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«Basel ungebaut» – Der Zauber nie realisierter Projektideen…

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«Wer war alles an der Begehung? Wieviele Büros werden wohl ungefähr teilnehmen?» – Wer öfters an Architekturwettbewerben mitmacht, kennt es. Nicht selten gehen für einen öffentlichen Auftrag achtzig oder mehr Projektvorschläge ein, manchmal sind es sogar deren hundertzwanzig. Schlussendlich ausgeführt wird – wenn überhaupt – aber nur eine Idee. Daher stellt sich die Frage: Was passiert mit dem Rest? Verschwinden alle nie verwirklichten Ideen auf Nimmerwiedersehen? Tilo Richter und ein Team aus mehreren Autorinnen und Autoren haben die Fühler nach ebensolchen mal mehr, mal weniger verschwundenen Projekten ausgestreckt und im Buch «Basel ungebaut» dokumentiert. Ein wertvoller Fundus an nie ausgeführten Projekten.

Das fliegende Klassenzimmer – oder doch ein Luftschloss?

Das fliegende Klassenzimmer – oder doch ein Luftschloss?

«Realisiertes bewirkt in vielen Fällen auch ein Abschliessen mit Gedanken und Vorstellungen. Ist ein Bauprojekt beendet, schwenkt die Aufmerksamkeit auf das nächste. Anders verhält es sich mit unrealisierten Bauten. Sie bleiben auf eigenwillige Art gegenwärtig und bringen sich trotz ihrer weitgehend immateriellen Präsenz immer wieder neu in Erinnerung», beobachtet Tilo Richter. Da wären etwa das Wettsteinbrückenprojekt von Santiago Calatrava aus dem Jahr 1988 – zu Gunsten des Entwurfs von Bischoff + Ruegg versenkt. Ebenso abgelehnt hat die Stimmbevölkerung den Entwurf von Zaha Hadid für einen Neubau des Stadtcasinos am Barfüsserplatz. Ob die Projektidee von 2004 dem Ort gutgetan hätte, sei hier mal dahingestellt. Das vermutlich berühmteste ungebaute Projekt allerdings dürfte die Petersschule aus der Feder von Hannes Meyer und Hans Wittwer sein – das fliegende Klassenzimmer – oder doch eher ein Luftschloss? In einigen Fällen, so meint Tilo Richter, ist es vielleicht sogar gut, dass die Projekte nie ausgeführt wurden. Gerade der moderne Entwurf der Petersschule zeigt es: «Die rhetorische Frage «Was wäre, wenn …?» verhallt ohne Antwort und entlastet die Idee von der Prüfung im «echten» Leben». Verwirklicht, hätte die Schule den Zauber vermutlich verloren, zumal sie in dieser Prägnanz wie gedacht wohl nie hätte ausgeführt werden können.

Eine Doppelbrücke über den Rhein? Dazu kams nie...

Eine Doppelbrücke über den Rhein? Dazu kams nie…

Nicht alle im Buch beschriebenen ungebauten Projekte sind so brisant. Manchmal sind es mehr die Umstände denn das Projekt selbst. So gestaltete sich beispielsweise die Suche nach einem Standort für die Basler Kunstsammlung schwieriger als gedacht und brachte, geht man in der Geschichte etwas zurück, nicht weniger als zwölf Standortvorschläge und mindestens zweihundertsechzig Projektideen mit sich. Schliesslich kristallisierte sich 1929 mit dem Projekt von Paul Bonatz und Rudolf Christ der St. Alban-Graben als Ort heraus. Doch bald wurde der Platz knapp und ein Neubau musste her, den schliesslich Christ & Gantenbein für sich entschieden. Diener und Diener gingen leer aus. Im vorliegenden Buch wenigstens findet ihr Projektvorschlag Platz.

Abbildungen von Wettbewerbsmodellen dürfen natürlich nicht fehlen

Abbildungen von Wettbewerbsmodellen dürfen natürlich nicht fehlen

Die Kaserne, bezogen 1863 durch die Armee und knapp hundert Jahre später wieder aufgegeben, durchlief mehrere Phasen der Umplanung. Wirklich geschehen ist mal abgesehen von der Zwischennutzung als Warenhaus durch Globus und Interio wenig. Ideen jedoch waren in Hülle und Fülle vorhanden. Von einer unterirdischen Autoeinstellhalle, über ein Schwimmbad bis hin zum Stadthafen im Kasernenhof mit Anbindung zum Rhein. Vielleicht, möchte man meinen, ist die jetzige Lösung gar nicht die schlechteste. Eher im Gegenteil; ganz im Sinne der Basler Zurückhaltung. «Manchmal sind die leiseren Töne nicht nur die realistischeren, sondern retrospektiv betrachtet auch die sinnvolleren», vermutet etwa Kantonsbaumeister Beat Aeberhard.

Fotograf Tom Bisig hat die Standorte mit einer eigens entwickelten Spiegeltechnik abgelichtet

Fotograf Tom Bisig hat die Standorte mit einer eigens entwickelten Spiegeltechnik abgelichtet

Neben den geradezu konkreten, sehr spezifischen Projektideen fanden die Autorinnen und Autoren in den Archiven aber auch sehr konzeptionelle Planungen wie etwa jene der Rheinumleitung. Die Brüder Franz und Paul Wilde schlugen 1932 vor, die Stadtmitte vom Fluss zu befreien. Übriggeblieben wäre noch die Birs. Der Rhein hätte die Stadt ab Birsfelden umschifft und wäre erst wieder in Weil ins ursprüngliche Flussbett zurückgekehrt. Die Idee ist nicht neu, man denke an Wien und den Donaukanal. Das Stadtbild von Basel hätte sich aber komplett verändert.

Zwischen zwei stabilen Buchdeckeln aus Karton mit haptischem silbernem Druck, holt die Publikation auf zweihunderfünfundzwanzig Seiten mit farbigen Abbildungen eine ganze Stange Projekte ins Gedächtnis zurück. Orts- und architekturkundige Baslerinnen und Basler wissen die Projekte sofort zu verorten. Für Auswärtige hingegen wirds schwierig. Man hätte sich einen grossformatigen Stadtplan gewünscht. Gerade ungebautes findet sich im Hier und Jetzt schlecht. Abhilfe leisten vielleicht die Fotografien von Tom Bisig. Er hat die verschiedenen im Buch behandelten Orte besucht und mit einer eigens dafür entwickelten Spiegeltechnik abgelichtet. In der eigenen Bibliothek macht sich das Buch so oder so gut.

Angesichts der Tatsache, dass jeden Tag Projekte geplant werden, die nie zur Ausführung kommen werden – und das mit voller Absicht, die beste Lösung zu finden – dürfen wir auf einen zweiten Band hoffen, dann vielleicht mit goldenem Druck…

Text: Simon Heiniger / Architektur Basel


Christoph Merian Verlag

Basel ungebaut

240 Seiten, 142 meist farbige Abbildungen
gebunden, 16 × 24 cm
© 2022 Christoph Merian Verlag
CHF 39.00, EUR 38.00
ISBN:  978-3-85616-965-7

 

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