Das diesjährige Open House Basel hat trotz oder vielleicht gerade wegen der langen Corona Pause einen überdurchschnittlich hohen Anteil an privaten Wohnhausprojekten in seinem Repertoire. Diese Entwicklung ist laut der Veranstalterin Esther Baur sehr willkommen, denn diverse Firmen mussten sich leider aufgrund der anhaltend verschärften Sicherheitsmassnahmen aus dem diesjährigen Programm zurückziehen. Dieser Umstand soll uns jedoch nicht betrüben, denn es gibt ja kaum etwas Spannenderes als der Einblick hinter die sonst verschlossenen Türen eines individuell gestalteten Privathauses. Wir starten die Tour bei einer besonderen HdM-Ikone in Riehen.
Architektur Basel konnte vorab bereits einige Projekte besuchen, um euch einen Vorgeschmack auf das diesjährige Programm zu geben. Auf der Liste stehen das äusserst nachgefragte Koechlin Haus von Herzog & de Meuron (die 80 Plätze waren bereits nach fünf Minuten vergeben), sowie das Einfamilienhaus Ensemble von Steahelin Meyer Architekten und das Silo von Harry Gugger Studio Ltd. auf dem Erlenmatt Areal. Kommen wir zunächst zur Ikone der 1990er-Jahre, die ursprünglich für die sechsköpfige Familie Koechlin erbaut wurde.
Wir stehen vor einer eingeschossigen Garagenfassade aus Profilglas bis wir per Buzzer in die museal wirkende Eingangshalle eingelassen werden. Der sich konisch weitende und über eine Rampe ansteigende Raum erinnert an eine moderne Umkehrung der konstruierten Perspektive Francesco Borrominis aus dem Palazzo Spada in Rom. Die einem schräg entgegen fallende Rückwand am Ende des Raumes ist zenital beleuchtet, wodurch die feinen Unebenheiten des Sichtbetons besonders stark zum Vorschein treten. Kaum zu glauben, dass dieser Raum, der den ersten Akt eines architektonischen Theaterstücks zu begründen scheint, erst von einer weissen Farbschicht befreit werden musste. Szenographisch komponiert, entgegen Rutschgefahr oder konkreter Nutzbarkeit; reines Raumerleben.
«Es begrüsst uns der Hausherr Nicolai Hünerwadel, der bereits als Architekturstudent und damals Praktikant bei HdM um das Gebäude herumschlich und Jahre später die Villa, dank einer Verkettung glücklicher Zufälle, direkt von den Bauherren erwerben konnte.»
Es begrüsst uns der Hausherr Nicolas Hünerwadel, der bereits als Architekturstudent und damals Praktikant bei HdM um das Gebäude herumschlich und Jahre später die Villa, dank einer Verkettung glücklicher Zufälle, direkt von den Bauherren erwerben konnte. Nicolas führt uns über einige Treppenstufen vorbei an einem als Handlauf eingesetzten, freistehenden Heizkörper auf das Halbgeschoss mit Garderobenschränken empor. Von dort aus über die Haupterschliessung des Hauses hinauf in das Esszimmer mit Küche. Das beleuchtete Grün des Gartens spiegelt sich vielfach in den Hof- und Gebäudefassaden. Die ursprüngliche Überlagerung zweier U-förmiger Grundrisse, die sich nach Süden und mit dem Innenhof gen Osten öffnen bilden das konzeptionelle Grundgerüst. Das Resultat ist ein in seiner Atmosphäre sehr introvertiertes und selbstbezügliches Einfamilienhaus, welches vielfältige Ein-, Aus- sowie Durchblicke zulässt. Nicolai beschreibt das Haus sehr treffend als ein «Kaleidoskop», welches den Garten ins Innen hineinzieht.
Der zentrale Innenhof lässt sich mit Hilfe von gläsernen Schiebeelementen schliessen und bildet ein im Winter unverzichtbares Zwischenklima. Die auf der Ostseite montierte Jumbo-Markise konnte den Aufwinden von der Rheinebene her jedoch nicht standhalten und wurde aus der Gebäudeversicherung genommen. Rund um den Innenhof begehen wir, wie in einem Schneckenhaus, das Gebäude und gelangen über die auf der gegenüberliegenden Hofseite liegende Treppe hinauf in das obere Stockwerk. Dort befinden sich die Bibliothek und die Schlafzimmer mit grossartiger Weitsicht Richtung Elsass. So lässt es sich wohnen!
Die 1996 erbaute Villa ist jedoch kein Einzelgänger, sondern steht im Dialog mit dem Nachbargebäude von 1932 und dem 2020 errichteten Neubau des Sutra House von Huenerwadel Partnership. Die beiden Giebelhäuser werden für kulturelle Veranstaltungen genutzt oder dienen als Rückzugsort für «Achtsamkeits- oder Yogapraktizierende». Alle drei Gebäude teilen sich einen Garten. Damit funktionieren sie als Ensemble. Hier ist ein Refugium entstanden, an dem Inspiration, Ruhe und Gemeinschaft gefunden werden kann. Das Sutra House lässt mit seinem unterirdischen Wellnessbereich und seinem Meditationsraum direkt unter dem Gebälk sicherlich keine Wünsche offen. Der Besuch am Open House Basel, das diese Wochende stattfindet, sei allen wärmstens ans Herz gelegt.
Fortsetzung folgt …
Text: Miriam Stierle / Architektur Basel
INFO
Open House Basel 2021
Am 12. und 13. Juni 2021 öffnet Basel seine Türen. Alle sind eingeladen, kostenlos einen Blick hinter die Fassaden zu werfen und Basel neu zu entdecken. Weitere Infos hier > www.openhouse-basel.org