Vom WOBA-Reihenhaus bis zur Gemeinschaftsküche: der Heimatschutz zeichnet drei aktuelle Projekte aus

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Seit 1969 blickt der Basler Heimatschutz in Form einer Bautenprämierung jährlich auf das Basler Baugeschehen zurück und zeichnet dabei jeweils mehrere herausragende Projekte aus. Entgegen der Annahme, der Heimatschutz lege sein Augenmerk nur auf Vergangenes, zeigt sich die Jury offen für Neues im wörtlichen Sinne; neben gelungenen Renovationen, Sanierungen und Umbauten finden sich immer Neubauten unter den prämierten Projekten. Wir werfen einen Blick auf die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger.

Im Surinam 126 – Renovation
Das Haus im Surinam 126 befindet sich zwischen den Bahndämmen hinter dem Badischen Bahnhof. Es ist Bestandteil der «WOBA», der ersten Schweizer Wohnausstellung von 1930, einer Mustersiedlung des Neuen Bauens. Hier versuchten die Architekten jener Zeit, günstigen Wohnraum mit den neuen technischen Mitteln der Moderne zu erstellen. Um 1930 herrschte enorme Wohnungsnot. Allein in Basel gab es gegen 500 als obdachlos gemeldete Familien. Die Architekten Artaria und Schmidt machten es sich daher zur Aufgabe, für die Wohngenossenschaft Eglisee möglichst günstige Reihenhäuser zu erstellen. Die Grundrisse sind äusserst geschickt gestaltet; im Innern fehlt jede überflüssige Fläche. So standen einer vierköpfigen Familie nur gerade 45 Quadratmeter zur Verfügung. Auf einen Keller wurde verzichtet.

Renovation Im Surinam 126 © Armin Schärer

Renovation Im Surinam 126 © Armin Schärer

Das Reihenhaus Nr. 126 stand im Frühjahr 2017 kurz leer. Dieser Umstand brachte eine Gruppe Architekten und Kunsthistoriker auf den Gedanken, das Gebäude als Musterbeispiel für die gesamte Siedlung restaurieren zu lassen. Die Genossenschaft war bereit, ihnen das Haus mietweise zu überlassen. Der neu gegründete «Verein Ein Haus WOBA» machte sich fortan auf Spendensuche für die anstehenden Arbeiten.

Renovation Im Surinam 126, Verein Ein Haus WOBA

Renovation Im Surinam 126, Verein Ein Haus WOBA

Obschon 90 Jahre in dem Haus gewohnt worden war, wurde nur wenig verändert. Lediglich die Fenster und die Eingangstür mussten ersetzt werden. Die originale Farbigkeit in den Innenräumen konnte unter vielen Farbschichten wiederhergestellt werden. Der Boden der Wohnstube musste im Rahmen der Arbeiten ersetzt werden. Er besteht nun wieder aus Linoleum. Das Ziel von Lukas Gruntz, Benjamin Adler und Klaus Spechtenhauser war es neben der Wiederherstellung ursprünglicher Materialien und Farben aber auch, das Haus wieder mit einer entsprechenden Möblierung aus den 30er-Jahren auszustatten. An verschiedenen Orten wurden sie schliesslich fündig. Besonders hervorzuheben ist hier der blaue Küchenherd, einer der damals ersten elektrischen Kochherde. Er ist noch heute funktionstüchtig.

Renovation Im Surinam 126 © Armin Schärer

Renovation Im Surinam 126 © Armin Schärer

Das Funktionieren des renovierten Hauses ist denn auch ein wichtiges Merkmal des Projekts. Schliesslich soll es nicht als Museum dienen, sondern als Zeitzeuge weiterleben. Wohl ganz im Sinne der Erbauer wird das Haus wieder vermietet, nicht an eine vierköpfige Familie zwar, dafür aber an Studierende.

Goldbachweg 12/14 – Neubau
Das Atelier Abraha Achermann Architekten ETH SIA aus Zürich zog mit dem Neubau «zweier unkonventioneller Häuser für soziales Wohnen und Arbeiten», wie die Jury sie nennt, die Aufmerksamkeit des Heimatschutzes auf sich. Die beiden Neubauten am Goldbachweg 12 und 14 sind zwischen Erlenmattpark und dem bestehenden Silobau eingebettet. Gegen 50 Wohnungen und Atelier- und Gewerberäume im Erdgeschoss sind in den beiden fünfstöckigen Gebäuden untergebracht. Vom Single-Studio bis zur 5.5-Zimmer-Familienwohnung kommen hier alle auf ihre Kosten.

Neubau Goldbachweg 12 + 14 © Architekturfotograf Rasmus Norlander

Neubau Goldbachweg 12 + 14 © Architekturfotograf Rasmus Norlander

Das Gebäude ist äusserst effizient konzipiert. Ein einziges Treppenhaus erschliesst eine jeweils zweigeschossige Laube. Schwellenlose alterstaugliche Geschosswohnungen sind direkt an den Kern angeschlossen. Die restlichen Wohnungen sind als Duplex- oder Triplextypen ausgebildet. Einzelne Wohnungen verfügen über eine Spindeltreppe direkt ins erdgeschossige Atelier.

Neubau Goldbachweg 12 + 14 © Atelier Abraha Achermann Architekten ETH SIA

Neubau Goldbachweg 12 + 14 © Atelier Abraha Achermann Architekten ETH SIA

Zu den Häusern gehören auch gemeinsame Innen- und Aussenräume, welche an warmen und kalten Tagen kollektiven und sozialen Bewegungsraum bieten. Etwa ein «Sommerzimmer» – ein Dacheinschnitt als Loggia mit einer Feuerstelle zum Hof hin und ein «Winterzimmer» – ein überhöhtes Kaminzimmer, kombiniert mit einer gemeinschaftlichen Küche.

Neubau Goldbachweg 12 + 14 © Architekturfotograf Rasmus Norlander

Neubau Goldbachweg 12 + 14 © Architekturfotograf Rasmus Norlander

Der architektonische Ausdruck und die konstruktive Ausführung stehen dem Grundrisskonzept in ihrer klaren Art in nichts nach. Die Raum- und Tragstruktur zeichnet sich in sichtbaren Decken und Schotten rasterartig ab. Diese strukturelle Erscheinung bildet die Räume im Innern nach aussen hin ab. Die Füllungen in Holzbauweise schaffen durch verschiedene Anschlagsebenen der Fensteröffnungen eine schöne Tiefenwirkung. Die geschlossenen Fassadenteile sind mit gewellten Faserzementplatten verkleidet. Besonders erwähnt der Heimatschutz auch den Umgang mit der Haustechnik. Rohre und Leitungen sind nicht in die Wände und Decken eingelegt, sondern Aufputz geführt und stets zugänglich. Damit werden nicht nur dicke Betondecken eingespart, sondern auch Kosten bei einem späteren Ersatz der Haustechnik. Die Nachhaltigkeit des Gebäudes der Stiftung Abendrot währt vom Konzept der sozialen Organisation bis hin zur Montage des Sicherungskastens.

Bürogebäude Petersgraben 11 – Sanierung und Umbau
Im Jahr 1904 wurde die Andlauerklinik, das markante Jugendstilhaus am Petersgraben Nr. 11, von den Architekten Romang und Wilhelm Bernoulli als Privatkrankenhaus errichtet. Farblich individuelle Räume mit stuckierten Decken- und Wandfeldern sollten zu einem besonders angenehmen Aufenthalt beitragen. Die Klinik ging später ans Bürgerspital Basel und 1972 an den Kanton Basel-Stadt. 1984 wurde das Gebäude zusammen mit dem anschliessenden Gebäude am Petersgraben Nr. 9 für die Universität und die Büros der Archäologischen Bodenforschung umgebaut. 2017 zog die Universität aus. Nun war Platz genug, alle Räumlichkeiten der Archäologischen Bodenforschung in Nr. 11 zu vereinen.

Sanierung und Umbau Petersgraben 11 © Baumann Lukas Architektur AG

Sanierung und Umbau Petersgraben 11 © Baumann Lukas Architektur AG

Baumann Lukas Architektur AG erarbeitete aufgrund einer Machbarkeitsstudie ein Lösungskonzept für einen massgeschneiderten Umbau und eine integrale Sanierung. Neben einem anspruchsvollen Raumprogramm sahen sich die Architekten*innen insbesondere mit einem wertvollen historischen Baubestand konfrontiert. So augenfällig die zurückhaltend repräsentative Architektur des neobarocken Klinikgebäudes am Äussern in Erscheinung tritt, so wenig hat sich im Innern über die Jahrzehnte sichtbar erhalten. Anhand von alten Abbildungen und von Befunden gelang des den Verantwortlichen, diese früheren Qualitäten ohne rekonstruktiven Zwang notabene überzeugend umzusetzen. In Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege entstand eine integrale Erneuerung vom Keller bis ins Dach.

Sanierung und Umbau Petersgraben 11 © Baumann Lukas Architektur AG

Sanierung und Umbau Petersgraben 11 © Baumann Lukas Architektur AG

Insbesondere der Umbau des Dachgeschosses zu einem grossen offenen Raum ist lobenswert hervorzuheben. Belichtet wird der Raum über eine neue halbrunde Dachlukarne. In bereits bestehenden Lukarnen findet diese Massnahme Bestätigung. Einen Mehrwert bietet zudem der neu geschaffene Ausblick über die Stadt bis hin zum Rhein. Der Heimtschutz lobt in seiner Laudatio vorallem die Bereitschaft und das Engagement aller Beteiligten, sich auf die Eigenheiten des historischen Gebäudes einzulassen die zur Verfügung stehenden und neuen Flächen entsprechend kreativ nutzbar zu machen.

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
mit Inhalten aus der Medienmitteilung Heimatschutz BS


Fotografien:
– Im Surinam 126 © Armin Schärer
– Im Surinam 126 (Baustellenfoto) © Verein Ein Haus WOBA
– Goldbachweg 12/14 © Architekturfotograf Rasmus Norlander
– Petersgraben 11 © Baumann Lukas Architektur AG
Pläne:
– Im Surinam 126: Verein Ein Haus WOBA
– Goldbachweg 12/14 © Atelier Abraha Achermann Architekten ETH SIA

Inhalte zur Verfügung gestellt vom Heimatschutz BS

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