Wohnen wie anno 1930: «Spannend zu merken, wie wenig man eigentlich braucht»

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Lisa und Thomas leben im Baudenkmal «Ein Haus WOBA» im Surinam auf 45 Quadratmetern. Das Paar geniesst das Einfamilienhäuschenfeeling, aber nach zehn Monaten müssen sie das Haus verlassen – und den nächsten Teporärmieter*innen Platz machen.

Hereinspaziert! Das Entree ist gleichzeitig die Küche © Eleni Kougionis

Einen Waschbeckenstöpsel gibt es im Zuhause von Lisa und Thomas nicht. Wollen sie das Waschbecken vollaufen lassen, stülpen sie einen Becher über den Abfluss. «Man muss sich organisieren und mit kleinen Tricks zu helfen wissen», meint Lisa.  Das Waschbecken in der Küche ist das einzige im ganzen Haus. Noch etwas macht die Küche aussergewöhnlich: der alte Elektroherd von Therma aus blauem Emaille.

Alles in allem wirkt die Küche so in der Zeit stehengeblieben, dass sie in einem Museum stehen könnte. Der Punkt ist: Das tut sie. Die beiden 32-Jährigen wohnen in einem Baudenkmal.

Der blau emailierte Elektroherd der Firma Therma wurde an der WOBA 1930 in Basel lanciert © Eleni Kougionis

Modernes und günstiges Wohnen für Arbeiter*innen
1930 fand die erste schweizerische Wohnungsausstellung Basel (WOBA) statt. In diesem Rahmen wurde die Siedlung im Surinam gebaut. Architekten zeigten damals, wie modernes und günstiges Wohnen auf kleinem Raum umgesetzt werden kann. Damals waren rund  500 Basler Familien obdachlos gemeldet.

Die Grundgedanken dieser Architekten wollte der Verein «Ein Haus WOBA» bewahren und schickte das Haus auf eine Zeitreise ins Jahr 1930. Sogar Details wie etwa die Steckdosen sind originalgetreu. Ausnahme: Eine Duschbrause oder einen Kühlschrank gab es hier vor 90 Jahren noch nicht.

Eigentlich wohnen Lisa und Thomas im St. Johann auf der doppelten Fläche. Die beiden waren jedoch so begeistert vom Projekt «Ein Haus WOBA», dass sie ihre Wohnung untervermieteten und für zehn Monate ins 45m2-Reihenhäuschen zogen.

So sieht Wohnlichkeit aus. Die Sparuhr in der Mitte stammt ebenfalls aus dem Jahr 1930 © Eleni Kougionis

«Spannend zu merken, wie wenig man eigentlich braucht»
Individuell umgestalten konnten die beiden wenig. Dem Verein ist wichtig, die 30-Jahre-Ästhetik originaltreu zu bewahren. Im Wohnzimmer stehen nur ein Tisch, vier Stühle, eine Kommode, ein Sofa.

Lisa und Thomas gefällt das Einfamilienhaus-Feeling, auch wenn das «bünzlig» klinge. Und: «Es ist spannend, zu merken, wie wenig man eigentlich braucht. Bisher fehlt mir nichts, was wir in unserer Wohnung gelassen haben. Ein paar Bücher vielleicht.» Wir haben auch Zuhause nicht so viele Sachen. Ich würde aber nicht sagen, dass wir klassisch minimalistisch unterwegs sind», sagt Lisa. «Doch eh, unsere Kollegen sagen uns oft, dass wir sehr wenig besitzen.» «Ja aber trotzdem.» Der Geschirrspüler fehle den beiden aber.

Low tech: Im Haus WOBA wird mit den originalen Holzöfen geheizt © Eleni Kougionis

«Möchte wirklich niemand mehr auf 20m2 pro Person leben? Ich glaube nicht, dass man das so absolut behaupten kann, wie es oft getan wird», sagt Thomas, der am Hyperwerk studiert. «Nachhaltigkeit und Kleinwohnformen interessieren mich. Hier kann ich beide Prinzipien leben und erleben.» Lisa erklärt: «Dass ich mich als Innenarchitektin für das Haus interessiere, ist naheliegend.»

Geheizt wird mit Holz. «Inzwischen bin ich schon etwas enttäuscht, wenn es zu warm ist, um den Ofen anzumachen», sagt Thomas. «Egal wo man ist, es zieht einem zum Ofen. Der ist der Mittelpunkt hier. Wenn ich zum Beispiel Zuhause arbeite, hole ich meine Sachen aus dem Arbeitszimmer und setze mich zum Ofen. Ich glaube, dass das schon immer so war, dass man sich hier getroffen hat. Auch als noch Arbeiterfamilien hier gelebt haben», erzählt Lisa.

Im ehemaligen Kinderzimmer wurde ein Nähatelier eingerichtet © Eleni Kougionis

Schrebergarten-Feeling
Blickt man aus dem Fesnter, sieht man den kleinen Vorgarten und die Reihenhäuser, die alle gleich aussehen. «Es ist ein bisschen wie im Schrebergarten», meint Thomas. «Man ist hier schon sehr nahe», sagt er. Genau wie Lisa kommt er vom Land.

Der Esstisch im Wohnzimmer mit Linoleum-Oberfläche © Eleni Kougionis

Dem richtigen Land, nicht dem, das Freund*innen der beiden vor Augen haben, wenn sie sagen, das Reihenhäusschen sei «wie auf dem Land». «Vielleicht gefällt es uns auch deswegen so gut, dass wir aus der Tür kommen und direkt im Garten sind und nicht erst noch drei Stockwerke runtergehen müssen um auf dem Trottoir zu stehen», sagt Lisa.

Bescheidenheit auf 45 Quadratmetern im Surinam © Eleni Kougionis

Manchmal wird es eng.  «Man kann sich hier nicht so gut zurückziehen und man steht sich oft im Weg», sagt Lisa. «Vor allem in Bad und Küche merken wir das. Ich kann damit nur schlecht umgehen, nerve mich.» Allerdings sei das Gewöhnungssache. Es helfe auch, dass das Haus zweistöckig sei. Im oberen Stock befindet sich das WC, Lisas Arbeitszimmer und das Schlafzimmer. Seit sie eingezogen sind, hätten sich schon viele Bekannte bei ihnen gemeldet, die auch daran interessiert wären, im Haus zu wohnen. «Es spricht sich rum und das ist auch gut so. So können verschiedene Menschen diese Art zu Wohnen kennenlernen.»

Text: Mirjam Kohler
Fotos: Eleni Kougionis


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