PETITION GAV ARCHITEKTUR

«Die Architektur hält mich jung!» – Dominique Salathé über sein Berufsverständnis

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Wir treffen Dominique Salathé an einem warmen Frühlingstag in seinem Büro. Er ist Inhaber des Büros Salathé Architekten Basel AG, Professor an der FHNW in Muttenz und als engagierter Basler Architekt bekannt. Wir möchten von unserem Gesprächspartner wissen, wie er zur Architektur gekommen ist und wie sich das Architektendasein im Laufe der Jahre verändert hat. Die Verbindung zwischen intellektueller und handwerklicher Arbeit weckte schon früh sein Interesse an der Architektur. Der Auslöser dafür, dass er sein Studium an der ETH Lausanne aufnahm, war ein Vortrag des politisch engagierten Architekten Luigi Snozzi. Seit vielen Jahren engagiert sich Dominique Salathé auch als Lehrer. Diese Tätigkeit verhilft ihm zu immer neuen Blickwinkeln und hält ihn damit jung. Denn die Lehre bringt ihn dazu, nicht in immer gleiche Muster zu fallen und stattdessen auch Neues auszuprobieren.

Architektur ist eng verbunden mit Politik und Gesellschaft
Die Zusammenhänge zwischen Politik und Architektur haben Salathé schon immer interessiert. Deshalb setzt er sich oft und gerne mit Fragen wie jener nach dem angemessenen Wohnbedarf, aber auch mit grossmassstäblicheren Aufgabenstellungen wie dem Städtebau auseinander. Dominique Salathé erzählt, wie gross die Verantwortung von Architekturschaffenden gegenüber der Gesellschaft ist. Durch den Wohnungs- und Städtebau, so Salathé, können Architektinnen und Architekten die Politik nicht nur einfach umsetzen, sie können auch Einfluss auf die gelebten Wohnformen und Bewegungsmuster der Gegenwart und der Zukunft nehmen. Doch die fortschreitende Digitalisierung macht Architektinnen und Architekten zunehmend zu Oberflächendesignerinnen. Es gilt aufzupassen: Die Architektur in ihrer konkreten, physisch erfahrbaren Qualität darf nicht vergessen werden. Denn es ist eine hohe Kunst, Bestehendes im richtigen Mass zu erhalten und mit Neuem zu verbinden, sodass ein langlebiges Gesamtwerk mit Qualitäten entsteht.

Umbau der Rennbahnklinik in Muttenz © Salathé Architekten Basel

Kleiner Input – grosser Output
Ein Projekt, bei dem es Dominique Salathé definitiv gelungen ist, mit möglichst kleinen und kostengünstigen Eingriffen eine grösstmögliche Wirkung zu erzielen, ist der Umbau der Rennbahnklinik in Muttenz. Die Böden wurden belassen, wie sie vorgefunden worden sind, die Gipsplatten der Leichtbauwände sind sichtbar verschraubt und diverse Installationen werden offen geführt. Durch die Einfachheit des Ausbaus und die individuellen Grundrisse wird den Bewohnenden, meist Studierenden, die Freiheit gelassen, sich selbst einzurichten und Räume zu gestalten.

Obwohl intensive Zusammenarbeit und lange Tage ein Projekt oft weiterbringen, bestimmen sie nicht über seinen Erfolg oder Misserfolg. Es braucht deshalb nicht unbedingt ein 200%-Pensum, um ein erfolgreicher Architekt oder eine erfolgreiche Architektin zu sein.

Projektwettbewerb Umbau Hochbergerstrasse 158 © Salathé Architekten Basel

Selbstentfaltung, Kooperation und Teilzeitarbeit!
Die Möglichkeit, selber Verantwortung zu übernehmen, gibt Dominique Salathé auch seinen Mitarbeitenden. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin übernimmt einen eigenen Aufgabenbereich, der mit einer gewissen Verantwortung verbunden ist. Der offene Austausch im Team wird mit individuellen Gesprächen und viel Zusammenarbeit angestrebt, sodass nicht nur die Mitarbeitenden, sondern ebenso die unterschiedlichen Projekte voneinander profitieren können. Die gemeinsame Arbeit mit anderen an einem Projekt war schon immer ein wesentlicher Bestandteil von Dominique Salathés Tätigkeit als Architekt. Wovon er aber überzeugt ist: Obwohl intensive Zusammenarbeit und lange Tage ein Projekt oft weiterbringen, bestimmen sie nicht über seinen Erfolg oder Misserfolg. Es braucht deshalb nicht unbedingt ein 200%-Pensum, um ein erfolgreicher Architekt oder eine erfolgreiche Architektin zu sein. Das gilt nicht nur für Architekturstudierende, sondern auch praktizierende Architektinnen und Architekten im Büroalltag, wo Teilzeitstellen immer mehr gesucht werden.

Die wichtigsten Fragen, die wir uns als Architekturschaffende stellen sollten, sind: Was will ich mit meiner Architektur bewirken und in welcher Form will ich Architektur schaffen oder diese beeinflussen?

Umbau der Rennbahnklinik in Muttenz © Salathé Architekten Basel

Architektur ist ein langlebiges und verantwortungsvolles Geschäft
Auf der Heimfahrt stellen wir fest, dass wir Vieles aus dem freundlichen Gespräch mitnehmen konnten. Wir Architekten und Architektinnen müssen nicht nur mit den vorhandenen Ressourcen verantwortungsvoll umgehen, sondern haben auch unsere Verantwortung der Gesellschaft gegenüber ernst zu nehmen. Mit unseren zukünftigen Beiträgen schaffen wir Bauten und Werte, die sich über Generationen bewähren müssen. Die wichtigsten Fragen, die wir uns als Architekturschaffende stellen sollten, sind: Was will ich mit meiner Architektur bewirken und in welcher Form will ich Architektur schaffen oder diese beeinflussen? Will ich mich theoretisch damit beschäftigen oder mich aktiv an der zukünftigen Architektur beteiligen? Dominique Salathés Meinung dazu ist klar: «Das Wichtigste ist, dass wir Komplexität zulassen und Zusammenhänge erkennen, denn nur so gelingt es uns, hochwertige und langlebige Bauten zu schaffen zu können, die ausserdem lebensnah sind.»

Text: Cécile Marthaler und Jana Röscher

Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.

 

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