PETITION GAV ARCHITEKTUR

«Besonders gute Architektur muss in erster Linie gut und erst in zweiter Linie besonders sein»

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Wir haben uns für diesen Artikel mit Daniel Blum unterhalten. Der Architekt arbeitet zurzeit als Leiter Entwurf/Entwicklung bei IttenBrechbühl in Basel. Sein Studium absolvierte er an der TU Darmstadt (BA) und an der ETH Zürich (MA). Den ersten Job nach dem Diplom bekam er bei David Chipperfield Architects in London. Er bewarb sich einfach naiv – wie er es selbst beschreibt – bei denjenigen Büros, die er gut fand. Nebenher ging er schon früh akademischen Tätigkeiten nach. So arbeitete er als Assistent an der ETH Zürich und ist zurzeit Dozent an der Münster School of Architecture.

«Es gibt keine singuläre Autorenschaft»
Es sind Sätze, die wir ständig hören: «Das ist ein Chipperfield», oder «das ist ein Diener». Auch Daniel Blum war in seinem Studium fest davon überzeugt, dass die singuläre Autorenschaft existiert. Mit zunehmender Berufs- und Lebenserfahrung reift allerdings die Erkenntnis, dass dieses Bild nicht der Realität entspricht. Architektur, so Daniel Blum, ist immer Teamarbeit. Er verweist dabei auf ein Interview mit Roger Diener zu dessen 70. Geburtstag in der Basler Zeitung, bei dem dieser konsequent von «wir» spricht. Das solle jedoch nicht heissen, dass Architektur demokratisch sei. Am Ende müsse es jemanden geben, der das letzte Wort hat. Ansonsten würden Entscheidungen totdiskutiert, und das Projekt komme nicht voran.

Wir entgegnen, dass dieses kollektive Entwerfen die individuellen Fähigkeiten der involvierten Architektinnen und Architekten nicht nutzt. Darauf antwortet Daniel Blum, dass im Entwurfsprozess jede Architektin und jeder Architekt auf individuelle Weise ihren oder seinen Beitrag leiste und das Projekt auf diese Weise langsam zu etwas Gemeinsamen zusammenwachse. Ausserdem findet er das ständige Ideen-Ping-Pong wichtig, um die eigenen Beiträge zu schärfen. Am Ende versucht das Team, eine gemeinsame Haltung für das jeweilige Projekt zu entwickeln. Bei dieser Haltung ist es wichtig, dass sie sich auf das Projekt bezieht und nicht einzig der Repräsentation des Büros gilt.

Die Methode bestehe darin, ein abstraktes Modell zu beschreiben, um damit dann ein reales Gebäude zu bauen. Das habe man früher von Hand gemacht, später 2D am Computer und heute mit BIM-Modellen, die zusätzliche Informationen tragen.

Technologie im Dienst der physischen Welt
Im Gespräch mit Daniel Blum kommen wir am Thema der Digitalisierung nicht vorbei. Bei Itten Brechbühl wird dieses Thema grossgeschrieben. Allerdings gesteht uns Daniel Blum, dass er sich in seiner Zeit vor Itten Brechbühl kaum mit BIM befasst habe. Für ihn ist BIM eine Technik, keine Methode. Die Methode bestehe darin, ein abstraktes Modell zu beschreiben, um damit dann ein reales Gebäude zu bauen. Das habe man früher von Hand gemacht, später 2D am Computer und heute mit BIM-Modellen, die zusätzliche Informationen tragen. Diese Informationen enthalte ein 2D-Plan allerdings auch, nur auf eine andere Weise, meint Daniel Blum.

Daniel Blum © Itten Brechbuehl

Die digitalen Werkzeuge empfindet er als sehr hilfreich, wenn sie richtig eingesetzt werden. Zum Beispiel helfen sie bei Projekten, die unter einem hohen ökonomischen Druck stehen, schon früh, um die Wirtschaftlichkeit abzuschätzen. Auch im Entwurf haben die neuen Werkzeuge ihren Platz. So kann man mit Virtual Reality sehr einfach und schnell überprüfen, ob eine Stütze aus architektonischer Sicht am richtigen Ort steht. Daniel Blum unterstreicht allerdings, dass es sich hier um eine Erweiterung der Werkzeugpalette handelt. Physische Modelle, Skizzen und Kollagen könnten damit nicht ersetzt werden, denn das Ziel des Architekten sei letztlich die physische Realität: «Am Ende wird Beton gegossen.». Das darf während des gesamten Prozesses nie vergessen werden, und dafür sind die physischen Werkzeuge unabdingbar.  So werden die digitalen Werkzeuge, wenn sinnvoll verwendet, zu einem natürlichen Teil des Projektes. 

So wird das Thema der singulären Autorenschaft immer unwichtiger für die Namensgebung von Architekturbüros. Wir begegnen im Alltag vermehrt Büros, die keine Person im Namen tragen (OMA, Pool Architekten).

Der Architekturberuf bleibt im Kern derselbe
Im Gespräch kristallisiert sich heraus, dass sich das Berufsbild der Architektur nicht grundsätzlich gewandelt hat. Vielmehr erweitert sich die Werkzeugpalette, und das Selbstverständnis hat sich verändert. So wird das Thema der singulären Autorenschaft immer unwichtiger für die Namensgebung von Architekturbüros. Wir begegnen im Alltag vermehrt Büros, die keine Person im Namen tragen (OMA, Pool Architekten). Die digitalen Werkzeuge bieten für uns Vor- und auch Nachteile. Zum einen ist es etwas Zusätzliches, was es zu erlernen und beherrschen gilt, zum andern bergen sie das Potenzial, unsere Entwürfe noch besser machen. Am Ende wird sich eines bestimmt nicht ändern: «Natürlich steht man [als Architektin oder Architekt]immer am Rande der Überforderung, aber sonst wäre es ja auch langweilig.»

Text: Urs Schmidt und Lucien Zenners

Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.

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