Am 25. November stimmen die stimmberechtigten Baslerinnen und Basler über eine der wichtigsten Vorlagen zur Stadtentwicklung im Stadtkanton ab. Die Rede ist vom Lysbüchel- oder Volta Nord-Areal, das nördlich vom Bahnhof St. Johann gelegen ist. Auf dem hetigen Gewerbeareal im Besitz der SBB und Immobilien Basel-Stadt sollen künftig bis zu 3’000 Arbeitsplätze und Wohnraum für rund 2’000 Personen entstehen.
Geplant sind gemäss Regierung „Wohnungen im preisgünstigen bis mittleren Segment“, darunter mindestens 30 % Genossenschaftswohnungen. Die im Bebauungsplan festgelegte Quote für gemeinnützige Wohnungen bedeutet ein Novum in der Geschichte der Basler Stadtentwicklung. Die Gegner aus den Reihen des Gewerbeverbands, die das Referendum ergriffen hatten, stehen der geplanten Mischnutzung ablehnend gegenüber: „Auf dem Lysbüchel stünden die Wohnungen zwischen Kehrichtverbrennung, Schlachthof, Chemiefirma und Elsässerbahn.“ In ihren Augen ist das Lysbüchel kein Ort zum Wohnen.
Die Befürworter erhielten kürzlich überraschende Schützenhilfe von prominenter Seite. Architekt Pierre de Meuron machte sich in einem Interview mit der bz Basel für den Bebauungsplan stark. „Ich glaube, dass für einen immer grösseren Teil der Bevölkerung Wohnen und Arbeiten am selben Ort üblich sein wird, das gehört zum urbanen Leben. Das Areal Volta Nord (Lysbüchel) ist ein schönes Beispiel. Dort werden Wohnungen entstehen, ein Drittel davon genossenschaftlich, eine Schule, Grünzonen, und – das ist wichtig – Raum für leises und auch industrielles Gewerbe. Leider hat der Gewerbeverband reflexartig das Referendum ergriffen, obwohl die gesamte Gewerbefläche gegenüber dem alten, desolaten Zustand sogar erhöht würde», fasst de Meuron seinen Standpunkt zusammen. Er kam mit dieser Stellungnahme seinem Berufsverband BSA (Bund Schweizer Architekten) zuvor, der sich bis dato öffentlich nicht zur Abstimmungsvorlage geäussert hat.
Im Hinblick auf die Abstimmung wirft Architektur Basel die wichtigsten Fragen zur geplanten Arealentwicklung auf. Pro- und Kontraseite erhalten jeweils Raum ihre Argumente darzulegen. Entscheiden Sie selbst! Das Abstimmungsresultat darf mit Spannung erwartet werden. Es wird Symbolcharakter für die künftigen Arealentwicklungen in Basel haben.
Geplant sind Gewerbe und Wohnen auf einem Areal. Hand aus Herz: So wie im VoltaNord geplant kann doch niemand wohnen?
PRO: „Die Bebauung des künftigen VoltaNord ist sehr sorgfältig entwickelt worden. Im nördlichen Teil bleibt ein reines Industrieareal erhalten, darauf folgt eine Übergangszone mit stillem Gewerbe, zum Beispiel lärmarmes Handwerk, Dienstleister oder Startups. Zuletzt schliesst die Wohnzone an die bestehenden Wohnbauten und den gut vernetzten öffentlichen Verkehr im St. Johann an. Die Lärmsituation wird für die künftigen BewohnerInnen vergleichbar sein mit grossen Teilen der Stadt Basel, die 30 Lastwagen pro Tag im Südwesten des Areals sind von der Intensität her vergleichbar mit einer Buslinie im 15-Minuten-Takt. Für die neuen Wohnbauten gelten erhöhte bauliche Lärmschutzanforderungen, damit die angrenzenden Industriefirmen sich auch in Zukunft erfolgreich entwickeln können.“
KONTRA: „Der Regierungsrat propagiert sogenannte Mischnutzungen von Gewerbe und Wohnen als Allheilmittel zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit. Dienstleistungsbetriebe sowie stilles und dem Quartier dienenden Gewerbe funktioniert sehr gut in einer Wohnsiedlung. Mischnutzungen aus lautem Gewerbe und Wohnen haben jedoch langfristig keinen Bestand. Sobald von Seiten der Anwohner Lärm- und Emissionsklagen auftauchen, führt dies zu mehr Auflagen und Einschränkungen und letztendlich zu einer Verdrängung der Betriebe. Industrieflächen, welche der Wohnnutzung zugeführt werden, stehen der Wirtschaft in Zukunft nicht mehr zur Verfügung.“
Gibt es überhaupt genügend Grün- und Freiflächen auf dem Areal?
KONTRA: „Der Beschluss des Grossen Rates sieht keinen Quartierpark vor, sondern eine Naturschutzfläche entlang der Bahngleise. Diese Fläche soll weitgehend eingezäunt werden und darf zum grössten Teil nicht betreten werden und wenn, dann nur über Stege. Zudem soll der Zentrumsplatz im südlichen Teil (ca. 4’000 m²) nur wenig grün werden. Es handelt sich um eine platzartige Grünfläche analog der Liesbergermatte. Der alternative Vorschlag lässt einen grossen und umfassenden Quartierpark im Süden des Areals zu (über 15´000 m²), welcher dringend im Quartier benötigt wird. Von mehr Grünflächen profitieren aber nicht nur die Quartiersbewohner, sondern auch die Schüler des zukünftigen Primarschulhauses und die restliche Bevölkerung in Basel-Stadt.“
PRO: „Genau dies – attraktive, für Mensch und Natur wertvolle Grün- und Freiflächen – ist im Grossratsbeschluss zu VoltaNord enthalten. Die Gesamtfläche der öffentlichen Grün- und Freiräume im VoltaNord beträgt inklusive des neuen Quartierplatzes 26’000 Quadratmeter. Die Naturschutz- und Erholungsräume werden dabei fliessend ineinander übergehen, sie sind nicht voneinander abgetrennt oder gar unzugänglich.“
Jetzt mal Klartext: Gibt es in Basel-Stadt zu viel oder zu wenig Flächen für das Gewerbe?
PRO: „Die Nachfrage nach Gewerbeflächen hält sich nachweislich in Grenzen. Dies zeigen die Beispiele des geplanten Gewerbehauses „Werkarena“ (Neudorfstrasse), des Gewerbe- und Kulturhauses (Elsässerstrasse 215) oder die geplanten Gewerbeflächen im Norden von Volta Nord (Baufeld 1). Gerade das Gewerbehaus an der Elsässerstrasse 215 erfüllt alle Bedingungen, die das Gewerbe braucht, mit bezahlbaren Flächen, Lastwagenzufahrt und ebenerdiger Erschliessung. Das Gewerbe hat dennoch praktisch kein Interesse an den ausgeschriebenen Flächen gezeigt. Dies zeigt, dass der behauptete dramatische Raummangel gar nicht gegeben ist.“
KONTRA: „Der Bedarf nach Gewerbeflächen ist sehr gross. Dies zeigt das Interesse Dutzender Firmen an der Werkarena. Es herrscht ein grosser Mangel an verfügbaren Flächen in der Stadt. Die Wirtschaftsflächenstudie des Kantons Basel-Stadt aus dem Jahr 2013 zeigt klar auf, wie sehr die Unternehmen Probleme bei der Suche nach einem neuen oder besseren Standort sind. Die Studie ergab, dass 35 Prozent der Unternehmen Probleme bei der Suche nach geeigneten Flächen haben. Und 10 Prozent der Unternehmen haben vergeblich einen neuen Standort in Basel gesucht. Zudem ziehen mehr Unternehmen weg aus Basel-Stadt in andere Kantone als Firmen zuziehen.“
Wohnungen lassen sich doch auf anderen freiwerdenden Arealen bauen?
KONTRA: „Das Komitee «Nein zur Fehlplanung VoltaNord» anerkennt den grossen Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum im Kanton Basel-Stadt. Es setzt sich daher stark für eine konsequente Entwicklung nach innen (verdichtetes Bauen), für umfassende Arealentwicklungen sowie für die Eruierung von zusätzlichem potenziellem Wohnraum ein. Basel-Stadt ist auf gutem Weg, zusätzlichen benötigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen (Bsp. Dreispitz, Wolf, Klybeck u.a.). Daneben braucht es jedoch auch kreative Ideen, wo Wohnraum auf diesem knapp verfügbaren Boden realisiert werden kann. Ein Beispiel wäre das BVB-Depot in der Rankstrasse. Mehr Wohnraum muss nicht zwangsläufig bedeuten, dem Gewerbe Platz wegzunehmen. Dafür braucht es jedoch eine intelligent durchdachte kantonale Wohnraumstrategie, welche die Fehler der Vergangenheit korrigiert und den Bedarf der Zukunft sicherstellt.“
PRO: „Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel weg von der industriellen Produktion werden in Basel einige Areale frei für neue Nutzungen. Die grossen Transformationsareale wie Klybeck und Dreispitz sind jedoch in den meisten Fällen noch in einer frühen Planungsphase und damit auch noch nicht politisch und rechtlich gesichert. Mit dem Bebauungsplan VoltaNord liegt hingegen eine austarierte, vom Grossen Rat beschlossene Planung vor, welche reif für die Umsetzung ist. Damit kann dringend benötigter Wohnraum entstehen, ohne dass bestehender Wohnraum verloren geht.“
weitere Infos
JA > http://www.javoltanord.ch
NEIN > https://lysbuechel.ch/