«Als ich noch zur Schule ging, haben wir das ganz anders gemacht…» Was wir lernen und wie wir es tun, hat sich im Laufe der Zeit stets geändert. Den meisten von uns dürfte der klassische Frontalunterricht, vielleicht noch Gruppenarbeiten geläufig sein. Spätestens aber seit den diversen Beitrittsabstimmungen zum HarmoS-Konkordat haben wir uns auch mit aktuellen Bildungsformen und -zielen auseinandersetzen müssen. Soviel zur Theorie. Pädagogische Konzepte betreffen aber nicht nur unsere Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte selbst, sondern ganz konkret auch die gebauten Räume in denen Schule stattfindet. Mit dem Beitritt des Kantons Basel-Stadt zu HarmoS haben sich die Schulen im Kanton so schnell verändert wie noch nie. Bis 2021 werden vom Kanton 790 Mio Franken in den Neu- und Umbau von Schulhäusern und für Bildung genutzte Einrichtungen investiert. Tilo Richter fasst in einem ersten Teil das Umdenken der Bildungskonzepte zusammen und zeigt die Schnittstellen zur Schulhausarchitektur. Der Architekturfotograf Roman Weyeneth, selbst Sekundarschullehrer, hat die räumlichen Veränderungen der Basler Schule anschliessend fotografisch festgehalten.
Typus Schulhaus
Seit 180 Jahren ist der Schulbesuch für Kinder in Basel Pflicht. Vierzig Jahre später wurde die Basler Volksschule gegründet. Der Schulhausbau seit 1880 lässt sich in verschiedene Wellen einteilen. Die ersten Bauten entstanden bis vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, weitere nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine nächste Ära bilden die Gebäude bis etwa ins Jahr 2000. Wie die neusten Bildungsneu- und umbauten, deren Erstellung bis 2021 abgeschlossen sein soll, der heutigen Schule entsprechen, so sind die älteren Schulhäuser stets Abbild des jeweiligen pädagogischen Verständnisses. In diesem Sinne kennen wir in Basel «Schulhauspaläste» wie das Theobald-Baerwart-Schulhaus von 1902 oder das Pestallozi-Schulhaus (heute: Sekundarschule Vogesen) von 1893 genauso wie die eben erst fertiggestellte Sekundarschule Sandgruben 2018. Wurden zu Beginn die Schulgebäude noch durch den Kantonsbaumeister entworfen, so ging man in den 1960er Jahren zum Architekturwettbewerb über. Ziel war eine qualitativ hochstehende Auseinandersetzung mit dem Typus des Bildungsbaus. International bekannt wurde etwa der nicht siegreiche Entwurf von Hannes Meyer und Hans Wittwer zum Wettbewerb des Neubaus der Petersschule.
In etwa so wie sich der Beitrag von Meyer und Wittwer von gewohnten Strukturen gelöst hatte, erging es auch der Schule selbst immer wieder. War das Ziel einst die Ansammlung von Wissen, meist hauptsächlich erreicht durch Frontalunterricht, so ist es heute das Vermitteln der Fähigkeit, Inhalte selbst zu erlernen. Das typische Klassenzimmer wurde um Gruppenräume und Lernateliers ergänzt, die Lehrerinnen und Lehrer übernehmen in ihrer Rolle als Mentoren betreuende Funktionen. Nicht nur unterschiedlicher, sondern vor allem mehr Schulraum wurde über die Zeit nötig, weil Klassengrössen bei gleichbleibenden Zimmergrössen von ungefähr 60 auf heute ca. 25 Schülerinnen und Schüler verkleinert wurden. Für alle steht mehr Platz und vor allen Dingen dynamischer Raum und Bewegungsfläche zur Verfügung.
Die Schule lebt!
Roman Weyeneth widmet sich in seinem Bildband geordnet den verschiedenen Räumen der Schulhäuser. Dabei setzt er den Fokus auf die Veränderungen und stellt verschiedene architektonische Ansätze gegenüber. Seine Fotografien setzen Umbauten der Klassenzimmer der ältesten Generation Schulhäuser ebenso ins Licht wie solche, die explizit nach den neusten Erkenntnissen entworfen worden sind. Neben neuen Räumen wie den Lernateliers und den neu gedachten Klassenzimmern und Gruppenräumen, widmet sich Weyeneth den veränderten oder neu gebauten Sport- und Schwimmhallen, Kindergärten und Versammlungsräumen, aber auch ausgebauten Dachstühlen oder Erschliessungsräumen. Am wenigsten geändert hat sich am Ende vielleicht das Physik- und Biochemiezimmer. Anhand der Fotografien möchte Weyeneth zeigen, dass Architektur sich nicht nur auf den gebauten Raum bezieht, sondern auch auf das was darin geschieht. Auf vielen Aufnahmen sind deshalb nicht «leere» Räume zu sehen, sondern durchaus «belebte» Gänge und Zimmer in Betrieb. Schliesslich nimmt uns die Publikation mit in die drei neusten Schulhäuser in Basel. Die teils randlosen und doppelseitigen Aufnahmen der Sekundarschule Sandgruben aus der Feder von Stücheli Architekten, der Primarschule Schoren von Lorenz Architekten oder der Primarschule Erlenmatt von Luca Selva Architekten werden durch Grundriss- und Schnittpläne ergänzt.
Lohnt es sich also, das Buch zu kaufen? Der Band möchte nicht belehren; er zeigt etwas salopp gesagt auf, wie die Dinge stehen. Nach der eher theoretischen Einleitung ist die Leserschaft sich selbst überlassen, darf die Abbildungen der verschiedenen architektonischen Eingriffe auf eigene Faust erkunden. Weder befasst sich das Buch im Detail mit Bildungspolitik, noch dürfte es im Regal über Architekturtheorie landen. Auch beschränkt sich die Publikation hart auf die Stadtgrenzen, wo doch die Schulen in der ganzen Region vom Wandel betroffen sind und ebenfalls gute Beispiele aktueller Schulbauten zu finden wären. Wie war das nochmals mit den gewohnten Strukturen? Als Bildband, der uns selbstredend zum Nachdenken über die räumliche Ausformulierung heutiger Schulen einladen möchte, funktioniert das Buch allerdings.
Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
Abbildungen: © Fotografie Roman Weyeneth
Roman Weyeneth (Hg.)
Tilo Richter
Neue Schulräume
Architektur für zeitgemässes Lernen
288 Seiten, 205 Abbildungen in Farbe
und Planmaterial
Gebunden
25 × 30 cm
© 2018 Christoph Merian Verlag, Basel
CHF 49.- / € 48.-
ISBN: 978-3-85616-871-1
Erschienen: 2018