Architektur Basel im Gespräch mit Philipp Ryffel und Matthias Baumann von Nord Architekten. Grundsatzfragen, Prozesse und wilde Leidenschaft anhand von dem Wohnungsbau an der Burgfelderstrasse.
Architektur Basel: Welche Fragen stellt ihr euch beim Entwurf und der Ausführung von Wohnraum?
Philipp Ryffel | Matthias Baumann: „Eigene Interessen und Erfahrungen haben viel Einfluss auf unsere Entwürfe. So entstand auch die zentrale Küche an der Burgfelderstrasse, der Mittelpunkt jeder Wohnung. Auch die Offenheit der Nutzung aller Räume ist für uns ein wichtiges Thema. Die Wohnungen aus der Gründerzeit funktionieren seit eh und je und sind damit ebenfalls eine wichtige Referenz. Langlebige, zeitlose Wohnungen zu erschaffen, ist eines unserer Ziele. Der Ursprungsgedanke und die damit verbundene Euphorie bei der Entwicklung eines neuen Wohntyps ist nach der Ausführung oft nicht mehr präsent und somit womöglich weniger nachhaltig. An Themen wie Aneignung, Privatheit, Gemeinschaft, Identität, Nutzungsflexibilität, Nachbarschaft, Langlebigkeit, Robustheit messen wir einen guten Wohnungsbau. Es braucht eine intelligente Mischung zwischen Gemeinschaft und Privatheit. Den gemeinschaftlichen Aspekt haben wir an der Burgfelderstrasse mit den überhohen Waschräumen im Erdgeschoss thematisiert, wo wir einen direkten Zugang zum Garten haben. So erhält das Gebäude eine Verbindung von Strassen-, Erschliessungs- und Aussenraum.“
Wie entwickelt sich Basel aus eurer Sicht? Speziell in Bezug auf den Wohnungsbau?
„Momentan entwickeln grosse Stiftungen spannende Wohnideen – eine gute Phase. Auch die Stadt hat interessante Projekte ausgeführt, zum Beispiel an der Maiengasse, oder künftig auf dem KlybeckPlus und Wolf-Areal. Dabei entstehen Ansätze, um neue Dinge zu testen, eine Art Wohnlabor. Auf dem Erlenmatt entstehen gerade die verschiedensten Wohnformen und Experimente. welche den Dialog bereichern. Das Areal Lysbüchel hat fast noch das grössere Potenzial, wird es doch ebenso zu einem Art Stadt- und Wohnlabor werden. Durch die Parzellierung der Blockrandbebauung wird eine Antithese zur Grossform entwickelt. Das bestehende Weinlager, das umgenutzt wird, hat das Potential als Motor für das neu entstehende Quartier wirken zu können. Allgemein wurde die Wohnungsbaudebatte in den letzten Jahren politischer. Es gab diesbezüglich verschiedene Volksinitiativen. Das hat spannende Diskussionen provoziert.“
Welchen Beitrag leistet dabei euer Wohnungsbau an der Burgfelderstrasse?
„Durch die Setzung des linearen Baukörpers entlang der Strasse, wird das Plateau frei gelassen und spezifisch auf die topografische Besonderheit eingegangen. Unsere Wohnzeile nimmt durch ihre klare Setzung, ohne Rück- oder Vorderfassade, eine vermittelnde Position zwischen den umgebenden, öffentlichen Räumen ein. Die neue Grünanlage entflechtet Öffentlichkeit und Privatheit. Dabei werden mit verschiedenen Freiflächenangeboten Orte geschaffen und die Siedlungsterrasse, der Hang und die Gartenebene inszeniert und erlebbar gemacht. „Der neue Grünraum ist in Zukunft für alle Quartierbewohner erleb- und nutzbar
– vorher nahmen klein parzellierte Schrebergärten den Platz ein. Damit erhält das Wohnquartier einen zusätzlichen Mehrwert in Form eines Grünraums. Um eine Verknüpfung mit der Stadt zu schaffen, und den Nutzungsdruck auf den Garten als Gemeinschaftsfläche zu erhöhen haben wir bewusst auf eine gemeinschaftliche Dachterrasse verzichtet. Was durchaus ein Thema sein kann, wie unser Nachbar, die Siedlung an der Bungestrasse von Michael Alder, beweist. Abgesehen davon erhält die Stadt ein breites Angebot an neuen Wohnungen. Nicht zu vergessen, zahlbaren, genossenschaftlichen Wohnraum. Durch unser Interesse an nutzungsoffenen Zimmern konnten wir 2.5 Zimmer-Wohnungen entwickeln, welche auch als Wohngemeinschaft funktionieren, da sie zwei gleich grosse Zimmer plus eine grosse Wohnküche haben. Das Thema führte uns zurück zu den Bauten der Gründerzeit, welche ihrerseits dank nutzungsoffenen Zimmern an Langlebigkeit kaum zu überbieten sind.“
Was ist das Besondere an eurer Wohnüberbauung?
„Die serielle Reihung, die damit verbundenen gleichen Elemente und ein grosser grad an Vorfabrikation sollen Ersparnisse bringen um günstige Mieten zu erzielen. Wir versuchen grosse Dichte in einem Zeilenbaukörper unterzubringen. Die daraus resultierende tiefe des Baukörpers und die Ausrichtung sind dabei die entscheidenden Parameter für die entstandene Typologie. Durch die Ausdrehung der orthogonal organisierten Wohneinheiten aus dem Längsvolumen geht man auf die ungünstige Orientierung ein und schafft gut belichtete Wohnungen, gleichzeitig wird der Baukörper auf seiner enormen Länge vertikal modelliert und der angrenzende Aussenraum strukturiert. Die Wohnungen profitieren vom geschaffenen Lärmschatten auf der Gartenseite und der optimalen Belichtung. Trotz der besonderen Aufenthaltsqualität der Wohnbalkone, hoffen wir auf die Aneignung des umgebenden Grünraums durch die Bewohner. Hier vertrauen wir auf die spezielle Situation der Waschküche im Erdgeschoss. Sie wird die räumliche Verbindung zwischen den Nutzungen und allen Bewohnern schaffen.“
Wir bedanken uns bei Nord Architekten für das interessante Gespräch und sind gespannt auf das ausgeführte Projekt – viel Erfolg!
Interview: Mireille Hohlbaum / Architektur Basel