Wohnung zu vermieten: Urban, komfortabel, Kleinhüningen?

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Kleinhüningen, das Dorf in der Stadt. Bis auf die Ortschilder am ehemaligen Gemeindebann und die Dorfstrasse mit der Kirche deutet wenig darauf hin, dass das Quartier am Nordzipfel von Basel mal eine eigene Ortschaft war. 1908 wurde es von Basel geschluckt – verschluckt, würden einige sagen. Für diese Ecke der Stadt vermeldet eine grosse Immobilienplattform derzeit um die 170 Wohnungen auf der Suche nach neuen Mieterinnen und Mietern. Dazu kommen die 31 sanierten und neu erstellten Wohnungen an der Kleinhüningeranlage 17 und 19. Sie sollen ab Juni 2025 bezugsbereit sein. Das Projekt stammt aus der Feder von Superdraft Studio. Erstvermietet werden sie von Holinger Moll Immobilien zusammen mit Sihlestate im Auftrag der Pensionskasse der SBB. Seit kurzem ist das Angebot nun online verfügbar. Wohnung zu vermieten! «Schön, praktisch und mit dem Gewissen etwas» – so werden die Wohnungen beworben – «urban und komfortabel» obendrein. Ob das stimmt? Wir liefern den Check.

Der Essbereich mit den französischen Fenstern zur Kleinhüningeranlage, Visualisierung © imagina, Wien

Der Essbereich mit den französischen Fenstern zur Kleinhüningeranlage, Visualisierung © imagina, Wien

Das Projekt hört auf den Namen CARGO 4057 und besteht aus 23 sanierten und 8 neuen Wohnungen. Dass die beiden Gebäude aufgestockt wurden, ist vorbildlich. Da alle anderen Wohnungen ebenfalls neu ausgeschrieben sind, ist davon auszugehen, dass sie vor der Sanierung entmietet wurden. Weniger schön, aber ein anderes Thema; heute soll der Fokus auf dem ausgeschriebenen Angebot liegen: insgesamt listet der Wohnungsspiegel sechsundzwanzig 3.5-Zimmer Wohnungen und fünf 2.5-Zimmer Wohnungen. Einige Wohnungen in den oberen Geschossen sind derzeit bereits vermietet oder reserviert. Bis auf wenige Ausnahmen im Erd- und den Dachgeschossen sind die meisten Grundrisse ähnlich. Konzentrieren wir uns deshalb auf eine momentan noch freie Wohnung im 2. Obergeschoss.

Kleines Bad – dafür ein Waschturm!
Auf 70.5 m2 bietet sie 3.5 Zimmer. Dabei ist sie zweiseitig orientiert; ein Wohn-, Koch- und Essbereich zur Kleinhüningeranlage im Osten und eine Zimmerschicht zum Hof im Westen. Das Entrée ist mittig, nicht luxuriös gross, aber auch nicht unmöglich klein (so etwa wie jenes der 2.5-Zimmer Wohnung im Erdgeschoss). Für eine Garderobe dürfte es etwas eng werden, für Kleiderhaken reichts aber. Und solche sind gemäss Baubeschrieb sogar vorhanden. Immerhin! Ein kleiner Wermutstropfen: Auf den Projektplänen auf der Website von Superdraft Studio war noch eine kleine Garderobe mit drin. Seis drum…

Die 3.5-Zimmer Wohnung bietet einen ostseitigen Wohn- und Essbereich, eine westseitige Zimmerschicht mit Balkon und eine kleine Nasszelle mit Waschturm, Grundriss: Pensionskasse SBB, Bern, Entwurf: Superdraft Studio, Basel

Die 3.5-Zimmer Wohnung bietet einen ostseitigen Wohn- und Essbereich, eine westseitige Zimmerschicht mit Balkon und eine kleine Nasszelle mit Waschturm, Grundriss: Pensionskasse SBB, Bern, Entwurf: Superdraft Studio, Basel

Vis-à-vis versteckt sich das Bad; klassisch mit Badewanne und Vorhangstange, einer Toilette und einem Lavabo. Auf der Visualisierung wurde beim Bildausschnitt etwas getrickst; in Wirklichkeit ist das Bad nämlich recht wirtschaftlich organisiert. Vermutlich stammen das Layout und die Leitungsschächte aus dem Bestand. Und was funktioniert, muss ja nicht zwingend über Bord geworfen werden. Die türkisfarbenen Feinsteinzeugplatten 15×15 cm sind hingegen neu. Schlicht und zurückhaltend, aber auch nichts Spezielles. Auf der Visualisierung gibt’s hinter der Badewanne Platz für das Duschgel und die Badeente. Auf dem Plan sehen wir nichts davon. Dafür entdecken wir beim Bad einen Waschturm in einem Mini-Reduit; eher ein Wandschrank. Fürs Verstauen des Staubsaugers neben dem Waschturm reichts knapp.

Ein schlichtes Bad – mit Ablage für die Badeente, Visualisierung © imagina, Wien

Ein schlichtes Bad – mit Ablage für die Badeente, Visualisierung © imagina, Wien

Hochschrank, wir vermissen dich!
Eine Küche mit sechs Elementen, bildet die Rückwand des Wohn- und Essbereichs. Neben einem Kühlschrank mit Gefrierfach wird ein Induktionskochfeld mit Backofen und Dunstabzug geboten. Überdies ein Geschirrspüler. Abzüglich eines Abfallkübels bleiben zwei Unter-, vier Oberkästen und ein Gewürzschränkli. Das Fondue Caquelon hat über dem Kühlschrank Platz. Arbeitsplatte und Rückwand sind aus Keramik, die Fronten aus belegtem Holzwerkstoff. Keine schlechte Küche, wenn auch etwas klein. Ein Hochschrank fehlt leider komplett.

Der Wohn- und Essbereich lässt sich in zwei Zonen teilen. Die französischen Fenster mit Geländer öffnen den Essbereich zur Kleinhüningeranlage. Ein bisschen städtisches Flair ist doch schön. Der Wohnbereich ist dafür etwas privater. Was die Oberflächen anbelangt: Stäbchenparkett und Weissputz. Alles ok. Beheizt wird via Bodenheizung mit Raumthermostat.

Die neuen Westbalkone zum Hof inklusive textilen Vorhängen, Visualisierung © imagina, Wien

Die neuen Westbalkone zum Hof inklusive textilen Vorhängen, Visualisierung © imagina, Wien

Ein Balkon zum Hof!
Die beiden Zimmer zum Hof sind angenehm gross. Auf ein kleines 12 m2 grosses Büro oder Kinderzimmer folgt ein grösseres 16m2 grosses Schlafzimmer. Ein Bett lässt sich gut stellen. Die Frage nach Kleiderkästen ist dann halt trotzdem immer dieselbe: in irgendeine Ecke damit? Anders gehts halt nicht. Und das Reduit fehlt noch immer. Was dafür überhaupt nicht fehlt ist ein Balkon – und damit zum grossen Pluspunkt der Wohnung! Beide rückwärtigen Zimmer haben Zugang zu gemeinsamen 9m2 Aussenfläche. Damit sich die Balkone nicht zu nahe kommen sorgt die etwas geshapte Grundform. Die feuerverzinkten Geländer und der textile Vorhang passen. Eine Aussenbeleuchtung gibt’s nicht; eine Steckdose für die Lichterketten aus der Visualisierung ist allerdings vorhanden.

Für die 70.5 m2 verlangt die Vermieterin CHF 1’900, davon sind CHF 200 Nebenkosten. Keine günstige Sache. Der Quadratmeterpreis pro Jahr beträgt somit stolze CHF 323. Im Geschoss drüber ist sogar noch etwas mehr.

Urban und komfortabel? Die Wohnungen an der Kleinhüningeranlage Nr. 17 und 19 sind zweiseitig ausgerichtet, Karte: swisstopo, bearbeitet

Urban und komfortabel? Die Wohnungen an der Kleinhüningeranlage Nr. 17 und 19 sind zweiseitig ausgerichtet, Karte: swisstopo, bearbeitet

Unser Fazit
Insgesamt keine Wohnung von schlechten Eltern. Was hat es nun mit dem «Schön, praktisch und dem Gewissen etwas» auf sich? Die Zimmer haben eine angenehme Grösse. Am Rande möchten wir anmerken, dass hier auch 3.5-Zimmer Wohnungen angeboten werden, deren drittes Zimmer nur 8 m2 gross ist – dort das Homeoffice also besser auf dem Balkon einrichten… Schön? Schlicht! Ist aber auch gut. Stauraum wünschte man sich mehr, sowohl in der Küche als auch im Gang. Praktisch mit Abstrichen. Immerhin gibt’s dazu wohl noch einen Kellerraum. Hervorzuheben ist der eigene Waschturm. Das Bad ist nicht üppig, ebenso die Garderobe – oder eben die Kleiderhaken. Der neue Balkon zum Hof wertet die Wohnung allerdings auf. Das wird dann wohl das gewisse Etwas sein. Urban ist vor allem die Kleinhüningeranlage mit dem Einkaufsverkehr nach Weil. Dennoch: trotz Renovation – für diesen Quadratmeterpreis kriegt man auch mehr auf dem Mietwohnungsmarkt.

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Quellenangaben:
Inhaber: Pensionskasse SBB, Bern
Erstvermietung: Holinger Moll Immobilien AG, Basel
Visualisierungen: © imagina, Wien
Vermarktungswebsite CARGO 4057
Superdraft Studio Projekt

 

 

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