Fábio fühlt sich alleine. Alleine in einer neuen Stadt. Was seine Freunde und die Familie im fernen Brasilien unternehmen, bekommt er nur noch via Social Media mit. Etwas desillusioniert sitzt er in seiner Wohnung vor der Spielekonsole und fiebert dem kommenden Montag entgegen. Dann tritt er seine neue Arbeitsstelle an, derzeit sein einziger Anker in der neuen Heimat am Rheinknie.

Eben erst ist der 2er nach Binningen eingefahren, der 11er nach Aesch bimmelt… © Fabrício Andrade
Der Comic «Eine Nacht in Basel» beginnt dort, wo fast alles in Basel beginnt: Am Bahnhof SBB. Eben erst ist der 2er nach Binningen eingefahren, der 11er nach Aesch bimmelt. Geschäftig wusseln die Baslerinnen und Basler über den Bahnhofsplatz. Ob sich Fábio hier jemals zuhause fühlen wird? Er möchte jemanden kennenlernen. Proaktiv klickt er sich durch eine Datingapp; Vorschlag um Vorschlag, bis er auf Elaine stösst. Sie weckt seine Neugier. Alsbald verabreden sie sich in einer bekannten Pizzeria. Mit Fábios Deutsch – und erst recht dem Schweizerdeutsch happert es noch etwas. Für Elaine kein Problem…
Nun aber genug gespoilert. Warum bloss hat es der im Frühjahr 2021 ursprünglich auf Portugiesisch erschienene Comic «Uma Noit em Basel» von Comic-Autor Fabrício Andrade ins Bücherregal einer Architekturredaktion geschafft? Im Vorwort schreibt Mario Cau: «Diese Geschichte könnte sich überall auf der Welt ereignen – sogar in Brasilien. Alles, was es dazu braucht, sind zwei Menschen, die sich nicht kennen, wobei einer von ihnen der Fremde ist.» Tatsächlich aber spielt der Comic in Basel. Und die Stadt kommt dabei nicht zu kurz. Obwohl Fabrício Andrade selbst noch nicht lange in Basel wohnt, hat er jene Orte im Comic verewigt, die wir alle kennen und mit denen wir uns nicht zuletzt auch identifizieren. Wir kennen Basel aus Karten und Plänen, aus Visualisierungen und fotografiert. Eine als Comic gezeichnete Stadt hingegen ist doch eher selten.

Der Aeschenplatz, das Spalentor oder der Rocheturm… © Fabrício Andrade
Auf knapp einem Drittel aller Seiten dient ein unverwechselbar gezeichnetes Basel als Hintergrund der Story. Sei es der Aeschenplatz samt Turmhaus oder das St. Jakobs-Denkmal, das Spalentor oder das Lonza-Hochhaus. Auch das sanierte Coop-Hochhaus oder der Rocheturm dürfen nicht fehlen, ganz zu schweigen vom Meret Oppenheim-Hochhaus. Andrade hat genau hingeschaut und schreckt auch nicht davor zurück, die Dinge beim Namen zu nennen. Hängt eine spezifische Werbung am Aeschenplatz, so tut sie dies auch im Comic. Im Anschluss zeigt er anhand von Skizzen die verschiedenen Schritte von der ersten Idee bis zum fertigen Werk. Im Nachwort meint Andrade: «Fábio bringt die Sicht eines Migranten ein und stellt viele der Fragen, die ich selbst hatte, als ich nach Europa zog (…).» Fabrício Andrade zeigt uns wortwörtlich eine Sicht von Aussen. Eine Sicht von Aussen auf Dinge, die wir bereits lange zu kennen meinen, aber beim Lesen des Comics dann trotzdem nochmals ganz genau hinschauen müssen. Die Stadt wie gezeichnet ist ziemlich aktuell; die Baukrane zeigen etwa die Baustellen, wie sie sich in den letzten zwei Jahren präsentiert haben. Nur die gestalterisch fragwürdigen Pressabfallkübel an den Tramkanten am Bahnhofsplatz haben es zum Glück wohl knapp nicht mehr in den Comic geschafft. Und das ist gut so!
«Eine Nacht in Basel» gibts gemäss Andrades Instagram-Kanal und seiner Website in den hiesigen Comicbook-Shops oder im Netz zu kaufen. Fabrício Andrade ist zudem als Künstler an der Fantasy Basel 2021 vom 08.-10.10.21 anzutreffen.
Text: Simon Heiniger / Architektur Basel
Fabrício Andrade
Eine Nacht in Basel
2021
48 Seiten / FSK18
S/W und farbige Abbildungen
Heft
CHF 14.- (ggf. Versandkosten)
ISBN 978-65-00-26478-4
Eigenverlag
Bezug Online hier:
https://campsite.bio/fabricio_andrade88