Wenn ein etabliertes Architekturbüro nach über sechzehnjährigem Bestehen seine erste Monografie veröffentlicht, ist das auch ein Moment des Innehaltens – abseits vom schnelllebigen Alltagsgeschäft, abseits von langwierigen Fachplanersitzungen, abseits von anstrengenden Bauherrschaften, abseits von zähen Vergabeverhandlungen. Was macht die eigene Arbeit aus? Woher kommt man? Wohin soll die Reise gehen? Bachelard Wagner Architekten ermöglichen auf 105 Seiten einen facettenreichen Einblick in ihr Schaffen – und diskutieren, was sie bewegt.

© Quart Verlag
Sie gehören zum Inventar jeder Schweizer Architekturbibliothek. Der rostbraune Umschlag, das fadengeheftete Broschur, der handliche Umfang sind ihr Markenzeichen. Die Rede ist von der «De aedibus»-Reihe, die der Quart Verlag aus Luzern seit über zwei Jahrzehnten publiziert. Inzwischen nähert sich Verleger Heinz Wirz der 100. Ausgabe. Es ist eine eindrückliche Arbeit, die in der Innerschweiz geleistet wird. Chapeau! Die neueste Ausgabe ist die Nummer 97: Bachelard Wagner. Der Inhalt umfasst drei Essays, von Frédéric Frank, Caspar Schärer und Cédric Bachelard, die Dokumentation der realisierten Projekte, eine Werkliste, sowie die Biografien von Cédric Bachelard und Anne Marie Wagner. Das Layout ist schlicht und unaufgeregt. Text, Fotos und Plänen wird genügend Raum gegeben. Das Buch ist dreisprachig: Deutsch, Englisch und Französisch.

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«Ohne das Wunschbild eines Bruchs zu begründen oder die Trugbilder eines mitunter selbstreferentiellen Experiments zu verfolgen, entwickeln Bachelard Wagner ausgereifte Wohnungsbauprojekte, die ihr Interesse an der aktuellen Debatte bekunden, ohne jedoch zu riskieren, in Zukunft schnell wieder überholt zu sein», sinniert Frédéric Frank über die Arbeit der Architekten. Verschachtelte Sätze wie dieser machen die Lektüre seines Beitrags anstrengend. Wahrscheinlich liegt es an der Übersetzung vom Französischen ins Deutsche. Formulierungen wie – «Das horizontale Fenster, das man mit einer liegenden oder sitzenden Haltung konnotiert, wird nicht einseitig auf Kosten der vertikalen Haltung eines alten Menschen angewandt, der – physisch oder symbolisch – noch aufrecht auf den Beinen stehen kann» – sind auf deutsch irgendwie kurios, ungewollt poetisch. Frank bezieht sich hierbei übrigens auf das Alterspflegheim Humanitas in Riehen, das 2017 fertiggestellt wurde.

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Caspar Schärer beleuchtet in seinem Essay den «Städtebau und Wohnungsbau im Kontext der Nachverdichtung». Ein Plädoyer für das Denken in grösseren Zusammenhängen. Der Rückzug auf die eigene Parzelle sei nicht mehr opportun. Der übergeordnete Kontext gehöre in jedem Projekt mitgedacht. «Das Büro von Cédric Bachelard und Anne Marie Wagner hat diese Notwendigkeit schon früh erkannt, blickt gerne über den disziplinären Tellerrand hinaus», schreibt Schärer. Tatsächlich zeichnet das Werk der Architekten ein besonderes Interesse für städtebauliche Fragestellungen, den grossen Massstab, aus. Beispiele sind der Mattenhof in Zürich, das Areal Landererstrasse in Reinach oder die Zentrale in Pratteln. Cédric Bachelard selbst geht in seinem Essay der Frage des kollaborativen Entwerfens bei grossmasstäblichen Arealentwicklungen, wo verschiedene Architekturteams zusammenarbeiten, nach: «Dabei dürfte die Frage der Autorenschaft – einer einzelnen, einer gemeinsamen – für gewisse Zeit in Klammern gesetzt werden.» Die Suche nach einer gemeinsamen Architektursprache, sei es über Materialien, Farben oder Konstruktionsarten, bedingt eine besondere Form des Austauschs. Das Fazit von Bachelard fällt positiv aus: «Den steten Austausch der beteiligten Architekturschaffenden im Sinne eines gemeinsamen Entwurfs und Ziels betrachten wir als positive Herangehensweise und langfristig als sinnvolle Form für unsere Berufspraxis.»

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Was gibt es sonst über die Publikation zu sagen? Besonders gelungen sind die schönen Detailzeichnungen, meist ein Fassadenschnitt oder eine kleine Axo, welche die Projektbeschriebe bereichern. Ebenso bemerkenswert sind die Architekturfotos der Bauten im belebten und bewohnten Zustand. Für den ungeschminkten Blick auf das Leben gibt es Pluspunkte. Lohnend ist auch der Blick auf das Werkverzeichnis: Das Oeuvre von Bachelard Wagner begann mit einem Paukenschlag – und einer grossen Enttäuschung zugleich. Sie gewannen den Wettbewerb für die Erweiterung des Kunstmuseums in Bern. Das Projekt wurde nicht ausgeführt. Dasselbe Schicksal ereilte den zweiten Wettbewerbserfolg: Ein Primarschulzentrum in Marly. Zum Glück blieb das Duo hartnäckig, was belohnt wurde. Es folgten weitere Wettbewerbserfolge – die dann auch gebaut wurden. Und eines ist klar: Nach sechzehn Jahren ist die Bürogeschichte noch lange nicht am Ende angelangt. Bon courage.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel
Bachelard Wagner
97 De aedibus
Heinz Wirz
48.—
108 Seiten, dt/engl/fr