PETITION GAV ARCHITEKTUR

Die geträumte Stadt – Nicht realisierte Planungsprojekte für Basel

0

Seit einigen Jahren befindet sich Basel stark im Wandel. An allen Ecken und Enden werden Strassen aufgerissen, Kräne aufgestellt und Türme wachsen in die Höhe. Nehmen wir diese Entwicklungen genauer unter die Lupe, erkennen wir, dass dem Stoff Gewordenen eine jahrelange Erfindungs- und Planungszeit voraus ging. Mehr oder weniger frei gedachte Fantasien entstehen, erregen Aufsehen, werden verworfen oder angepasst. Ganz so wie das Basler Münster selbst; in steter Erneuerung eingerüstet, um dem nagenden Zahn der Zeit zu trotzen. Und so bildet es auch den Auftakt zur aktuellen Ausstellung „Die geträumte Stadt“ im Museum Kleines Klingental. Das erste Wahrzeichen Basels mit seinem 800 Jahre alten Glücksrad, welches mit steigenden sowie fallenden Figuren „die Wechselhaftigkeit des irdischen Glücks“ veranschaulicht, ist an Höhe bereits lange übertroffen. So gesehen sind die heutigen Wahrzeichen der nachindustriellen Stadt nicht mehr Ausdruck ihrer Religiosität, sondern nunmehr ihrer wirtschaftlichen Potenz.

Paul Camenisch: Architekturbild, 1924, Aquarell auf Papier © Sammlung Peter Suter, Basel

Aber nicht nur die in die Höhe wachsende Stadt wird thematisiert. In sechs Räumen hat Kurator Marc Keller die Planungsgeschichte verschiedener Gestaltungsprojekte, Visionen, Utopien und Träume unter dem Augenmerk des städtischen Wachstums, des baulichen Erbes und nicht zuletzt unter dem Aspekt der Kunst aufgezeigt.

Franz und Paul Wilde: Projektidee für die Umleitung des Rheins in Basel, 1932 © Sammlung Peter Suter, Basel

Der Rhein als elementarer Bestandteil der Gefühlsidentität Basels hat auch 1932 als Grundlage experimenteller Ideen gedient. Durch seine Umleitung im Norden der Stadt sollte das freigewordene Flussbett Platz für Bildung und Kultur an zentraler Lage schaffen. Und auch heute noch ist der Rhein begehrter Sehnsuchtsort des Träumers. Die Vision „3Land“ strebt eine stärkere Verbindung der trinationalen Region rund um Huningue, Weil am Rhein und Basel dank einer Öffnung der Uferwege und der Planung neuer länderverbindender Brücken an. Gleichzeitig soll die attraktive Wohnlage am Rhein nutzbar gemacht werden. Mit dem rund um das Dreiländereck angesiedelten Hafengebiet sind am Kybeckquai und auf der Westquaiinsel weiterhin Rhein-bezogene Planungsprojekte im Gange.

Neubebauung Clarastrasse Basel © Editions Galerie zem Specht, 1983

In den 1940er Jahren kam das Thema der «autogerechten Stadt» auf und gefährdete das bauliche Erbe der Basler Altstadt. Aus infrastrukturellen Beweggründen wurden problematische Planungen, wie etwa die Talentlastungsstrasse quer durch die historische Altstadt oder die moderne Neugestaltung verwinkelter, als unhygienisch geltender Altstadtquartiere vorangetrieben. Blumenrain und Spiegelgasse blieben jedoch glücklicherweise weitestgehend verschont. Im Zuge der grossräumigen Umgestaltung rund um die Clarastrasse wurden weite Teile der Kleinbasler Altstadt hingegen geopfert. Jede Zeit hat ihre besonderen Eigenheiten, weshalb es umso mehr gilt, die einzelnen Projekte mit einem möglichst neutralen und weiten Blick zu beurteilen.

Bräuning, Leu, Dürig: Projekt für einen vergrösserten Andreasplatz im Geviert Schneidergasse – Nadelberg – Spalenberg, 1953 © Archiv Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt

Die Ausstellung vermittelt dem Besucher ein umfassendes Verständnis für die gesamthafte Entwicklung Basels, aufgrund derer die derzeitigen Baustellen vielleicht etwas besser zu ertragen sind. Trotz allem sollten wir jedes Projekt neu hinterfragen, um einen werterhaltenden Umgang mit unserem kulturellen Erbe zu üben. Ganz im Bewusstsein Italo Calvinos in „Die unsichtbaren Städte“ von 1977: „Die Stadt erzählt ihre Vergangenheit nicht, sie enthält sie wie die Linien einer Hand, eingeschrieben in die Ränder der Strassen, die Gitter der Fenster, die Handläufe der Treppengeländer, die Masten der Fahnen, jedes Segment seinerseits schraffiert von Kratzern, Kerben und Schlägen.“ Was beispielsweise die Volksabstimmung von 1932 über den Neubau des Kunstmuseums zeigt, ist, dass wir als Bürger gerade in einer direkten Demokratie die Verantwortung haben, Stellung zu beziehen und uns einzusetzen für unsere Träume, wie auch für unsere Geschichte.

Das 2013-2015 vom Büro LIN erarbeitete Konzept 3Land © LIN Architectes Urbanistes

Anhand verschiedener Medien wie Fotografie, Zeichnung, Modell und Film werden in der Ausstellung zum Teil wenig prominente Ideen der Basler Stadtgeschichte in Bezug zu aktuellen Planungsentwicklungen gesetzt. Durch die Gegenüberstellung werden spannende Erkenntnisse darüber gewonnen, welche Träume das Potenzial besitzen, Wirklichkeit zu werden und welche bereits früh zum Scheitern verurteilt sind. Interessant ist jedoch, dass manchmal der Zeitgeist schlichtweg nicht bereit ist für eine Vision, welche einige Zeit später grossen Anklang findet. Es lohnt sich also nach wie vor, frei zu denken, zu entwerfen und vor allem: zu träumen!

Text: Miriam Stierle / Architektur Basel


INFO
Die Ausstellung im Museum Kleines Klingental dauert vom 22. Mai 2021 bis 13. März 2022.
Öffnungszeiten: Mittwoch und Samstag, 14 bis 17 Uhr, Sonntag, 10 bis 17 Uhr.

 

 

Comments are closed.