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Christ & Gantenbein: «Unser Gebäude ist nachhaltig durch seine Typologie»

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Wie kann Architektur digitale Arbeitsformen komplementieren? Welcher Raum bietet «praktische und kreative Optionen», die das Arbeiten verbessern? Das Multifunctional Workspace Building der Roche von Christ & Gantenbein in Grenzach sucht Antworten. «Es bringt Menschen in einer flexiblen und vor allem hybriden Arbeitswelt zusammen und verkörpert die architektonische Übersetzung des kulturellen Wandels der New Ways of Working», schreiben die Architekten. Die Grundidee des Projekts ist denkbar einfach: einen grosszügigen, nicht-hierarchischen Raum zu schaffen, in dem die Mitarbeitenden sich begegnen können. Diese Idee wurde in einen konsequent stützenfreien Innenraum übersetzt. So einfach? Wir haben mit den Architekten über das Projekt gesprochen.

Roche Multifunctional Workspace Building von Christ & Gantenbein © Walter Mair

Architektur Basel: Der Neubau für die Roche schafft einen «multifunktionalen Raum». Was war dabei die architektonische Herausforderung?
Christ & Gantenbein: «Beim Roche Multifunctional Workspace Building gab es mehrere interessante, architektonische Herausforderungen. Zum Beispiel ging es darum, eine stützenfreie Spannweite von fast 23 x 37 Metern zu erreichen, ohne dabei einen Verlust an Raumhöhe in Kauf zu nehmen.»

Wie habt ihr das strukturell gelöst?
«Die Herausforderungen haben wir, so denken wir, elegant gelöst: Eine in Querrichtung vorgespannte Kassettendecke schafft radikale Stützenfreiheit und räumliche, visuelle und symbolische Qualitäten manifestieren sich in einem aussergewöhnlichen Innenraum. Eine weitere Herausforderung war, die richtige Balance zwischen Architektur und flexiblem Mobiliar zu finden, was aufgrund der produktiven Zusammenarbeit mit der Roche Pharma AG in Deutschland und INCHfurniture mit ausserordentlichem Resultat gelungen ist.»

«Wir haben alle vertikalen Elemente aus der üblicherweise gewählten Gebäudemitte an die Ränder geschoben. Somit befinden sich die Erschliessungszonen und technischen Elemente in den jeweiligen Gebäudeecken und geben den Innenraum frei.»

Grundriss Roche Multifunctional Workspace Building © Christ & Gantenbein, Basel

Anpassungsfähigkeit bedingt meist eine gewisse typologische Rationalität. Das generische Stützenraster könnte man als Idealbild dessen verstehen. Ihr habt in Grenzach einen stützenfreien, zentralen Raum geschaffen – und gleichzeitig die Treppenhäuser in den Ecken angeordnet. Wie kam es dazu?
«Wir haben alle vertikalen Elemente aus der üblicherweise gewählten Gebäudemitte an die Ränder geschoben. Somit befinden sich die Erschliessungszonen und technischen Elemente in den jeweiligen Gebäudeecken und geben den Innenraum frei. Um einen radikal flexiblen Raum zu schaffen und diese freie Mitte beispielsweise auch für das doppelgeschossige Forum nutzen zu können, haben wir die eben erwähnte freispannende Kassettendecke entwickelt, welche auf den aussenliegenden Stützen ruht. Typologisch bietet das Gebäude also freie Grundrisse mit einem Maximum an Anpassungsfähigkeit.»

Roche Multifunctional Workspace Building von Christ & Gantenbein © Walter Mair

Der Neubau verspricht die «Zukunft des Arbeitens». Das tönt futuristisch. Welche Fragestellungen bringt das mit sich? Und was waren eure Antworten darauf?
«Die Arbeitswelt ist konstant im Wandel – etwas, das schon lange vor der Pandemie und des damit verbundenen verstärken Sichtbarwerdens des Homeoffice diskutiert wurde. Für die Qualität eines neuen Gebäudes ist es für uns entscheidend, dass es die Fähigkeit besitzt, Veränder­ungen im Laufe der Zeit zu antizipieren und sich an die verändernden Bedingungen anzupassen zu können. Mit seiner Flexi­bilität fördert unser Neubau den nicht-digitalen Austausch zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Gruppen und dem Unternehmen als Ganzes und kann eine Vielzahl von Nutzungen absorbieren.»

Querschnitt Roche Multifunctional Workspace Building © Christ & Gantenbein, Basel

Was heisst das konkret?
«Offene Flächen, flexible Elemente und neueste Technik für hybrides Teamwork schaffen eine dynamische Arbeitsatmosphäre in einem professionellen Umfeld. Wir sind davon überzeugt, dass es wichtig ist, einen Rahmen für alle möglichen Formen der Zusammenarbeit zu bieten: eine Versammlung im Auditorium, ein Zoom-Meeting oder konzentriertes, individuelles Arbeiten. Und diese sehr diversen Formen der Zusammenarbeit integrieren wir in einem nicht-hierarchischen, fast schon «demokratischen» Umfeld, in welchem sich alle Mitarbeitende frei bewegen und in dem sowohl geplanter wie auch spontaner sozialer Austausch möglich ist.»

Roche Multifunctional Workspace Building von Christ & Gantenbein © Walter Mair

Augenfällig sind die um 45 Grad abgecknickten Gebäudeecken. Referenzen von Bauten aus den 1970er-Jahren klingen dabei an. Was steckt hinter dieser besonderen Ecklösung?
«Die Offenheit der Gebäudeecken ist tatsächlich ein markantes Element. Wie gesagt, ermöglichen die in den vier Ecken platzierten Erschliessungskerne auf allen oberirdischen Geschossen, die Gebäudemitte als exponiertes Zentrum freizuspielen. Die Treppenhäuser öffnen das Haus und etablieren eine aktive Beziehung zwischen Innen und Aussen. Die normalerweise sichtversperrenden Kernvolumen weichen Transparenz und Offenheit und durch die grosszügigen Treppenhäsuer fällt Tageslicht bis ins Innere des Gebäudes.»

«Diese Anpassungsfähigkeit erstreckt sich in zum Teil fast granulare Bereiche: So basieren zum Beispiel sämtliche innere Fassaden auf dem Kabinenmass des Warenlifts und sind jederzeit austausch- und erweiterbar.»

Roche Multifunctional Workspace Building von Christ & Gantenbein © Walter Mair

Eine kritische Frage zum Schluss: Im Multifunctional Workspace Building wurde viel Beton, Metall und Glas verbaut, alles Materialien die vor dem Hintergrund der Klimadebatte einen schweren Stand haben. Man ist geneigt zu denken, dass Gebäude habe wenig mit ökologischen Fragen zu tun. Stimmt dieser Eindruck?
«Unser Gebäude ist nachhaltig durch seine Typologie. Seine Flexibilität und Multifunktionalität resultieren in Anpassungsfähigkeit. Neue Situationen und Anforderungen sowie noch zu entdeckende Formen der Zusammenarbeit können problemlos in den Entwurf integriert werden. Und diese Anpassungsfähigkeit erstreckt sich in zum Teil fast granulare Bereiche: So basieren zum Beispiel sämtliche innere Fassaden auf dem Kabinenmass des Warenlifts und sind jederzeit austausch- und erweiterbar. Auch bauphysikalisch haben wir ein optimales Layout erreicht, da die Eckräume Kerne sind. Der Energiebedarf für Heizen und Kühlen ist im Vergleich zu anderen Bürogebäuden aufgrund der geringen Gebäudehüllfläche eher tief. Und schlussendlich können wir auch auf eine kollaborative Nachhaltigkeit verweisen: Wir haben, ganz im Sinne der Prinzipien von Roche, mit lokalen Firmen aus dem naheliegenden Umkreis gearbeitet.»

Interview: Lukas Gruntz / Architektur Basel

Roche Multifunctional Workspace Building von Christ & Gantenbein © Walter Mair

 

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