PETITION GAV ARCHITEKTUR

Ein eruptierender Vulkan im Gundeli | Saskia Edens Kunst-und-Bau-Werk zur Instandsetzung des Brunnmattschulhauses

0

Als wäre das Brunnmattschulhaus eine mit Magma gefüllte Baustruktur, die im Dach überläuft, erkennt man von weitem weiss-silbrig glänzende Magmaflüsse, welche über die noch frische Fassade des Brunnmattschulhauses langsam herunterfliessen. Das Kunst-und-Bau-Werk von Saskia Edens, das sich an der «brutalistischen» Architektur orientiert, wurde 2013 als Beitrag für die Umbauarbeiten am Brunnmattschulhaus auserkoren.

Das Wettbewerbsmodell für «Magma» © Saskia Edens

Das Wettbewerbsmodell für «Magma» © Saskia Edens

Die Anlage
Das Brunnmattschulhaus ist bestimmt schon dem einen oder anderen wegen seiner markanten und «brutalistischen» Betonarchitektur aufgefallen. Diagonal zur Gundeldingerstrasse steht das Ensemble aus verschieden hohen Volumen, welches von den Architekten Walter Maria Förderer, Rolf Georg Otto und Hans Zwimpfer 1965 fertiggestellt wurde. Die fünf Hauptvolumen beherbergen Schulräume, Kindergarten, Aula, Verwaltung und eine Abwartswohnung. Die Architekten hatten seinerzeit schon mit Künstlern zusammengearbeitet, welche das Gebäude mit Kunst-am-Bau-Werken bereicherten. Noch heute kann man die Werke von Paul Suter, Alfred Wymann und Coghuf in den verschiedenen Gebäudeteilen besichtigen. Und beim durchschreiten der Flure kommt man noch in den Genuss von Förderers skulpturaler Ausarbeitung von Wand- und Brüstungsdetails der Sichtbetonstrukturen.

«Magma» © Serge Hasenböhler

«Magma» © Serge Hasenböhler

Ausgangslage
Die denkmalgeschützte Schulanlage wurde knapp fünfzig Jahre nach ihrer Vollendung einer grossen Umwandlung unterzogen. So wurde die ehemalige Gesamtschule in den Jahren 2010 bis 2014 in eine Primarschule (HarmoS-Konkordat) umgewandelt, energetisch aufgewertet, und vor allem waren auch aufwendige Sanierungsarbeiten am Sichtbeton vonnöten. Im Zuge dieses umfangreichen Projekts konnte man gegen Ende von dessen Umsetzung noch Geld für ein Kunst-uns-Bau-Werk bereitstellen. Es handelte sich dabei um einen besonderen Wettbewerb, weil sich die Kunstschaffenden/Teilnehmenden mit dem Bestand auseinandersetzen mussten. Das Budget erlaubte die Möglichkeit, ein grosses Werk schaffen zu können. So schrieb der Kunstkredit Basel-Stadt zusammen mit dem Bau- und Verkehrsdepartement einen zweistufigen Kunst-am-Bau-Wettbewerb aus. Saskia Edens konnte sich schlussendlich mit ihrem Werk «Magma» gegen ihre fünf Mitstreiter durchsetzen.

«Magma» © Architektur Basel

«Magma» © Architektur Basel

«Der Kontrast zur geometrischen Architektur»
Die bestehenden Kunst-und-Bau-Werke auf der Schulanlage waren nicht beeinflussend für die Entstehung von «Magma», vielmehr war es die kantige Architektur der Gebäudevolumen, der «béton brut», wie man es schon in Edens’ Wettbewerbsmodell erkennen kann: «Ich wollte eine organische Form als Kontrast zur dieser geometrischen Architektur haben. Die Überläufe, beziehungsweise der Lavastrom im Notüberlauf des Daches sind auch eine Metapher für die Jugendzeit. Man geht über die Grenze, aber doch in eine Richtung, die vorgegeben ist (die Rinnen)», so die Künstlerin im Interview. Zu dieser Zeit beschäftigte sich die gebürtige Genferin viel mit Metall und Metallabgüssen. Edens, die auch bekannt ist für Ihre Performances, fand im Metall oder besser in dessen Bearbeitung einen performativen Charakter, der sie sehr interessierte. «Die ständige Transformation von hartem Metall, welches unter Hitze zur Flüssigkeit wird fasziniert mich, sowie auch andere Transformationen durch Wärme. Der labile Zustand von flüssigem Metall ist sehr kurz, in Kontakt mit der Luft wird es wieder hart und behält aber dabei die gewölbte Form des Fliessens», beschreibt Edens. So kam sie schliesslich zur Umsetzung von «Magma».

Der Giessprozess als performativer Akt © Saskia Edens

Der Giessprozess als performativer Akt © Saskia Edens

Zusammen mit dem Kunstbetrieb Münchenstein, einer professionellen Werkstatt zur Herstellung spezieller und aufwendiger Kunstwerke, konnte Edens die drei langen Aluminium Lavaflüsse herstellen. Aufgrund der enormen Länge und des hohen Eigengewichtes mussten die Flüsse in verschiedenen Teilen gegossen werden, jedoch ohne, dass man die Unterteilung später an der Fassade erkennen sollte. Der wunderschöne silbrig-weisse Glanz entsteht durch das Belegen mit Blattpalladium. Palladium ist ein silberfarbenes Edelmetall, welches an der Luft nicht oxidiert. Nicht nur mit dem Kunstbetrieb hatte Edens zusammengearbeitet, sondern auch mit den Architekten vom Büro BRI Architekten, welche die Instandsetzung des Baus auszuführen konnten, hatte sie einen interessanten Austausch: «Die Architekten haben mein Projekt von Anfang an begleitet, einer von ihnen war auch in der Jury des Wettbewerbs. Angenehm war, dass sie meine Idee verstanden haben und mich dabei unterstützt haben. Um das Werk zu realisieren, braucht es eine gute Koordination zwischen allen Beteiligten. So war ich froh, dass das Architekturbüro diesen organisatorischen Teil gut im Griff hatte. Unsere Kollaboration war sehr erfolgreich und so konnte ich meine Idee am besten umsetzen. Die Firma Kunstbetrieb war bei diesen Terminen auch oft dabei und sie haben mit mir dann die Realisierung des Kunst-am-Bau-Werkes vorgenommen», erklärt die Künstlerin.

Die fertigen Magmaflüsse © Saskia Edens

Die fertigen Magmaflüsse © Saskia Edens

Ästhetische Qualität
Die Fernwirkung von «Magma» verleiht dem sonst so harten Betonkubus eine filigrane Leichtigkeit. Trotz der Schwere des Aluminiums, hat die Künstlerin es geschafft, diesen interessanten Kontrast zu schaffen. Je nach Sonnenstand spiegelt sich das Licht unterschiedlich in der glänzenden Oberfläche der Lavaflüsse, welche schwer und langsam die Fassaden herunterfliessen und einen dynamischen Aspekt einbringen. Uns gefällt Saskia Edens Werk besonders gut, weil es auch ein sehr schönes Beispiel für den Umgang mit einem bestehenden Gebäude darstellt. Es zeigt auf, dass man auch zu einem späteren Zeitpunkt ein Kunst-und-Bau-Werk in eine starke Verbindung mit der Architektur bringen kann.

«Magma» © Serge Hasenböhler

«Magma» © Serge Hasenböhler


Saskia Edens (*1975 in Genf) wächst in Lausanne auf, wo sie von 1981–1992 die Rudolf Steiner Schule besucht. Von 1993–96 absolviert sie in Genf die École des arts décoratifs, anschliessend von 1996–2002 die École supérieure des beaux-arts. Von 1999–2000 verbringt sie ein Gastsemester in Wien, an der Akademie der bildenden Künste bei Peter Kogler. Seit 2002 lebt die Künstlerin in Basel. Teilnahme an zahlreichen Performancefestivals in Europa, USA, Korea und China, unter anderem «Le Printemps de septembre» in Toulouse, 2010; Bone 15, Festival für Aktionskunst, Bern, 2012; «Guangzhou Live 4. International Action Art Festival», China, 2013. 2006 gewinnt Saskia Edens den Wettbewerb «Kunst im Archiv» des Kunstkredits Basel-Stadt, 2007 den Preis der Alexander Clavel-Stiftung in Riehen. 2012 zeigt sie im Kunsthaus Baselland ihre Langzeitperformance «Let it happen», 2013 realisiert sie das Kunst-am-Bau-Projekt «Magma» an der Fassade des Schulhauses Brunnmatt in Basel. Der Besuch der Grotte bei Niaux 2010 steht am Anfang ihrer Auseinandersetzung mit prähistorischer Kunst, die sie 2017 durch einen Stipendienaufenthalt in Caza d’Oro, Le Mas d’Azil, fortsetzt. 2015 Förderung der Serie «Dessins thermiques» durch den Fachausschuss Audiovision und Multimedia BS/BL, Basel.


Technische Angaben

Künstlerin: Saskia Edens | www.saskiaedens.com
SIKART Lexikon: http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=12441371&lng=de
Werktitel: «Magma»
Standort: Brunnmatt Schulhaus, Ingelsteinweg 6, 4053 Basel
Datierung: 2013
Auftraggeber: Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt
Ausgangslage: Wettbewerb
Architekt: Walter Maria Förderer, Rolf Georg Otto und Hans Zwimpfer | Instandsetzung durch BRI-ARCHITEKTEN AG
Zusammenarbeit: Kunstbetrieb AG, Münchenstein
Gattung/Medium: Aluminium G-AISi 7 Mg Massivguss mit Blattpalladium belegt


Text:
– Silvio Schubiger / Architektur Basel

Bilder:
– © Saskia Edens
– © Serge Hasenböhler
– © Architektur Basel

Quellen:
– medien.bs.ch
– sikart.ch

Comments are closed.