Freiräumen, eingelöst werden. Noch ist das Gebiet nicht fertig entwickelt, somit erübrigt sich ein endgültiges Fazit. Es zeigt sich jedoch, dass partizipative Verfahren mit den Bewohnern wie bei der Stadterle der Genossenschaft Zimmerfrei zu guten Resultaten führen, auch wenn die Prozesse träge und mühsam sein können. Sowohl die Genossenschaft Kalkbreite als auch das Projekt „Mehr als Wohnen“ in Zürich sind Zeugen von einem innovativen Städtebau in Zusammenarbeit mit den Bewohnern. Dass Beteiligungsverfahren auch in Basel möglich sind, zeigt das aktuelle Beispiel des Projektes „Wohnen und Mehr“ auf dem ehemaligen Felix Platter Areal, das unterdessen „Westfeld“ getauft wurde.

Basel wird in den nächsten Jahren laut Prognosen die Einwohnerzahl von 200’000 Menschen erreichen. Je dichter die Stadt wird, desto qualitativ hochwertiger müssen die Freiräume gestaltet werden. So sollen verschiedene Perspektiven für den heutigen Städtebau herangezogen werden, aus denen für die neuesten Entwicklungen gelernt werden können. Bernoulli verstand den Städtebau eher als soziales Konstrukt und als Durchmischung der Bevölkerungsschichten, während Camillo Sitte Städtebau aus der Sicht von Platzbildung und Freiräumen versteht. Für Aldo Rossi ist Städtebau das Erhalten von Baudenkmälern und das Weiterbauen in historischen Bautypologien. Nach Rossi gibt es primäre Denkmäler, die eine Stadt prägen und somit erhalten werden müssen. Die Stadt lebt im kollektiven Gedächtnis weiter.

Alle drei Beispiele zeugen jedoch von einer zentralen Idee: Architektur und Städtebau muss Atmosphäre und Emotionen erzeugen. Der Mensch spielt dabei die Hauptrolle. Städtebau ist das Schaffen von Freiräumen für die Stadtbewohner.

Demgegenüber hat die Moderne mit der klassischen Stadtbaukunst radikal gebrochen. Sie setzt das Haus und die Grossform auf die grüne Wiese und missachtet die Qualitäten der präzis gefassten Räume zwischen den Gebäuden. Es hat also eine Umkehrung stattgefunden: Die Stadt wird nicht mehr als gefasster Raum gelesen, sondern als Baumasse im ungefassten Freiraum. Aber auch das moderne Städtebaudogma hat seine Berechtigung: Das Streben nach Luft und Freiraum, nach Grünzonen und Erholungsgebieten, nach effizienten Wohnblöcken widerspiegelt ein Bedürfnis der Zeit. Der neuste Wettbewerbsentwurf von Herzog & de Meuron auf dem nördlichen Dreispitz-Areal kombiniert verschiedene Aspekte miteinander: Die hohe Baudichte wird einem zentralen Park gut geschrieben und die umgebenden Bauten stärken wiederum diesen Park. Die Bebauungsform ermöglicht eine Anbindung ans bestehende Gundeli-Quartier und zugleich auch einen eigenen Charakter.

Es stehen zahlreiche Areale vor einer Transformation: Rund um den Bahnhof SBB wird sich vieles verändern, das Quartier Klybeck wird neu gestaltet und schliesslich steht das Lysbüchel Areal vor einer Transformation. Noch in weiter Ferne steht das Projekt rund um „Rheinhattan“.

Städtebau ist nicht das präzise oder formale Organisieren von Baumasse, sondern das Planen von genau dem, was die heutige Investorenarchitektur nicht berücksichtigt: Die Freiräume, das öffentliche Leben. Die ökonomische Logik funktioniert andersherum: Mit Freiräumen lässt sich kein oder nur wenig Geld verdienen. Allerdings wird Atmosphäre erst gerade durch geschickt angeordnete öffentliche Räume die sowohl gross, klein, lang, schmal oder breit sein können, geschaffen. Ein Blick auf die Theorien von Bernoulli, Sitte oder Rossi dient da heute noch als Inspiration.

Text: Architetkur Basel / Philipp Lutz

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