Umbau des historischen Silogebäudes im Erlenmatt Ost | Harry Gugger Architekten
Mit dem Quartier um den Erlenmattpark kann man, am ehemaligen Ort der Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG, einen wesentlichen Teil Basler Stadtentwicklung begutachten. In den letzten Jahren hat das Erlenmatt Ost im Bereich genossenschaftlicher Wohnkonzepte und einer damit einhergehenden Architektursprache von sich Reden gemacht. Im 2004 verabschiedeten Bebauungsplan wurde eine nachhaltige Quartierentwicklung für verschiedenste Nutzergruppen angestrebt. Besonders genossenschaftliche Wohnkonzepte wie die „Stadterle“ von Buchner Bründler Architekten oder das „Wohnregal“ von Abraha Achermann für die Stiftung Abendrot erhielten Zuspruch und Anerkennung in einem sonst eher durch Investoren geprägten Entwicklungsklima. Den vorläufigen Abschluss der Entwicklung bildet das von Harry Gugger Studio umgebaute historische Silo, direkt angrenzend an die Nordtangente. Kein einfaches Grundstück und dennoch vielleicht die charmanteste Aufgabe des Areals.
Harry Gugger persönlich führte uns im Zuge des vergangenen Open House durch das 2020 fertiggestellte, ehemalige Silo der Basler Lagerhausgesellschaft für Getreide und Kakaobohnen, womit Basel um eine Vorzeige-Jugendherberge reicher geworden ist. Das 1912 von Rudolf Sandreuter erbaute Lagerhaus ist zu einem lebhaften Begegnungs- und Arbeitsort geworden, welches mit seinem vielfältigen Nutzungskonzept den gemeinschaftlichen Hof zwischen den Wohngebäuden vervollständigt. Als öffentlicher und sozial-kultureller Baustein wird es zum Dreh- und Angelpunkt und stiftet darüberhinaus, dem bisher vordergründig als Wohngebiet wahrgenommenen Teil des Areals, grossen Mehrwert.
Als das erste Eisenbeton-Getreidesilo der Schweiz erzählt es eine Geschichte Basels als fortschrittliche Handelsstadt. Seine Lage an der damals wie heute wichtigen Handelsroute entlang des Rheins von Rotterdam über Basel bis nach Genua vermittelt nicht nur seine Bedeutung als Versorgungsgebäude, sondern auch als repräsentatives Werbemittel der Lagerhausgesellschaft. Nicht ohne Grund entschied man sich für die Errichtung eines modernen aus armiertem Beton gefertigten Gebäudes aus der Hand eines angesehenen Architekten. Um 1900 galt Basel als die grösste Fabrikstadt der Schweiz, über welche ein Grossteil der Versorgung mit Alltagsgütern geleistet wurde.
Ein gutes Jahrhundert später stehen wir erneut vor einem grossen gesellschaftlichen Wandel. Unsere Primärbedürfnisse sind in der westlichen Welt im Übermass gedeckt, Automation und Digitalisierung schreiten weiter voran und es stellt sich die Frage, was für eine Gesellschaft wir in Zukunft gestalten möchten, um den Anforderungen des Klimawandels und einer sich stark wandelnden Arbeitswelt gerecht zu werden. Kommt nach dem Zeitalter der Erwerbsarbeit nun endlich das Zeitalter der Natur und Kultur?
Unserer Generation an Architekten muss sich bewusst sein, dass ein gesunder und kreativer Umgang mit der vorgefundenen Bausubstanz unumgänglich ist. Es ist über die Anliegen von Politik und Denkmalschutz hinaus, an der Eigenverantwortung des Architekten zu hinterfragen, ob jeder Ersatzneubau wirklich notwenig ist oder ob mit kreativen Lösungen vielleicht doch der ein oder andere Abriss vermieden werden kann. Sicher spielt dabei Energieeffizienz eine grosse Rolle, aber eben nicht um jeden Preis.
Wie man beim Silo als Beispiel des Bauens im Bestand sehen kann, ist manches Mal bereits eine intelligente Verteilung der Nutzungsansprüche ein grosser Teil der Antwort. Ohne Angst und mit feinem Gespür verwandelte Harry Gugger Studio das Industriegebäude in einen vielfältigen Alleskönner. Vom den Aussenraum bespielenden Restaurant über Büro- und Atelierräume bis hin zur schicken Herberge dürfen sich hier Alle wohlfühlen. Unsere Welt muss bunter werden, warum sollten wir also nicht die bestehende Bausubstanz, die wir vorfinden, dankend annehmen und sie für Neues wieder nutzbar machen?
Das ursprünglich freistehende Silogebäude, welches neu in eine Zeilenbebauung entlang der lärmbelasteten Autobahn integriert wurde, beantwortet die hohen Nachhaltigkeitsziele mit einer cleveren inneren Raumorganisation und subtilen Eingriffen. Das Wesen des Hauses, das vor allem durch seine prägnante Struktur und charakteristischen Silokammern zum Tragen kommt, geht dabei nicht verloren. Ganz im Gegenteil wird das Gebäude auf zwei neu eingezogenen Geschossdecken inszeniert und dank seiner neuen Nutzung erlebbar gemacht. Die Erschliessungskerne übernehmen die Statik des Gebäudes und sind kunstvoll entworfen, um die unterschiedlichen Geschosshöhen zu überwinden komprimiert und öffnet sich der Treppenraum bei immer gleichbleibendem Stufenmass. Die alten Erschliessungsgänge sind der einzige Abriss. Der Stahlbetonbau wurde mit Klinker verkleidet, um die energietechnische Bewertung eines Neubaus zu erfüllen. Jede Intervention sollte sichtbar gemacht werden.
Harry Gugger erklärt uns, dass der Originalbeton, 1920 als das Material noch eine höhere Wertschätzung als die Arbeitsleistung erfuhr, wie ein Holzbau aufgebaut wurde. Die ursprüngliche Tektonik, bestehend aus betonierten Stützen und Balken, wurde lediglich gesäubert, um auch diese Information für die Nachwelt zu bewahren. Der hermetische Ausdruck des Gebäudes wurde weitestgehend beibehalten. Lediglich die runden Fensteröffnungen sorgen für Belüftung und Tageslicht ohne den Ausdruck der Fassade zu tangieren.
Mit seinen blauen Augenliedern blinzelt uns das Silo zu und zeigt uns, dass es doch geht, dieses Bauen im Bestand!
Text: Miriam Stierle / Architektur Basel
https://www.silobasel.com/de/das-silo/