PETITION GAV ARCHITEKTUR

Eine neue, alte Schule für Basel: Die Primarschule Rittergasse

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Gute Architektur ist anpassungsfähig. Dies ist mitunter ein Grund, weshalb sich Bauten aus dem 19. Jahrhundert heute so grosser Beliebtheit erfreuen. Dass dies nicht nur auf den Wohnungsbau zutrifft, veranschaulichen verschiedenste Gebäude in der Innenstadt, welche stetig wechselnde, öffentliche Nutzungen beherbergen.

Aufgrund des Zuwachses an Familien im innerstädtischen Gebiet, steigt zurzeit auch der Bedarf an Schulraum wieder. Dies veranlasste die Stadt Basel das ehemalige Realschulgebäude an der Rittergasse, welches 1887 vom damaligen Kantonsbaumeister Heinrich Reese erbaut wurde, seiner ursprünglichen Nutzung zurückzuzuführen.

In den 1980er Jahren wurde das einstige Schulhaus bereits einmal umgenutzt, und beherbergte seitdem Räumlichkeiten der städtischen Verwaltung. Mit dem damaligen Umbau, dem Einbau eines Liftes im Treppenauge des repräsentativen Treppenhauses und vor allem dem Einzug eines Zwischengeschosses im grossen Examensaal wurde ein erheblicher Teil der sehr aufwändig gestalteten Ausstattung zerstört und die Innenräume ihrer Grosszügigkeit beraubt.

Längsschnitt © GP ARGE Rittergasse

Längsschnitt durch das Gebäude © GP ARGE Rittergasse

Die Rückführung zur ursprünglichen Nutzung des Gebäudes realisierte die Arbeitsgemeinschaft BRH Architekten zusammen mit weberbuess Architekten – beide aus Basel. Bei der Erstellung des räumlichen Konzeptes wurde schnell klar, dass die ursprüngliche Grösse der Klassenräume, den heutigen Platzbedürfnissen entsprechen. In einem ersten Schritt wurden daher alle mit dem Umbau 1980 erstellten Einbauten entfernt, und die historischen Strukturen und Materialien freigelegt. Diese waren zu grossen Teilen in einem guten Zustand und so konnten viele der Brusttäfer und ein Grossteil der Eichenböden erhalten werden.

Grundriss Regelgeschoss © GP ARGE Rittergasse

Grundriss Regelgeschoss. Die historischen Raumgrössen entsprechen den heutigen Bedürfnissen © GP ARGE Rittergasse

Insgesamt werden die Klassenräume sehr zurückhaltend restauriert und ergänzt. Die historischen Elemente stehen im Vordergrund und prägen die Räume. Ein neuer, auf dem alten Farbanstrich basierender, aber aufgehellter Farbton gibt dem Raum eine zeitgemässe Farbigkeit. Neue Elemente, wie die Deckenleuchten, ergänzen das stimmige Gesamtbild, ohne sich aufzudrängen. Auch die neue Akustikdecke fügt sich erstaunlich gut in das historische Gesamtbild ein, indem sie den Raumkanten entlang von einer Stuckatur gerahmt wird.

Klassenzimmer © Roman Weyeneth

Klassenzimmer mit Ausblick auf das Basler Münster © Roman Weyeneth

Die wohl grösste Aufwertung erfährt das historische Treppenhaus. Durch das umplatzieren des Liftes aus dem Treppenauge in einen Seitenbereich wird dieses wieder komplett freigespielt. Hervor treten nun die markanten Gusseisenstützen als wichtiges architektonisches Konstruktions- und Gestaltungselement. Diese Massnahme lässt den Innenraum heute wieder heller und grosszügiger erscheinen. Auch die notwenigen Brandschutzelemente fügen sich erstaunlich gut in den Bestand ein. Der grosse Glasanteil, ermöglicht Blickbezüge, die Platzierung der Elemente den Wandöffnungen leicht vorgesetzt löst diese Elemente klar vom historischen Bestand und steht in keinerlei Konkurrenz zu den Gusseisenstützen oder dem Brusttäfer.

Treppenhaus © Roman Weyeneth

Blick in das grosse Treppenhaus © Roman Weyeneth

Der im Zentrum des Gebäudes liegende, ehemalige Examensaal, erfährt durch das Entfernen des Zwischengeschosses wieder seine historische Grosszügigkeit und erlangt mit der Neuprogrammierung als Aula ausserdem seinen repräsentativen Stellenwert zurück. So zurückhaltend die Eingriffe in den Klassenräumen sind, so sorgfältig fällt auch die räumliche Umsetzung der neuen Aula aus. Der Raum wird nicht originalgetreu rekonstruiert, zu gross sind mitunter die akustischen Anforderungen der neuen Nutzung. Die Architekten abstrahieren die Geometrien der historischen Holzvertäfelungen und interpretieren diese neu in Form von Akustikelementen. Die Decke kann somit komplett von akustischen Modulen befreit werden, was dem Gesamtbild dieses repräsentativen Raumes gut tut.

Aula © Roman Weyeneth

In der Aula sind die Wandtäfer gleichzeitig Akustikelemente © Roman Weyeneth

Im Mansardengeschoss befinden sich die Räumlichkeiten für die Lehrpersonen, Förderzimmer, Bibliothek und ein Mehrzweckraum. Aufgrund der Lage unter dem Dach, verfügen diese Räume nur über sehr kleine Fensteröffnungen mit direktem Aussenbezug, welche sich im Friesbereich unter dem Dachvorsprung abzeichnen. Zusätzlich werden diese Räume aber Gallerieähnlich über Oberlichter und Glasdecken belichtet, was ihnen eine ganz neue Atmosphäre verleiht und zum Teil auch der angedachten Nutzung entsprechend von Vorteil sein wird.

Aufenthalt- und Arbeitsraum für Lehrpersonen © Roman Weyeneth

Aufenthalt- und Arbeitsraum für Lehrpersonen © Roman Weyeneth

Die Arbeitsgemeinschaft mit BRH Architekten und weberbuess Architekten beweist mit dem Umbau an der Rittergasse viel Fingerspitzengefühl. Das Schulhaus wird mit sehr sorgfältigen Eingriffen seiner ehemaligen Nutzung entsprechend in Stand gestellt. Dabei werden die Räumlichkeiten weiterhin von ihren historischen Komponenten geprägt und durch subtile Eingriffe ergänzt. Notwendige An- und Einbauten wie Brandschutztüren und Fluchttreppen lösen sich bewusst von der alten Struktur. Auch die neuen Fensteröffnungen im Mansardengeschoss fügen sich sehr zurückhaltend in das Gesamtbild ein, ohne die Fassade zu verunklären. Grössere Eingriffe nehmen die Architekten nur dort vor, wo ein Mehrwert für die entsprechenden Räume erreicht werden kann. So wie beim Versetzen des Liftes, zugunsten des freien Treppenhauses oder bei der gelungenen Ausgestaltung der neuen Aula. Mit wunderbarem Blick auf das Münster können nun wieder die vielleicht schönsten Fensterplätze aller Basler Schulen besetzt werden.

Text: Daniel Gass / Architektur Basel
Fotos: Roman Weyeneth

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