Heinrich Degelo ist in der Architekturbranche eine bekannte Persönlichkeit. Die im vorletzten Jahr fertiggestellten Künstlerateliers auf dem Basler Areal Erlenmatt Ost haben uns auf ihn aufmerksam gemacht. Aufgrund der aktuellen Coronavirus-Pandemie konnten wir unser Interview mit Heinrich Degelo nur schriftlich durchführen. Trotz dieser Umstände schilderte er uns seine Position zu aktuellen Themen wie dem Klimawandel oder der Digitalisierung sehr lebhaft und erläuterte uns sein Verständnis des Architekturberufs.
Schreiner, Produktdesigner, Architekt
Seit 2005 führt Degelo sein eigenes Architekturbüro in Basel. Zu dieser beruflichen Position als Architekt und Geschäftsführer kam er jedoch nicht auf geradlinigem Weg. Vom Möbelschreiner über eine Lehre als Zeichner gelangte er an die Schule für Gestaltung (heute Hochschule für Gestaltung und Kunst), wo er sich auf Innenarchitektur und Produktgestaltung konzentrierte. Was zuerst unterschiedlich erscheint, steht für ihn in einem klaren Zusammenhang: «Im Grunde geht es immer um dieselben Fragen, darum, ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen, indem man Antworten findet auf die Fragen: Wie fügt es sich? Wie ist es konstruiert? Und wie ist es gebaut?» Sein vielfältiges Wissen kommt in Heinrich Degelos Arbeit als Architekt in so manchen Situationen zur Anwendung. Zum Beispiel konnte er durch seine Kenntnisse in Produktgestaltung diverse Leuchten im Projekt der St. Jakobshalle in Basel gestalten.
«Gute Architektur lebt länger, erfüllt länger ihren Zweck und ist damit weit überlegen.»
Als Degelo sich der Architektur zuwandte, arbeitete er zunächst mit einem Geschäftspartner zusammen, bevor er sein eigenes Büro gründete. Bei seiner Arbeit ist ihm wichtig, im Dialog mit den Mitarbeitenden des Büros zu stehen und mit externen Architekten und Fachleuten zusammenzuarbeiten. Er ist davon überzeugt, nur im Team zur bestmöglichen Lösung für ein Projekt zu gelangen und neue Entwicklungen hervorbringen zu können: «Ich bin tief davon überzeugt, dass wir zusammen schlauer sind.» Das Architekturbüro organisiert auch sogenannte «Interventionen»: Vorstellungen zeitgenössischer Kunst und Kultur werden in Verbindung mit den sonst nicht erfahrbaren Räumlichkeiten von Baustellen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese Interventionen sind jeweils ein Versuch, den faszinierenden Veränderungsprozess eines Ortes mit der Gemeinschaft zu teilen.
Weder Teufelszeug noch Heilsbringer
Die Entwicklung des Architekturberufes in den letzten Jahren betrachtet Degelo eher kritisch, wenn es um die Themen BIM und Energie-Labels geht. Sie nähmen heute viel Zeit in Anspruch und lenkten von der Qualität der Architektur ab: «Die neuen Werkzeuge sind nicht der Teufel, sie sind aber auch nicht die Heilsbringer, für die sie manche halten.» Wie man an ausgeführten Projekten sehen kann, sucht das Team von Degelo Architekten nach möglichen Lösungswegen ausserhalb von starren Regelwerken. Auch die «Künstlerateliers Erlenmatt Ost» sind durch den Verzicht auf eine konventionelle Heizung ein Vorschlag, wie man den drängenden Fragen unserer Zeit begegnen kann. Besonders beschäftigt Heinrich Degelo der Zusammenhang zwischen Ökologie und Ökonomie. Diese Thematik nimmt er als bisher vernachlässigte Chance in der Architekturwelt wahr: «Gute Architektur lebt länger, erfüllt länger ihren Zweck und ist damit weit überlegen.»
Cradle to cradle in Bestform
Einen weiteren frischen Ansatz findet Degelo in der Auseinandersetzung mit dem Umfeld eines aktuellen Projekts in Kamerun. Dort seien die traditionellen Gebäude zum einen sehr schön und gleichzeitig vollkommen selbstabbauend. Wie Heinrich Degelo schreibt, ist dort «cradle to cradle» in seiner «Bestform» zu beobachten. Sinngemäss bedeutet dieses Konzept «von Ursprung zu Ursprung». Es beschreibt ein ganzheitliches Recyclingkonzept von zersetzbaren Bauten, welches Heinrich Degelo als einen zukünftigen Leitfaden für ökologisch innovative Projekte des Büros sieht. Themen wie die Zusammenarbeit im grösseren Rahmen und das nachhaltige Projektieren sind allgegenwärtig und werden bestimmt noch einige Generationen beschäftigen. Deswegen ist es für uns werdende Architektinnen und Architekten äusserst wichtig, von Personen wie Heinrich Degelo einen Einblick in die drängenden Fragen unserer Zeit zu gewinnen. Dabei schätzen wir seine Art von kreativem Mut und Vorwärtsdenken; diese Fähigkeiten sind notwendig, um sich den komplexen Aufgaben zu stellen. Wir bedanken uns bei Herrn Degelo für diesen Einblick in seinen Berufsalltag.
Text: Isabel Schildknecht und Daniela Weber
Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.