Der Architekt Hans Krusche wuchs im Nachkriegsdeutschland auf und lebt heute in Rheinfelden (Baden). Sein ambitioniertes und erfolgreiches Leben als Architekt verdankt er einer Vision, die er in seinen Knabenjahren entwickelte. Während der Nachkriegszeit beobachtet Krusche die Veränderungen des Bochumer Stadtbildes. Schrott, Trümmer und Ruinen bilden das Panorama der Ortschaft im Ruhrgebiet. Doch bald schiessen neue, belanglose und periphere Wohngebiete aus den Überbleibseln des Zweiten Weltkriegs. Das Credo des damaligen Bauens lautet: «schnell und günstig». Diese monotone und triviale Baukunst entspricht nicht den Vorstellungen des Jungen und er beschliesst, später das Bild seiner Heimatstadt zu verändern. «Diese Erlebnisse prägten meine Empfindungen zu den Gebäuden in meinem Umfeld, die ich verbessern wollte», erzählt Hans Krusche.
Von der Nachkriegskindheit zur Leitung des Stadtbauamts Rheinfelden (Baden)
Inspiriert von seiner Vision begibt sich Hans Krusche auf einen langen Bildungs- und Berufsweg. Auf die Ausbildung als Isolier-Klempner folgt ein Praktikum als Maurer und Betonbauer. Nachdem Krusche seine allgemeine Hochschulreife erlangt hat, studiert er Ingenieurwesen, Architektur sowie Stadt- und Landschaftsplanung. Seine Laufbahn als Architekt beginnt. Bald ist er Leiter des Stadtbauamts in Nordhorn – einer kleinen Stadt an der Grenze zu den Niederlanden. Seine hartnäckige Wissbegierde bringt ihn dazu, sich immer weiter fortzubilden. Schliesslich tritt er eine Stelle als Leiter des Stadtbauamtes in Rheinfelden (Baden) an. Er beeindruckt durch sein gesammeltes Wissen. Die vielen Passagen in seinem Leben modellieren seinen Charakter: Hans Krusche charakterisiert sich heute als kreativ, geistreich und innovativ. Diesen markanten Eigenschaften verleihen seine Arbeiten Ausdruck.
«Ein Thema, das mich besonders beschäftigte, war die Frage nach dem Umgang mit meinen Mitarbeitern.»
Im Team geht’s voran
Die Dogmen von Hans Krusches erfolgreicher Karrierelaufbahn lauten: Selbstdisziplin und Zielorientierung. Und ein kooperativer Führungsstil: «Ein Thema, das mich besonders beschäftigte, war die Frage nach dem Umgang mit meinen Mitarbeitern.» Besonders die Tätigkeit als Stadtbaumeister macht Krusche deutlich, dass nicht ein rabiater, autoritärer Führungsstil die Zusammenarbeit fördert, sondern das Gegenteil: Unter seiner souveränen und toleranten Leitung gewinnen Krusche und seine Mitarbeitenden zahlreiche Wettbewerbe. «Dabei hatte ich weniger mit gestalterischer Architektur zu tun als vielmehr mit verbaler, kreativer Überzeugung sowie den Auswirkungen der Politik.»
Architektur ist ein politisches Metier
Hans Krusche ist nicht nur Architekt, sondern auch engagierter Bürger. Anders als viele seiner Altersgenossen ist Krusche ein eigenständiger, kritischer Denker. Er beobachtet, dass das Berufsbild der Architektur sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert hat. Architektinnen und Architekten, die nicht zeitgemäss agieren, laufen Gefahr, in naher Zukunft in berufliche und private Konflikte zu geraten. Krusche appelliert an angehende Architekturschaffende, sich affektiv an den anstrengenden Beruf heranzutasten, der ohne Ehrgeiz und eine grosse Belastbarkeit kaum zu bewerkstelligen sei. Er rät ebenfalls, Finanz- und Zeitpläne einzuhalten. Die Gesellschaft sei von der Wirtschaft und vom Kapitalismus geprägt. Aus diesem Grund sei es für Architektinnen und Architekten unabdingbar, sich politisch zu interessieren.
Architektur und Kunst sind eng miteinander verbunden
Darüber hinaus kritisiert Krusche, dass die heutigen Architektinnen und Architekten keine direkte Beziehung zur Kunst pflegten, ja diese Verbindung bei manchen komplett fehle. Im Vordergrund stehe, dass der Zweck im vorgegebenen Zeit- und Finanzrahmen realisiert werde. Noch heute ist der pensionierte Architekt ein begabter, ja geradezu enthusiastischer Zeichner, der sich an einigen Kunstausstellungen in Nordhorn und Rheinfelden (Baden) beteiligte. Er stellte beispielsweise Bilder von Gebäuden in der Toskana und der Provence in den Volkshochschulen (VHS) aus; damit gelingt es ihm, auch im Ruhestand seine Passion als Künstler auszuleben. «Wir müssen uns als Architekten wieder dem Kunst- und Kulturbereich zuordnen und entsprechend in der Öffentlichkeit darstellen […], nicht nur als ‹Häuschenbauer›.»
«Auf der Grundlage meiner gesammelten Erfahrung würde ich einiges anders denken und machen.»
Hans Krusche resümiert: Positive Architektur könne das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner steigern, da sie auf die Gestaltung und die Grundbedürfnisse der Menschen Rücksicht nehme. Vor diesem Hintergrund suche die Architektin, der Architekt ein optimales Mass an Gestaltung. Dieses klärt, wie ein Gebäude in die vorhandene Bebauung einfügt wird, wie es das Vorhandene ergänzt und verschönert und wie es trotzdem einen einmaligen Charakter erlangt. Auf die Frage, ob er den Beruf erneut wählen würde, antwortet Hans Krusche nachdenklich: «Ja, auf jeden Fall. Aber auf der Grundlage meiner gesammelten Erfahrung würde ich einiges anders denken und machen.»
Text: Murat Sagir und Yunus Bogazliyanlioglu
Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern