PETITION GAV ARCHITEKTUR

Alles über Baumanagement – Teil II mit PERITA

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Bei Perita erwartet uns das sogenannte Führungstandem, bestehend aus Tim Hercka, Mitinhaber der Perita AG, und Martin Kluser, Standortverantwortlicher in Basel, sowie Philipp Schneider, stellvertretende Standortleitung, und Silke Tetzlaff, verantwortlich für Marketing und Kommunikation. Zu Beginn werden wir durch den weitläufigen Büroraum im ELYS geführt, den sie mit Lorenz Architekten teilen und mit selbst gezimmerten Besprechungsboxen und zahlreichen Pflanzen zoniert haben. Ebenso dynamisch wie die Arbeitsumgebung ist, verläuft das Gespräch.

Das Büro von Perita im Kultur- und Gewerbehaus ELYS © Perita AG

Architektur Basel: Könnt Ihr Euch und die Perita AG kurz vorstellen?

Perita: Die Gründer-Truppe kannte sich von ,b+p Baurealisation’, eines der vormals grössten Baumanagement-Büros in Zürich. Anfang 2020, kurz vor Beginn der Corona-Pandemie, haben wir die Perita AG ins Leben gerufen. Insbesondere zu dieser herausfordernden Zeit war es von Vorteil, dass wir bereits miteinander vertraut waren. Wir konnten mit coolen Leuten auf qualitativ hohem Niveau weiterarbeiten und unsere geschäftlichen Beziehungen gemeinsam reaktivieren. Es bestand ein enormer Erfahrungsschatz, sozusagen eine Fortführung der vorherigen Zusammenarbeit – sowohl im Team als auch mit Kunden und Bauherrschaften. So konnten wir unser Vorhaben – ein Unternehmen an drei Standorten, in Basel, Zürich und St. Gallen aufzuziehen – auch wirklich umsetzen. Die digitale Vernetzung war zu Beginn eine Notwendigkeit und wurde schliesslich zu einer der grossen Stärken von Perita. Mittlerweile beschäftigen wir insgesamt 40 Mitarbeitende.

Rundgang durch das Büro im ELYS © Armin Schärer

Dennoch ist die Perita AG im Vergleich zu anderen ein junges Büro. Was würdet Ihr sagen, unterscheidet euch von anderen Baumanagement-Büros?

Wir sind jung und arbeiten sehr dynamisch und vernetzt. Als Firma ermöglichen wir eine gute ,Work-Life-Balance’ und haben eine Frauenquote von über 50 Prozent. Mit unserem Baumanagement bringen wir uns in den architektonischen Diskurs ein und leisten einen gesellschaftlichen Beitrag. Wir arbeiten an spannenden Projekten, in denen aktuelle Fragen thematisiert werden. Ausserdem sind wir gern in der Werkstatt, um zu gestalten. Sicher kommt uns zugute, dass wir mit jungen Architekten vernetzt sind, die den Generationenwechsel einläuten. Wir sprechen die gleiche Sprache wie sie, sind nicht festgefahren und offen dafür, voneinander zu lernen. So kann man Architektur entsprechend den heutigen Herausforderungen denken. 

Welche Projekte bearbeitet Ihr derzeit in Basel?

Begonnen haben wir mit der Klinik ,H4H’ in Arlesheim, die der Grundstein für den Aufbau des Standorts in Basel war. Dann kamen recht schnell viele Projekte dazu, wie der Neubau des Forschungsgebäudes ,BRCCH’ mit Guerra Clauss Architekten und der Neubau des Wohnhauses an der Burgfelderstrasse mit von Ballmoos Partner Architekten. Und dann natürlich die Projekte am Walkeweg, das Schulhaus Walkeweg mit Aequipe und der genossenschaftliche Wohnungsbau mit Stereo Architektur.

Neubau Forschungsgebäude BRCCH in prominenter Lage an der Kreuzung Spital- und Schanzenstrasse in Basel: Perita darf in ARGE mit den Architekten dem Generalplaner vorstehen und das Projekt-, Kosten- und Baumanagement verantworten. Architektur: Guerra Clauss Architekten SIA GmbH

Euer Logo ist mit ,Management im Hochbau’ untertitelt. Was genau macht ein ,Manager im Hochbau’?

Uns muss man als Partner des Architekten verstehen, da wir die Leistungen ergänzen, die er als Schwerpunkt nicht abdecken kann: Terminkoordination, Kostenplanung und die Realisierung. Bauen ist nicht nur Planen, Bauen ist ein Prozess. Es gibt diverse Risiken und wir unterstützen den Architekten als Experten mit viel Erfahrung im Vertragswesen, der Organisation von Prozessen bis hin zur Schlussabrechnung und Schlüsselübergabe. 

Welche Art von Projekten interessieren euch?

Uns interessieren Projekte, die eine gewisse Herausforderung mit sich bringen. Das kann beispielsweise die Zusammenarbeit mit einem jungen Büro sein, das Thema ReUse oder eine gewisse Objektgrösse. Wir suchen keine Trophäen, aber arbeiten gerne am Puls der Zeit.

Walkeweg Baufeld B, Basel: Die Perita AG darf das Projekt-, Kosten- und Baumanagement als ARGE mit Stereo Architektur ETH BSA SIA, Basel/Zürich betreuen und steht partnerschaftlich dem Generalplaner vor. Architektur: Stereo Architektur ETH BSA SIA

Wie akquiriert Ihr Aufträge?

Wir stehen zum Architektur-Wettbewerb! Berücksichtigt man auch Planerwahlverfahren, haben wir letztes Jahr 88 Abgaben bearbeitet. Das Ergebnis hängt allerdings primär von den Architekten ab. Mit unserer Erfahrung stehen wir beratend zur Seite und denken gerne mit. Wir beobachten den Markt und bleiben auf dem Laufenden. 

Worauf kommt es bei der Zusammenarbeit mit Architekten an?

Wir sprechen die Sprache der Architekten, das ist bestimmt das Wichtigste. So liegt der Zusammenarbeit ein gegenseitiges Verständnis zugrunde. Architekten schätzen unsere Expertise, die wir konkret anwenden, um das Projekt effizient voranzubringen. Wir haben das Gefühl, dass die Architekten sehr froh und dankbar sind, dass wir ihnen die trockene Arbeit abnehmen. (lachen)

Wie erlebt Ihr die Zusammenarbeit mit jungen Büros?

Junge Büros sind oft sehr engagiert, auch wenn die langjährige Erfahrung noch fehlt. Daraus entsteht eine einzigartige Energie und ein unglaublicher Wille, Ideen zu realisieren. Zudem sind wir immer wieder überrascht, wie detailliert und mit welchem Verständnis die Themen angegangen werden. Seitens der Bauherrschaften erleben wir jungen Büros gegenüber mitunter eine skeptische Haltung, hier müssen sie sich noch beweisen. Dann hilft es, einen erfahrenen Partner an der Seite zu haben. 

Neubau des Schulhauses Walkeweg: Perita bildet gemeinsam mit den Architekten Aequipe GmbH eine ARGE, die den Generalplaner bildet. Das Projekt befindet sich aktuell in der Submissionsphase. Architektur: Aequipe GmbH

Wieso glaubt ihr, sind Bauherrschaften kritisch und können sich weniger gut auf eine Zusammenarbeit einlassen?

Vermutlich sehen sie in der strukturellen Aufstellung junger Büros ein Risiko, da die Last nur auf wenigen Schultern verteilt werden kann. Der Generationenwechsel hat in den Köpfen noch nicht stattgefunden. Auf einmal wird collagenartig entworfen, wobei keiner genau weiss, was in Beton, Welleternit oder Holz auszuführen ist. Bei Wettbewerbsentscheiden werden Bauherrschaften mit diesem Paradigmenwechsel konfrontiert, das führt vermutlich zu Verunsicherung. Unser Vorteil ist dann, dass der Zusammenschluss mit einem Baumanagement-Büro auf allen Seiten für Sicherheit und Stabilität sorgt.

Tim Hercka, Mitinhaber der Perita AG © Armin Schärer

Nachhaltiges Bauen (Bauen im Bestand, ReUse, Zirkuläres Bauen, Low-Tech, …) ist derzeit das Thema in Architektur-Büros. Wie erlebt Ihr die Arbeit an Projekten mit einem Nachhaltigkeits-Schwerpunkt?

Vieles ändert sich: Die Prozesse gestalten sich anders, neue Themen werden relevant und Entscheidungen müssen zu anderen Zeitpunkten getroffen werden. Beim Zirkulären Bauen muss das Material beispielsweise gesucht, transportiert und gelagert werden. Für eine gewisse Planungssicherheit muss das alles vor der Baueingabe organisiert werden, damit es in der Ausführung nicht zu grossen Veränderungen kommt. Dieser Beschaffungsprozess ist neu und findet bereits im Vor- und Bauprojekt statt. Wenn dann noch Fragen zu Logistik, Vorfinanzierung, Versicherung und Haftung dazu kommen, erfordert dies ein integrales Denken.
Wir stellen fest, dass sich die Verantwortung verlagert. Bei Neubau-Projekten muss der Unternehmer das Material gemäss Ausschreibung liefern. Bei ReUse müssen die Planer und Bauherrschaften das Material beschaffen, weil die Eigenschaften so spezifisch sind, dass ein Unternehmer dies zeitlich und rechnerisch nicht leisten kann.
Aber wir spüren seitens Unternehmer einen Willen, sich an dieser neuen Form des Bauens zu beteiligen, obgleich sich hier Grenzen auftun. So sollten die Brettstapeldecken für das Schulhaus am Walkeweg aus nicht mehr verwendeten Auflagerhölzern hergestellt werden. Das ist letztlich daran gescheitert, dass das Holz von Hausschwamm, einem Schimmelpilz, befallen war und deshalb nicht in einer Schule verbaut werden konnte.
Darüber hinaus sind die Preise von wiederverwendbaren Bauteilen derzeit nicht wirklich kalkulierbar. Unternehmer haben in der Zwischenzeit bemerkt, dass gewisse Bauteile, die zuvor Abfall waren, plötzlich gefragt sind und wiederum einen Wert haben. Diese Tatsache übt zusätzlichen Druck auf das Zirkuläre Bauen aus. Hier ist noch vieles unklar. 

Die Basler Führungsspitze von Perita © Armin Schärer

Wie nehmt Ihr die Bereitschaft der Bauherrschaften wahr?

Sehr unterschiedlich. Teilweise ist der Wille gross, teilweise ist noch Luft nach oben. Derzeit ist alles in Bewegung und auch die öffentliche Hand und Institutionen müssen sich bewegen.

Noch eine ergänzende Frage zu den Baustoff-Preisen: Wie verrechnet man ein Bauteil, das gratis abgegeben wurde, hinsichtlich Honorar?

Das ist eine spannende Frage, weil für diese neuen Prozesse neue Methoden angewendet werden müssen. Vor allem betrifft dies die Kommunikation mit der Bauherrschaft. Im Moment gibt es diverse Lösungsansätze, aber noch keine geltenden Regeln. Bauherrschaften sind teilweise gewillt, den Mehraufwand über eine Pauschale abzudecken, andere wollen detaillierte Nachweise. Derzeit versuchen wir, verschiedene Möglichkeiten auszuloten.

Demnach fechtet ihr das Honorar bei jedem Projekt mit der jeweiligen Bauherrschaft neu aus. Gibt es nicht den Wunsch nach einer Art übergeordnetem Regelwerk?

Ja, das ist so. Aktuell ist ein Regelwerk allerdings noch nicht möglich, da es noch zu wenig Erfahrungswerte gibt und es hierfür eine Datengrundlage bräuchte. Ein Leitfaden, oder zumindest eine Akzeptanz des Mehraufwandes wäre wichtig. Wenn in der SIA definiert wäre, dass ReUse eine besonders zu vereinbarende Leistung ist, würde uns das in den Diskussionen sehr helfen. Zudem muss anerkannt werden, dass es für Projekte mit dem Schwerpunkt ReUse zusätzliche Spezialisten braucht, die das Thema fachlich begleiten.
Andere nachhaltige Bauweisen wiederum bereiten uns eigentlich keine Probleme mehr. Holz- und Lehmbau ist mittlerweile fast Standard. Auch das Bauen im Bestand ist in der SIA  über den Umbau-Faktor geregelt. Mit einem solchen Faktor für das Thema ReUse wäre schon viel gewonnen.
Kurz und bündig: Nachhaltigkeit kostet Geld, Umweltverschmutzung ist gratis. Da der Klimawandel ein gesamtgesellschaftliches Thema ist, sollte ein offener Dialog geführt werden, damit langfristig alle profitieren können. Themen wie Bewilligungsprozesse, das öffentliche Vergaberecht und die Finanzierung müssen hinterfragt und neu aufgerollt werden.   

Perita im Gespräch mit Architektur Basel © Armin Schärer

Der Zusammenhang von niedrigen Löhnen und geringen Honoraren ist ein aktuelles Thema bei Architektur Basel. Wie beurteilt Ihr die Situation und welche Massnahmen ergreift Ihr im Umgang mit dieser Problematik?

Da wir intern faire Löhne zahlen wollen, brauchen wir extern faire Honorare für unsere Leistungen. Deshalb stehen wir unter anderem im Dialog mit der Stadt, da wir bei gewissen Wettbewerben nicht teilnehmen können, weil das Generalplaner-Honorar gedeckelt ist, worunter am Ende die Qualität unserer Arbeit leiden würde.
Mit Blick auf den Markt erleben wir in Vorstellungsgesprächen beides: Architekten, die zuvor in kleinen Architekturbüros gearbeitet haben, haben in der Regel niedrige Lohnvorstellungen. Die Vorstellungen derer, die zuvor beispielsweise bei Totalunternehmern gearbeitet haben, sind oftmals absurd hoch. Bürointern passt es, da wir neben einer guten Work-life-Balance statt den üblichen vier Wochen insgesamt sieben Wochen Ferien haben. 

Philipp Schneider, stellvertretende Standortleitung, und Tim Hercka, Mitinhaber der Perita AG © Armin Schärer

Wie wird sich der Beruf des Baumangers in Zukunft entwickeln?

Unserer Meinung nach wird sich der Beruf immer mehr zu einem Expertentum entwickeln. Wir stehen auch künftig den Architekten in einem interdisziplinären Prozess beratend zur Seite. Sicherlich werden wir auch in unserer Funktion als Baumanger aufgrund des allgemeinen Fachkräftemangels zur Kompensation beitragen.
Hinsichtlich der technischen Hilfsmittel wird sich etwas ändern, diese werden immer digitaler und innovativer – Stichwort Künstliche Intelligenz. Das klassische Baumanagement vor Ort wird sich allerdings nicht so schnell verändern. Den Menschen und seinen Verstand wird es auf der Baustelle weiterhin brauchen. Die Digitalisierung endet dort, wo Bauteile physisch aufeinander gestellt, aneinander geschraubt oder zusammengefügt werden müssen.

Welche Rolle spielt BIM in eurem Arbeitsalltag?

Das ist ein grosses Thema, zu dem nicht immer Einigkeit herrscht. (alle lachen) Nur wenige ausführende Unternehmer haben derzeit die Ressourcen, um mit BIM zu arbeiten. Es kommt vor allem in der Planung zum Einsatz, maximal noch bei den Haustechnik-Gewerken, aber da hört es auf. Der Hype um BIM ist etwas abgeflacht. Baumanager und Architekten haben angefangen, das Ziel zu hinterfragen und Unternehmer die Wertschöpfung. Das Gute ist, es wird nicht mehr nur um des BIM’s Willen mit BIM gebaut.

Perita im Gespräch mit Architektur Basel © Armin Schärer

Warum steht Ihr jeden Morgen auf und geht zur Arbeit?

Das ist eine gute Frage. Jeder Tag bringt etwas Neues mit sich und keiner gleicht dem anderen. Wir haben immer ein spannendes Projekt auf dem Tisch und das motiviert uns als Team sehr. Wir haben viel Freude bei der Arbeit und sind einfach Überzeugungstäter. Und wenn unsere Arbeit seitens der Auftraggeber wertgeschätzt wird, dann freuen wir uns umso mehr! 

 

Deshalb ein Appell an alle: Vergesst nicht, auch mal etwas zurückzugeben! Und an alle, die jeden Morgen aufstehen, um ihrer Arbeit in der Baubranche nachzugehen: Bewahrt euch euren Humor! Denn der war während unserem Gespräch mit Perita die ganze Zeit über anwesend. Und so verlassen wir ihr Büro mit einem Lächeln auf den Lippen, bedanken uns für dieses spannende Gespräch und wünschen alles Gute für die Zukunft!

 


Interview: Johanna Bindas, Architektur Basel

 

 

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