Hochhäuser sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Sie stehen für die Prosperität und Popularität Basels. Wir haben uns gefragt: Was macht ein schönes Hochhaus aus? Um der Antwort näher zu kommen, haben wir eine Umfrage lanciert. Dabei zeigte sich: Unsere Leserschaft hat einen eindeutigen Basler Hochhaus-Favoriten. Das Asklepios 8 von Herzog & de Meuron, das auf dem Novartis Campus steht, erfüllt das Basler Hochhaus-Schönheitsideal offensichtlich am besten. Da stellt sich die Frage, weshalb ausgerechnet das Asklepios so beliebt ist. Was macht seine Schönheit aus? Eine Spurensuche von Lukas Gruntz.
Der ästhetische Schattenwurf…
Man könnte von einem empirischen Beweis sprechen. Zumindest fast. Über 60 Prozent unser Leser:innen haben das Asklepios zum schönsten Hochhaus Basels erkoren. Bei fast 800 Personen, die an unserer Umfrage teilnahmen, kann man von einem klaren Verdikt sprechen. Das eindeutige Resultat hat uns erstaunt – und überrascht. Kein anderes Hochhaus in Basel scheint eine auch nur annährend gleich grosse Popularität zu haben. Wir dachten, dass der Messeturm, der Roche Bau 1 – oder das Lonza-Hochhaus und Ciba K-125 unter den Klassikern – ähnlichen grossen Anklang finden würden. Dem war nicht so. Alle anderen Basler Hochhäuser scheinen im ästhetischen Schatten des Asklepios zu stehen. Und tatsächlich: Wir kennen kaum jemanden, dem das Hochhaus, das direkt am Rheinufer steht, nicht gefällt. Das 63 Meter hohe Haus markiert den Auftakt zum Firmenareal. Es hat eine klare Präsenz im Stadtraum ohne aufdringlich zu sein. Man könnte von gutbaslerischer Zurückhaltung sprechen. Das Hochhaus möchte sich nicht aufdrängen. Dass sich Herzog & de Meuron dabei über die ursprüngliche Campus-Vorgabe einer Bebauungshöhe von maximal 23.5 Meter hinwegsetzten, ist ein städtebaulich nachvollziehbarer Entscheid, da die offene Weite des Rheins zu einem anderen Massstab einlädt.
Es sind die Proportionen!
Zurück zur Ausgangsfrage: Was macht die Schönheit des Asklepios aus? Wir haben an der Rheinschanze nachgefragt. Wie können sich Herzog & de Meuron, die Autoren des Hochhauses, dessen Popularität erklären. Sie antworten uns: «Trotz seiner prominenten Lage strahlt das Gebäude durch seine Proportionen eine gewisse Bescheidenheit aus.» Es sind die Proportionen! Das wussten schon Vitruv und Palladio. Die Erkenntnis mag trivial sein – und dennoch bewahrheitet sich die altbekannte Entwurfsregel hier einmal mehr. Man möge den Proportionen stets genügend Beachtung schenken. HdM fügen an: «Der Bau wirkt durch die filigranen weissen Stützen sowohl aus der Nähe als auch von weitem freundlich.» Je nach Tageszeit und Wettersituation oder je nachdem, ob der Sonnenstoren geöffnet oder geschlossen sind, überrasche die Fassade immer wieder von neuem durch ihren wechselnden Ausdruck. Die Lebendigkeit der äusseren Erscheinung trägt zur Schönheit bei.
Es ist die Transparenz!
Ein weiterer Faktor ist die Transparenz. Das Asklepios-Hochhaus wirkt im Unterschied zu anderen Hochhäusern besonders transparent. Herzog & de Meuron erklären das folgendermassen: «Durch die auskragenden Deckenplatten und die vorgelagerten Stützen sowie deren Spiegelung in der Glasebene wird eine Tiefenwirkung erzeugt, die gleichzeitig als Transparenz wahrgenommen wird. Dies wird noch verstärkt durch die in der Mitte eines jeden Geschosses angeordnete Gemeinschaftszone, die von aussen ungehinderte Blicke quer durchs Haus zulassen.» Im Unterschied zu vielen anderen Hochhäusern wird die zentrale Mitte nicht von einem Kern besetzt. Ein weiterer Kniff der Architekten: Die Stützen wurden gebündelt. So stehen anstatt einer massiven Stütze, drei schlanke nahe beisammen – die statischen Anforderungen bleiben gleichermassen erfüllt. Zudem wurde für die Verglasung wenig reflektierendes, besonders transparentes Weissglas gewählt. Das Glas tritt als Material so weniger in Erscheinung.
Es ist die Eleganz!
In Basel gibt es kaum ein eleganteres Hochhaus. Eine ähnliche Qualität haben höchstens das Lonza-Hochhaus oder das Ciba K-125 am gegenüberliegenden Kleinbasler Ufer, die beide in den 1960er Jahren von Suter + Suter gebaut wurden. Ihnen fehlt jedoch die Filigranität und Tiefe des Asklepios. Kunsthistorikerin Ulrike Jehle-Schulte Strathaus beschreibt eine weitere Qualität: „Zum Eindruck von Leichtigkeit, Transparenz und Eleganz trägt ganz wesentlich auch die Farbe Weiss bei. Alles, abgesehen von den Glasflächen und Böden im Inneren, ist weiss gestrichen. Hell, nahezu strahlend, im Sonnenlicht fast blendend erscheint der Bau.“ Umso überraschender ist es, dass die Fassade ursprünglich schwarz geplant war. Oder ist das nur ein Gerücht? Nein. Wir erhalten die Bestätigung von Herzog & de Meuron: «In schwarzer Farbe wären die Stützen und Deckenplatten weniger stark in Erscheinung getreten. Die Idee war, dass die Glasebene dadurch noch transparenter geworden wäre und das Gebäude eleganter gewirkt hätte. Anhand von 1:1 Fassadenmustern unter freiem Himmel kamen wir jedoch zur Erkenntnis, dass die Fassade durch die schwarze Farbe stark an Tiefe und Plastizität einbüsst, zumal das kontrastreiche Schattenspiel auf den gestaffelten vertikalen und horizontalen Elementen fast vollständig verloren gegangen wäre.»
Wo bleiben die schönen Hochhäuser?
Sie haben in Basel bei vielen Menschen einen schweren Stand. Hochhäuser wirken mitunter monumental, kontextlos, erdrückend. Sie stehen für den gesellschaftlichen Wandel, die fortschreitende Globalisierung, das dynamische Wachstum unserer Stadt. Das löst bei vielen Menschen Ängste aus. Das ist nachvollziehbar. Als Gegenmittel hilft Schönheit. Gibt es dafür ein Rezept? Das wollten wir von Herzog & de Meuron als erfahrene Hochhausbauer wissen. Was macht in euren Augen ein schönes Hochhaus aus? «Durch seinen grossen Massstab und seine Präsenz im Stadtraum kann ein Hochhaus von aussen gesehen erdrückend und monumental auf Menschen wirken. Je nach Ausgestaltung der Fassade kann es zudem als abweisend, anonym und unnahbar wahrgenommen werden. Mit einer entsprechenden Gestaltung der Fassade – sei es durch die Material- sowie Farbwahl, oder durch eine Rhythmisierung oder Profilierung in der Tiefe – kann einem Hochhaus trotz seiner Grossmassstäblichkeit etwas Menschliches, etwas Feines und Filigranes zurückgegeben werden.» Wir fassen zusammen: Ein Rezept gibt es nicht. Jeder Ort, jede städtebauliche Situation, jedes Programm verlangt seine spezifische Antwort. Dennoch liefert das Asklepios-Hochhaus wertvolle Hinweise: Bekömmliche Zutaten für ein schönes Hochhaus sind gute Proportionen, Transparenz und Eleganz.
Text und Fotos: Lukas Gruntz / Architektur Basel
Literatur:
Ulrike Jehle-Schulte Strathaus (Hg.):
Novartis Campus – Asklepios 8
Herzog & de Meuron
Christoph Merian Verlag, 2015.