Architekt:innen, Bauingenieur:innen und Planende sind im Grossen Rat schlecht vertreten. Das soll sich ändern. Wir haben allen Kandidierenden mit beruflichem Hintergrund in der Planung einen kurzen Fragebogen zugesandt. Als zweiten Kandidaten stellen wir euch Architekt Nicolas Rüst vor. Er kandidiert für Die Mitte in Grossbasel West. Er sieht die Legislative besonders in der Pflicht: «Es gilt genauer einzuschätzen, welche Effekte die Gesetzesentwürfe erzielen, bevor diese verabschiedet werden. Es ist jedoch klar, dass diese Überprüfungen Teil politischer Prozesse sind und deren Wirksamkeit relativiert werden muss.» Seine langjährige Berufserfahrung möchte er in den Grossen Rat einbringen. Für die Basler Baukultur!
Architektur Basel: Welche Kompetenzen wollen Sie in den Grossen Rat einbringen?
Nicolas Rüst: «Als Architekt mit über 20 Jahren Berufserfahrung, davon ein Grossteil in der Region Basel, bin ich mit baulichen Prozessen vertraut. Bauen ist eine kollektive Handlung, bei welcher es das Zusammenspiel Vieler benötigt. Dies ist eine grosse Herausforderung, gerade auch, wenn zum Beispiel der Kanton als Bauherr auftritt. Hier gilt es, eine geeignete Organisation auf die Beine zu stellen. Wichtige Themen, die der Grosse Rat zu bewältigen hat, sind meines Erachtens die innere Verdichtung und die Mobilität mit allen ihren Facetten. Deshalb Liste 7 einlegen!»
«Nicht umsonst gilt Basel als ein Architektur-Mekka. Es ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen weiterhin so sind, dass dies so bleibt.»
Was zeichnet die Basler Baukultur Ihrer Meinung nach besonders aus?
«Die Basler Baukultur ist von herausragender Güte. Die Leistungsdichte, die die verschiedenen Akteure erbringen, ist enorm. Nicht umsonst gilt Basel als ein Architektur-Mekka. Es ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen weiterhin so sind, dass dies so bleibt. Dies erfordert eine permanente kollektive Anstrengung.»
Inwiefern können die Rahmenbedingungen für Architektur- und Planungsbüros verbessert werden?
«Das Verständnis für die Komplexität von baulichen Aufgaben ist zu fördern. Es braucht dieses, um wichtige Projekte angehen und umsetzen zu können. Dies funktioniert über Kommunikation und längerfristig – Bildung. Dadurch werden die Bedingungen für die Planenden verbessert, welche an anderer Stelle ansetzen können und weniger Aufklärungsarbeit zu verrichten haben.»
Stichwort: Wohnschutz. Braucht es da Anpassungen im Gesetz oder der Verordnung? Und wenn ja: Welche?
«Die Gesetze zielen auf ein löbliches Ziel, nämlich günstigen Wohnraum für Viele, ab. In der Umsetzung ist dies jedoch so, dass dies zu einem engen Korsett geführt hat, welches Eigentümerinnen und Eigentümer davon abschreckt, weiter in Renovationen, Umbauten, Sanierungen und Neubauten zu investieren. Die Unsicherheit und die Risiken im Planungsprozess werden weiter vergrössert. Bisher scheint der Effekt eher negativ gewesen zu sein. Es sind sicherlich sinnvolle Lockerungen, insbesondere für ‘anständige’ Vermieter, welche sicherlich in der Überzahl sind, anzustreben. Auch gilt zu beachten, dass Bevölkerungsschichten existieren, die in der Lage sind, für eine hochwertige Wohnsituation tiefer in die Tasche zu greifen. Schlussendlich vertrete ich die Meinung, dass wir das Angebot zahlenmässig erhöhen müssen. Dies ist über Mechanismen wie Verdichtung und das Umnutzen und Weiterbauen von ehemaligen Industriearealen unter Beibehalt von identitätsstiftenden Gebäuden zu erreichen.»
«Dem Ausbau der Photovoltaik-Infrastruktur im Kanton Basel-Stadt stehe ich positiv gegenüber. Die vorgeschlagene «Solaroffensive» ist allerdings fragwürdig, da sie auf Zwang statt auf Anreize setzt.»
Die Bewilligungsverfahren in Basel dauern ziemlich lang. Die gesetzlich vorgeschriebenen 3 Monate werden kaum eingehalten. Was muss sich im Bauinspektorat ändern?
«Es gilt, sozusagen durch das Bauinspektorat hindurch zu sehen. Dahinter befinden sich viele weitere Ämter und Behörden, hinter welchen wiederum Gesetze, Verordnungen, Normen und Vorschriften stehen und die Handhabung von Baugesuchen weitgehen diktieren. Somit ist hier vor allem die Legislative in der Pflicht. Es gilt genauer einzuschätzen, welche Effekte die Gesetzesentwürfe erzielen, bevor diese verabschiedet werden. Es ist jedoch klar, dass diese Überprüfungen Teil politischer Prozesse sind und deren Wirksamkeit relativiert werden muss. Ein kurzfristiger Ansatz wäre, dem Bauinspektorat als Oberbaubehörde den Rücken zu stärken und weitgehende Entscheidungsbefugnisse zuweisen, in Form von Interessenabwägungen im Rahmen der Koordinationspflicht.»
Wie beurteilen Sie den regierungsrätlichen Vorschlag für eine Solarpflicht in Basel?
«Dem Ausbau der Photovoltaik-Infrastruktur im Kanton Basel-Stadt stehe ich positiv gegenüber. Die vorgeschlagene «Solaroffensive» ist allerdings fragwürdig, da sie auf Zwang statt auf Anreize setzt. Bei diversen Objekten wäre das Installieren einer PV-Anlage – nach heutigen Möglichkeiten – schlicht nicht zielführend. Bei denkmalgeschützten Objekten, aber auch Kleinstflächen, entstünden hoch ineffiziente, teure und womöglich ästhetisch inferiore Anlagen, die kaum zum Ziel der Reduktion des CO2-Ausstosses beitrügen.»
Frage zum Schluss: Welchen Ort oder welches Haus in Basel mögen Sie besonders und weshalb?
«Besonders mag ich die Wartehäuschen der BVB vom ‚Typ Furrer‘. Die sehr sauber konzipierten und konstruierten Kleinarchitekturen strahlen – für Wartehallen unüblich – eine Art Wohnlichkeit aus, die das Warten zu einem angenehmen Anlass werden lässt. Als Stadtmobiliar weisen diese eine entfernte Verwandtschaft mit den Metroeingängen von Hector Guimard in Paris auf, insbesondere, was die Rhythmisierung der Struktur, die Materialität und Farbgebung betrifft und schaffen in Basel unverwechselbare Orte auf dem gesamten Stadtgebiet. Als Ort mag ich einen Un-Ort: den Wiesenkreisel und dessen unmittelbare Umgebung. Einerseits ist die Skulptur der Beweis dafür, dass Kreiselkunst durchaus denkbar ist. Der Entwurf, der auf 18 rohrförmigen Stützen schwebende 2,4 Meter hohe rote Ring von 20 Metern Durchmesser, schwebt leicht geneigt auf variabler Höhe zwischen Autobahnbrücken und Verkehrskreisel. Die Ringform verstärkt Funktion und Form des Kreisels, die rote Farbe verstärkt die graue Monumentalität der geschwungenen, fast futuristischen, Autobahnbrücken. Der Ort strahlt eine grosse Dynamik aus und wird weiter charakterisiert durch hochwertige Industriearchitektur in nächster Nähe und bildet zugleich Eingang zur Stadt und Tor zum weiten Europa.»
Danke für das Interview. Wir wünschen viel Erfolg bei der Wahl.
Nicolas Rüst
kandidiert auf der Liste 7 für «Die Mitte Basel-Stadt» in Grossbasel-West
Geboren 1977 Basel studierte er Architektur an der EPFL und Université de Montréal in Kanada. Nach dem Studium war er Wissenschaftlicher Assistent an der ETH Zürich bei Professor Dietmar Eberle. Seit 2010 ist er Mitinhaber und Co-Geschäftsführer von Rüst & Gerle Architekten in Basel. Er ist zudem Baukommissionsmitglied der Neuen Wohnbaugenossenschaft Basel (NWG) und VR-Mitglied der SOWAG AG für sozialen Wohnungsbau in Basel.