Sarah Barth ist vielseitig engagiert. Sei es als Gründerin des Ateliers für Architektologie, als Mitglied des Kollektivs Countdown 2030, das sich für Nachhaltigkeit in der Architektur einsetzt oder als Mitglied des kantonalen Denkmalrats. In unserem heutigen Artikel begibt sie sich zusammen mit Lukas Schmutz auf einen besonderen Spaziergang: Von der Bärenfelserstrasse bis übers Klybeck aufs Lysbüchel. Der lesenswerte Text erschien in der Publikation «Basel, unterwegs. 26 Spaziergänge». Wir wollen ihn euch nicht vorenthalten.
Sarah Barth stellt ihr Velo neben den roten Sonnenschirm in der Bärenfelserstrasse. Normalerweise beschattet er die Tische am Rand der Spiel- und Wohnstrasse. An diesem Morgen hat die Sonne den Nieselregen aber noch nicht vertrieben und so beschirmt er Barths Blick auf ‹s’Bäizli› gegenüber. Ein Tisch mit allerlei Spielzeug darunter steht vor einem hohen Fenster, das Einblick gibt in eine offenbar sehr kreative Welt. Um dieses Zentrum der ersten Basler Wohnstrasse herum, wo regelmässig ein Mittagstisch angeboten wird, wuchs Barth auf: «Das war unser Garten, unsere Strasse, unser Alltag.» Am Eingang der Strasse sei eine Warntafel gestanden mit einer Kuh darauf. Spielstrassenschilder gab es da noch nicht, denn die Bärenfelserstrasse war die erste solche. «In positiver Erinnerung habe ich, dass es nicht nur viele Kinder gab, sondern auch viele ältere Leute. Es war fast ein bisschen Grossfamilie.» Und so habe diese städtische Umgebung eine feine, frühe Spur in die Richtung gelegt, die nun für sie als Architektin ihr grosses Thema und Anliegen ist: die Nachhaltigkeit.
«Die Auswirkungen des Bausektors auf das Klima sind gross», sagt Barth. «Viele Leute − auch in der Branche − wissen das viel zu wenig. Aber Bau, Betrieb und Abbruch von Gebäuden sind für 40 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich. Das ist enorm.» Deshalb hat sie sich mit anderen Architekt:innen zur Gruppe ‹Countdown 2030› zusammengeschlossen. «Wir wollen die Auswirkungen unserer Arbeit aufs Klima bewusst machen. Und auch, und vor allem, dass es dringlich ist.» Als Symbol dafür hat die Gruppe eine Uhr im Eingang des Schweizerischen Architekturmuseums am Steinenberg aufgehängt, die die verbleibende Zeit bis 2030 anzeigt. «Gemäss Wissenschaftlern werden dann − wenn nichts unternommen wird − verschiedene Kipppunkte erreicht und die Schäden dadurch irreversibel.» Sie erklärt das mit einer gelassenen Entschiedenheit und fügt bei: «Wo grosse Schäden verursacht werden, da sind auch grosse Hebel, um etwas dagegen zu tun.» Das ist das Countdown-Programm: Ansetzen an den grossen Hebeln. Jetzt.
Es hat aufgehört zu tröpfeln, die Sonne zeigt sich. Barth steigt auf das Fahrrad, um an ein paar Orten zu zeigen, wo hier in Basel die Möglichkeiten zum Ansetzen sind. Via Klybeckstrasse geht es zunächst in den gleichnamigen Stadtteil. Beim ehemaligen Kiosk an der Tramhaltestelle Ciba erfolgt der erste Stopp. Barth zeigt diagonal über die Kreuzung auf den mächtigen Industriebau, der den Ort dominiert. «Das grosse Gebäude mit diesem Exoskelett heisst K90 und es ist», fügt sie lachend hinzu, «eines meiner Lieblingsgebäude». In den 50er-Jahren erbaut, wurden im K90 jahrzehntelang Farbstoffe produziert. K steht für Klybeck, 90 ist die Nummer, die das Gebäude im weitläufigen Ciba-Areal erhielt. Und nun soll K90 neu für Nachhaltigkeit stehen, meint Barth. «Bestehende Gebäude nicht abzureissen, sondern neuen Nutzungen zuzuführen, das ist einer der ganz grossen Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Architektur. Weil, einfach gesagt, ganz viel graue Energie in den Bau gesteckt wurde.» Und dann ein Vergleich: Das Erhalten von Strukturen sei ein viel grösserer Hebel als etwa die Begrünung von Aussenräumen, umgekehrt also, als man landläufig meist annehme.
Die Sache mit den Hebeln haben die Countdown-Leute zusammen mit Wissenschaftler:innen analysiert und die Erkenntnis, was nun die grossen und was die kleineren Brocken in der Nachhaltigkeitsbilanz sind, grafisch auf einer Postkarte dargestellt. Barth zieht eine dieser Karten aus ihrer Tasche. «Das ist eine simple, direkte Hilfe für uns selbst und unsere Kolleginnen und Kollegen. Auch ein Reminder.» Pragmatisch in die Entwurfsprozesse der Architekt:innen eindringen mit dem Nachhaltigkeitsgedanken, das ist die Methode zum Programm des Countdowns. «Verwende Strukturen weiter», steht auf der Karte für die Städte im grössten Rechteck; «Begrüne die Aussenräume» klein unten rechts.
Zurück zum K90. Im Fall dieses alten Brockens sei die Ambition, eine neue Nutzung für ihn zu finden, absolut realistisch, sagt Barth. «Es ist unbestritten, dass das K90 ein herausragender Zeuge der Industriegeschichte ist.» Zudem solle die Kreuzung zum Dreh- und Angelpunkt des neuen Klybeckquartiers werden. K90 sei der einzige Bau, der die Kraft habe, dem neuen Hauptplatz dieses Stadtteils eine Identität zu geben. Was Identität in diesem Zusammenhang heisst, umschreibt die Architektin so: «Was hier entsteht, darf nicht nach Retortenstadt aussehen, die in ein paar Jahren hochgezogen wurde, sondern muss den Bezug zur Geschichte klar zeigen.» Und nein, eine neue Nutzung für diesen Bau zu finden, sei keine Hexerei: In Muttenz etwa sei für die Fachhochschule ein neues Riesengebäude erstellt worden. «Das ist auch gross und tief und hoch. Darum könnte ich mir hier etwa ein Schul- oder Lehrgebäude sehr gut vorstellen.» Auch Wohnen sei grundsätzlich möglich. «Das sind hohe Räume, die würden sicher eine experimentelle Wohnform bedingen. Aber warum nicht?»
Sarah Barth hat am Lehrstuhl von Vittorio M. Lampugnani in Zürich unterrichtet und auch im Laboratoire Bâle der ETH in Lausanne von Harry Gugger mitgeforscht. Sie ist überzeugt: «Bei der jungen Architektengeneration ist Umbauen ein ganz grosses Thema, und das Entwerfen auf der grünen Wiese wird eher als langweilig empfunden.» Das sehe sie auch bei Gastkritikern an Hochschulen. Der Umgang mit dem Bestand hier im Klybeck sei auch schon mehrmals ein Thema gewesen. Im Rahmen eines Kurses an der Fachhochschule kam unter vielen anderen Ideen beispielsweise ein Tanzhaus als neue K90-Nutzung heraus. Da gebe es also einen neuen Trend und in der aktuellen Basler Architektur übrigens auch schon inspirierende Beispiele: «Das Felix Platter-Spital wird zu einem Wohnungsbau transformiert: Wer hätte das bis vor Kurzem gedacht?» Und als Fazit zum Transformationsareal hier: «Das Klybeck ist eine wirklich grosse Chance für Basel. Nun ist es wichtig, dass man möglichst alles, was man erhalten kann, auch wirklich erhält, dass man erneuert, ergänzt, umbaut und saniert. Wir können das, und ich glaube, wir müssen es. Ergänzend zu den bestehenden Gebäuden werden gute Neubauten ein spannendes Quartier schaffen.» Und noch etwas: Aktuell werde viel davon geredet, dass Gebäude nicht «erhaltensfähig» seien. «Aufpassen», sagt Barth dazu, das sei in der Regel ein Wort von Investoren, die lieber Tabula rasa machen wollten. Beim Erhalten sei extrem viel möglich. Und «toll, dass der bedeutendste Architekturpreis, der Pritzker-Preis, in diesem Jahr mit Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal an zwei Architekt:innen ging, die auf dieser Basis arbeiten» − eine Ermutigung für die Leute vom Countdown. Ihre Basler Zeitrechnung läuft also synchron zu fortschrittlichen Trends der Branche weltweit.
Vor der Weiterfahrt in Richtung Erlenmatt durch die Allee der Mauerstrasse erklärt Sarah Barth: «Diese Allee ist die Verlängerung der Langen Erlen. Von dort zieht die frische Luft ins Klybeck.» Und nun entstehe hier um diesen neuen Klybeckplatz eine wohl noch grössere bauliche Dichte. Da sei es enorm wichtig, dass diese Luftschneise bis zum Rhein verlängert und möglichst auch anderweitig verbessert werde: denn die Sommer im neuen Stadtquartier würden mit Sicherheit heiss. Ein kurzer Blick auf die Hebel-Karte: «Kühle Stadträume» – mittelgrosses Rechteck.
Die Fahrradtour führt uns an diesem kühlen Morgen unter den Nordtangenten-Monumenten hindurch ins Erlenmattquartier. Da, unter den Bäumen des grossen Parks, sagt Barth, es sei kein Zufall, dass sich in der Countdown-Gruppe vor allem junge Architekt:innen zusammengeschlossen hätten. «Ich glaube, die Dringlichkeit des Klimawandels wird bei uns Jungen stärker wahrgenommen. Wir haben den Eindruck, dass es an uns ist, das nun zu pushen.» Bei ihr persönlich lief das so: «Nachhaltigkeit war für mich schon lange ein Thema. Reisen, Ernährung, Kleiderwahl und so, doch im Beruflichen war ich dann doch plötzlich überfordert und fragte mich, was heisst Nachhaltigkeit nun hier genau?» Auch die ‹Fridays for future›-Bewegung habe wichtige Anstösse gegeben: «Die sind ja noch so etwa eine halbe Generation jünger und sie haben Älteren, auch mir, auf die Finger geklopft und gesagt: ‹Hey, macht mal!›» Und einige von ihnen hätten dann während der Countdown-Sitzungen die Kinder der Jüngeren gehütet. «Die sind tough und hilfsbereit, ist doch grossartig.»
Wir wenden uns der direkten Umgebung zu: «Vor einigen Jahren war die Erlenmatt in etwa das, was heute das Klybeck ist. Es war ein Industrieareal. Zwischennutzungen wurden ermöglicht.» Dann sei Schritt für Schritt ein Wohngebiet entstanden, und vom Bestand sei einzig die alte Bahnkantine erhalten geblieben. «Das ist in meinen Augen sehr schade. Heute würde man da sicher einen anderen Ansatz wählen und kaum mehr so planen, dass der Bestand Stück für Stück ersetzt wird und am Schluss alles weg ist.»
Und dennoch gibt es hier eine grosse, aktuelle Nachhaltigkeits-Inspiration für sie. Auf dem kurzen Weg ins Erlenmatt Ost bekommt zunächst die Stiftung Habitat ein grosses Lob von Sarah Barth. Sie habe diesen Teil des Areals gekauft und mit verschiedenen Trägerschaften entwickelt und bebaut. «Das hat extrem tolle Möglichkeiten geschaffen, um mit neuen Wohnformen und nachhaltigem Bauen auch zu experimentieren.» Ein Beispiel: der Architekt Heinrich Degelo hat mit der Künstlergenossenschaft Coopérative d’Ateliers Atelierwohnungen erstellt. Die vier hohen Stockwerke, die durchgehenden Balkone mit als Sonnenschutz und die Fassade ohne jeden Schnickschnack erscheinen wie die äusseren Zeichen der inneren Werte des Gebäudes, die Barth wie folgt erläutert: Das Haus und die Wohnateliers sind bewusst minimalistisch konzipiert und ausgebaut worden. In Absprache mit den Künstler:innen der Genossenschaft wurde der Innenausbau vollständig im Rohbau belassen. «Selbst die sanitären Anlagen für Küche, Toilette und Bad wurden en bloc einfach in den Raum gestellt, und jeder Mieter machte individuell den seiner Nutzung entsprechenden Ausbau. Richtig kühn.» Und am kühnsten vielleicht: keine Heizung, keine Kühlung; dicke Mauern, hohe Räume, den Rest besorgt das Leben darin. «Extrem günstig ist auch die Monatsmiete: 10 Franken pro Quadratmeter.» Ein Rechenbeispiel folgt: 80 Quadratmeter, 800 Franken. «Vor allem aber beeindruckt mich das Experimentelle an diesem Haus. Degelo hat mit diesem Bau bewusst Konventionen hinterfragt und Normen Normen sein lassen. Das ist extrem wertvoll.»
Countdown 2030 wurde von der grossrätlichen Spezialkommission Klima zum Gespräch über Nachhaltigkeit und Klimaschutz eingeladen. «Da haben wir vorgeschlagen, einen ‘‘Experimentiertikel» zu prüfen, der Ansätze wie diesen von Degelo unterstützt.» Das heisst, neu anschauen, was im Dickicht der Normen und Erwartungen wirklich nötig sei. Viele Leute seien total industriegetrieben. Da gäbe es auch im Bereich der Neubauten sehr viel Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. Und noch eine Lehre: Nachhaltige Bauweisen müssen der Bauherrschaft vermittelt werden. Das brauche Überzeugungsarbeit, also Psychologie. So etwas als Hebel ist schwerlich als präzises Rechteck auf einer Karte darzustellen. Doch gefühlt, sagt Barth, sei dieser Hebel sehr gross, und notfalls gelte es halt, auf einen Auftrag zu verzichten, wenn Nachhaltigkeitsideen beim Bauherrn ohne Nachhall blieben. Nachhaltigkeit sei auch eine Haltung.
Klybeck ist im Umbau der Basler Transformationsareale die Zukunft, Erlenmatt die Vergangenheit. Und nun winkt die Gegenwart − das Lysbüchel. Über die Dreirosenbrücke und den Lothringerplatz geht es in die Lothringerstrasse respektive dahin, wo diese direkt auf die Rampe eines mächtigen, alten Parkhauses führt, das fast wie eine Talsperre in der Strasse steht. «Dieses Parkhaus scheint vielleicht nicht der naheliegendste Ort zu sein, um über Nachhaltigkeit zu reden. Ich wollte es dennoch zeigen. Es wird abgerissen. Weil es am falschen Ort steht und die Nutzung nicht mehr gegeben ist. Dennoch: Man könnte selbst dieses Gebäude umbauen. Teile rausnehmen, um zusätzliches Licht reinzuholen und so weiter.» Sie sage das nicht, um die Planung zu kritisieren, sondern um auf die Möglichkeit des Umbaus an Orten hinzuweisen, wo scheinbar wirklich alles dagegenspreche.
Die langen Rampen und hallenden Geschosse führen uns aufwärts ins oberste Stockwerk mit Aussicht: «Wenn man das sieht, diese Armada von Kränen und von Bauequipen, die hier auf dem Lysbüchel schon seit Monaten am Werk sind, und dahinter die Grossbaustelle bei Novartis wahrnimmt und in der Distanz jene von Roche: Da bekommt man fast physisch einen klaren Eindruck davon, dass hier einfach extrem viel Energie verbaut wird.» Sie schaut eine Weile zu, wie einem Film, der nüchtern zeigt, was in der Baubranche abgeht: Von hier erscheint das Stadtbild wie ein grosser Bauplatz. Im Lysbüchel. Und weit über das Lysbüchel hinaus.
Ein Klimaforscher, der Countdown 2030 massgeblich beeinflusst habe, sei Hans Joachim Schellnhuber, sagt Barth. Sein ganz grosser Hebel ist dieser: Er fordert, Zement müsse bis 2030 als Baustoff komplett ersetzt werden. «Ja, Zement ist extrem wichtig», sagt Sarah Barth, umgeben von den alten Betonmassen des Parkhauses: «Sowohl die Erhitzung bei der Herstellung als auch die Freisetzung von CO2 beim chemischen Prozess der Umwandlung von Kalkstein zu Zement sind sehr problematisch.» Sie glaube aber, dass Verbote und Forderungen wie etwa auch ein Baumoratorium der falsche Weg im Kampf dagegen seien. «Meiner Meinung nach sollte Zement nur noch da eingesetzt werden, wo er wirklich notwendig ist. Das heisst, dass Alternativen tatsächlich auch geprüft werden: Holz, Lehm, auch Metall, das gut wiederverwertbar ist. Wesentlich für uns Architekt:innen ist, die Materialität und die Nachhaltigkeit nicht den Fachplanern zu überlassen, sondern sie beim Entwurf von der ersten Skizze an im Auge zu haben. Das ist unser Ansatz.»
Das Lysbüchel zeigt für Barth auch, dass sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit durchaus schon verbessert habe. Als Beispiel nennt sie die Primarschule, die auf der Basis eines Coop-Lagerhauses umgebaut und um zwei Stockwerke aufgestockt worden ist, mit einem Pausenplatz auf dem Dach. «Und der Bauplatz nebenan ist ein ehemaliges Weinlager, das auf der Basis des bestehenden Betonrohbaus in ein Wohnhaus mit sechzig Wohnungen umgebaut wird.» Die Stiftung Habitat sei auch hier ein bedeutender Treiber der Entwicklung zu nachhaltigem Bauen und günstigem Wohnraum. Vor allem eines ist Barth wichtig: «Hier wurde gegenüber der Erlenmatt eine grössere Dichte gewählt. Grössere Dichte ist im Ensemble der Massnahmen der zweite ganz grosse Hebel im Städtebau. Konkret heisst das: Zersiedelung verhindern. Das betrifft nicht nur die Agglomerationen, sondern auch die Stadt. Wie hier.»
Wo steht Countdown 2030 aktuell? Sarah Barths Zwischenbilanz: «Wir sind der Überzeugung, dass es schon viel Wissen über Nachhaltigkeit gibt. Wir wollen es erweitern, weitergeben und Architektinnen und Architekten ermuntern, es wirklich anzuwenden.» Die Uhr aus dem Architekturmuseum hat sich inzwischen auf eine Schweizerreise begeben. Sie begleitet Aktivitäten von Countdown 2030 in andere Städte. Sicher sei, dass die Gruppe sich auflösen werde, wenn die Uhr bei Null angelangt sei. Das Ziel bis dann: «Dass die Emissionen der Bauwirtschaft wie die Uhr auch bei Null angekommen sein werden: bei Netto Null nämlich. Das heisst, dass so viel Emissionen gebunden wie ausgestossen werden. Das ist ambitiös, aber wir wollen alles dafür tun, dass wir bis dahin überflüssig sind.»
Ein letzter Blick vom Parkhaus ins Lysbüchel, ein persönlicher, zum Neubau direkt gegenüber, wo Wohnungen entstehen. Wenn sie fertig sind, zieht Sarah Barth in eine dieser Wohnungen. Die Genossenschaft Cohabitat lässt sie vom Büro ‹kollektive architekt› bauen. Barth erklärt, warum sie hier Genossenschafterin geworden ist: «Die Wohnfläche kann dem eigenen Bedarf angepasst werden. Nach einem klassischen Konzept: unten Wohnungen, oben Mansarden, die man zusätzlich mieten kann. Und im Parterre gibt es Gemeinschaftsräume zur Mitbenutzung.» Das habe sie und ihren Partner überzeugt. Beide sind selbstständig, ein kleines Kind ist da. Das passe für ihre Bedürfnisse, auch die Umgebung − wenn der Baulärm sich mal verzogen habe und anstelle des Parkhauses der neue Lysbüchelplatz entstanden sei. Mit verschiedenen Wohnnutzungen, diverse Altersgruppen inklusive, dazu Kultur. «Wir wollten unbedingt in der Stadt bleiben. Schule und ein reichhaltiges Quartierleben. Nun bin ich gespannt, erstmals in einem Neubau zu leben.» Trotz Neubau: Klingt das nicht ziemlich nach Bärenfelserstrasse? «Ja, durchaus, dort habe ich erlebt, wie positiv es ist, als Kind in der Stadt zu leben. Das ist mir als Vorbild irgendwie geblieben.» Dann geht es vom Parkhaus wieder hinunter in die Lothringerstrasse, auf das Velo, Richtung nachhaltigere Stadt, während die Uhr des Countdowns rückwärtsläuft. So geht Sarah Barth mit der Zeit.
Text und Fotos: Lukas Schmutz
Basel aus überraschenden Perspektiven – 26 Spaziergänge durch die Stadt
Seit Jahrzehnten gilt Basel städtebaulich und kulturell als ein Ort des beständigen Wandels. Der Journalist und Historiker Lukas Schmutz hat diese konstante Veränderung zum Anlass genommen, um mit verschiedensten Basler Persönlichkeiten durch seine Heimatstadt zu gehen und Gespräche mit ihnen zu führen. Daraus ist der originelle Stadtführer «Basel, unterwegs» (Christoph Merian Verlag) entstanden, der 26 Spaziergänge mit persönlichen Einblicken in das frühere sowie das heutige Basel zu einem zeitgeschichtlichen Kaleidoskop bündelt.