Es kriselt im Basler Bauinspektorat. Das konnte man vergangenes Jahr diversen Medienberichten entnehmen. Viele Architekt:innen beschwerten sich über zu lange Bearbeitungsfristen, zunehmende Zwischenberichte, eingeschränkte Öffnungszeiten – und den eingeschränkten Interpretationspielraum des kantonalen Baugesetzes. Anstatt gute Lösungen zu ermöglichen, werde eine streng wortgetreue Gesetzesauslegung forciert. Das sorgte für viel Unmut. In unserem ausführlichen Interview nimmt Regierungsrätin Esther Keller Stellung zur Kritik am Bauinspektorat, das ihrem Departement untersteht. Sie spricht offen über die kritische Situation im vergangenen Jahr – und präsentiert klare Vorgaben zur Verbesserung im neuen Jahr.
«Es war eine echte Krise. Letzten Frühsommer gab es dann eine Art Hilferuf vom Team. Dieser erreichte zuerst die Leiterin des Bau- und Gastgewerbeinspektorats und dann mich.»
Architektur Basel: Vergangenes Jahr sah sich das Basler Bauinspektorat viel medialer Kritik ausgesetzt. Es war von zahlreichen Abwesenheiten, ja sogar von Überforderung die Rede. Das äussert sich in der Statistik, wonach nur 67 Prozent der Gesuche fristgerecht beantwortet wurden. Das ist im Vergleich zu den Vorjahren eine miserable Bilanz. Wie kam es zu dieser problematischen Situation?
Esther Keller: «Aus meiner Sicht sind es verschiedene Faktoren, die dazu geführt haben. Wir hatten letztes Jahr wegen Krankheit und Kündigungen viele Absenzen im Team der Bauinspektor:innen. Das hat beim Team zu einer Überlastung geführt und dazu beigetragen, dass die Arbeitsatmosphäre nicht gut war. Das führte entsprechend dazu, dass die Erfüllungsquote dramatisch sank. Es war eine echte Krise. Letzten Frühsommer gab es dann eine Art Hilferuf vom Team. Dieser erreichte zuerst die Leiterin des Bau- und Gastgewerbeinspektorats und dann mich. Die Leiterin Luzia Wigger Stein und ich waren ab diesem Moment fast täglich in Kontakt. Uns war bewusst: Wenn der Betrieb ganz zusammenbricht – phasenweise waren nur noch drei Bauinspektor:innen an der Arbeit, für alle Baugesuche in ganz Basel-Stadt – dann hätten wir ein grosses volkswirtschaftliches Problem. Ich bin noch heute dem verbleibenden Team und der Leitung sehr dankbar, dass sie alles gegeben haben, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.»
Die krankheitsbedingten Abwesenheiten kann man als höhere Gewalt nachvollziehen. Aber weshalb war die Arbeitsatmosphäre derart schlecht?
«Ich kann nur sagen, wie ich das interpretiere. Neben der hohen Arbeitslast ist sicher ein Grund, dass es personelle Änderungen gab. Mehrere Bauinspektoren wurden pensioniert. Damit ging auch Erfahrung und eine gewisse Ruhe verloren. Erfahrene Teammitglieder können jüngere Kolleg:innen unterstützen, da sie viele Fälle erlebt haben und wissen, wie der Hase läuft. Ein anderer Grund ist wohl, dass vor einigen Jahren im Bauinspektorat eine organisatorische Veränderung vorgenommen wurde – mit einer neuen Struktur. Diese hat bisher offensichtlich nicht so funktioniert, wie sie hätte sollen. Da mussten wir genau hinschauen: Wie ist das Bauinspektorat organisatorisch aufgestellt? Wer ist für was verantwortlich? Es darf kein Durcheinander entstehen, dass zu viele Leute bei gewissen Dingen mitreden.»
Jetzt sind wir im Jahr 2023. Das erste Quartal geht dem Ende entgegen. Wie ist im Moment der Stand der Dinge im Bauinspektorat? Wie ist die aktuelle Quote bei den Fristen?
«Wir konnten personell deutlich zulegen und auch Leute einstellen, so dass wir jetzt acht Bauinspektor:innen haben. Das klingt nach viel, aber man muss sich bewusst sein, dass die neuen Teammitglieder Zeit und Unterstützung brauchen, um sich einzuarbeiten. Baubewilligungen sind eine Aufgabe, bei der man nicht vom ersten Tag an operativ ist. Es kommt hinzu, dass wir durch die letztjährige Situation eine riesige Bugwelle an Dossiers haben, die wir abarbeiten müssen. Für mich ist klar, dass wir bis Mitte Jahr auch die Erfüllungsquote deutlich verbessern müssen. Ziel sind 80 Prozent bis Ende Jahr.»
«Welche Rolle wollen die Bauinspektor:innen einnehmen? Wollen sie die sein, die alles ganz genau nehmen und so möglichst wenig Spielraum gewähren? Oder wollen wir Dinge ermöglichen? Gerade diese Kulturfrage ist ein wichtiges Thema.»
Wie kann das gelingen?
«Im Moment sind wir noch in der Phase, in der wir die neuen Teammitglieder einarbeiten. Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch. Parallel dazu sind wir daran, intern die Arbeitskultur und die Organisationsstruktur sorgfältig anzuschauen. Dazu findet ein Prozess mit externer Begleitung statt. Da geht es um grundlegende Fragen: Wie arbeiten wir zusammen? Welche Rolle wollen die Bauinspektor:innen einnehmen? Wollen sie die sein, die alles ganz genau nehmen und so möglichst wenig Spielraum gewähren? Oder wollen wir Dinge ermöglichen? Gerade diese Kulturfrage ist ein wichtiges Thema.»
Die Frage des Interpretationsspielraums beim Baugesetz beschäftigt uns Architekt:innen besonders. Gemäss Aussagen von diversen Kolleg:innen kam es in den letzten Jahren zu einer wortgetreueren, juristisch strengeren Auslegung des kantonalen Baugesetzes. Obwohl wir wissen, dass es in der Realität der Planung immer wieder Situationen gibt, wo das Gesetz nicht eindeutig ist. Dieser Spielraum ist für unsere Kreativität und unser kulturelles Schaffen entscheidend. Wird die Bewilligungspraxis in Zukunft wieder offener sein für Interpretation, für gestalterischen Spielraum, für Ausnahmen?
«Ja, unbedingt, dieser Spielraum ist wichtig. Ich höre diesen Wunsch von verschiedenen Seiten, auch intern. Ich glaube, auch das hatte mit den erwähnten Pensionierungen zu tun. Je länger man dabei ist, desto eher traut man sich, eine Interpretation zuzulassen. Aber diese Kultur kann man auch mit den jüngeren Teammitgliedern wieder schaffen. Ich spüre da den Willen, wieder mehr zu beraten, zu ermöglichen und Spielräume zu nutzen – und ich bin froh, dass dieser Wunsch auch von Innen kommt, nicht nur von Aussen.»
Inwiefern bringst Du Dich als Departementsvorsteherin in diesen Prozess ein?
«Ich habe anfangs Jahr klare politische Vorgaben gemacht. Ich sehe das als meine Aufgabe als Departementsvorsteherin. Eine Vorgabe lautet beispielsweise, dass man den vorhandenen Spielraum nutzen und es künftig auch wieder mehr Ausnahmen geben soll – was ja auch gesetzlich möglich und vorgesehen ist. Dazu braucht es aber auch personelle Verstärkung: Wenn uns der Quantensprung in der Beratung gelingen soll, dann brauchen wir mehr Bauinspektor:innen, angesichts der rund 1’500 Dossiers jährlich.»
«Ziel ist, in der situativen Betrachtung eines Bauvorhabens qualitative Lösungen zu ermöglichen – mit dem Risiko, dass man in der Interpretation auch mal zu weit geht und von der nächsthöheren Instanz korrigiert wird.»
Das ist begrüssenswert, wenn Du Dich für mehr Spielraum einsetzt. Das freut mich zu hören. Die strengere Praxis in den vergangenen Jahren hat viele Kolleg:innen verunsichert – und verärgert. Man fragte sich: Ist das Gesetz nicht mehr dasselbe? Trotzdem nochmals eine Frage zu deiner Rolle: Wie kannst Du ganz konkret eine liberalere Auslegung des Baugesetzes ermöglichen?
«Indem ich sie einfordere. Ich sehe statistisch, dass in den vergangenen Jahren weniger Ausnahmen ermöglicht wurden. Da können wir Gegensteuer geben. Meine Vorgabe ist klar: Ich möchte die Quote an Ausnahmebewilligungen erhöhen. Zudem darf künftig die Rechtsbeständigkeitsquote tiefer sein. Diese Quote zeigt, wie viele unserer Entscheide von der nächsthöheren Instanz bestätigt werden. Sie liegt im Moment bei 90 Prozent. Unser alleiniges Ziel soll nicht eine möglichst hohe Rechtsbeständigkeit sein. Das klingt aufs Erste etwas eigenartig, aber eine zu hohe Quote ist aus meiner Sicht ein Missverständnis der Aufgabe. Ziel ist, in der situativen Betrachtung eines Bauvorhabens qualitative Lösungen zu ermöglichen – mit dem Risiko, dass man in der Interpretation auch mal zu weit geht und von der nächsthöheren Instanz korrigiert wird.»
Steht das nicht im Widerspruch dazu, dass es in der Tendenz immer mehr Gesetze und Verordnungen gibt.
«Wir sehen auch, dass es mehr Gesetze, Verordnungen und Normen gibt. Das schränkt den Spielraum der Bewilligungsbehörden ein und macht das Bauen komplexer. Zum Beispiel werden in Sachen Klimaschutz weitere Regeln dazukommen. Aber gerade deshalb müssen wir den verbleibenden Spielraum nutzen.»
Uns geht es letztlich um die Weiterentwicklung unserer Baukultur. Wir sind darauf angewiesen, dass Gesetze und Normen nicht einfach schwarzweiss sind. Im Podcast vor einem Jahr hast Du mir gesagt, dass ihr uns die Denkarbeit nicht abnehmen könnt. Da stimme ich Dir zu. Das Problem entsteht dann, wenn die Denkarbeit erst gar nicht ermöglicht wird.
«Das soll nicht so sein. Genau deshalb setze ich mich dafür ein, dass künftig der Spielraum und die Möglichkeit von sinnvollen Ausnahmen bei Bauvorhaben mehr genutzt wird.»
Dazu fällt mir eine Anekdote ein: Eine Kollegin hat mir kürzlich von einer ihrer Erfahrung auf dem Bauinspektorat erzählt. Für ein Reihenhaus war eine Dachgaube analog derjenigen der Nachbarshäuser geplant. Seitens Bauinspektor hiess es dann, diese gesetzliche Interpretation sei so nicht mehr zulässig, obwohl es noch vor wenigen Jahren bewilligt wurde. Er gab ihr jedoch folgenden Tipp: Sie solle zwei Baugesuche einreichen. Eines für das Umbauprojekt und ein separates nur für die Gaube, dann könne die Bauherrschaft gegen den negativen Entscheid betreffend Gaube Rekurs einlegen. Das ist doch absurd. Eine Kritik, die ich von vielen Kolleg:innen höre, lautet, dass die Leitung des Bauinspektorats hauptsächlich einen juristischen Background habe und relativ wenig von der Planung und vom Bauen verstehe. Was sagst du zu diesem Vorwurf?
«Im Alltag ist es viel entscheidender, wie das Team der Bauinspektor:innen funktioniert. Die Organisation muss so strukturiert sein, dass sie ihre Arbeit machen kann und Entscheidungskompetenz hat. Der berufliche Hintergrund der Leitung ist sekundär. Wichtig ist, dass sie die konkreten Zielvorgaben, die ich für dieses und nächstes Jahr gemacht habe, erreichen. Ich bin in engem Kontakt mit der Leiterin Luzia Wigger Stein und ich traue dem Führungsteam zu, dass sie das schaffen. Daran wird man als Führungskraft selbstverständlich gemessen.»
Um welche weiteren Ziele geht es konkret?
«Das Team hat den Auftrag bekommen, alle internen Arbeitsblätter, Factsheets und Praxishilfen gemeinsam zu überprüfen, ob sie noch zeitgemäss und sinnvoll sind. Danach kommen sie zur Überprüfung und Diskussion auf meinen Tisch. Ich möchte verstehen, was in der Praxis nach welchen Richtlinien umgesetzt wird. Es braucht Gefässe, wo man konkrete Beispiele diskutiert und den Dialog führt, welche Interpretation der Gesetze sinnvoll und zielführend ist.»
Das tönt nach einem Mehraufwand. Führt das nicht zu zusätzlicher Überlastung?
«Das ist ein Mehraufwand, aber ein sinnvoller. Parallel dazu müssen wir das Team personell verstärken. Das heisst vergrössern. Schliesslich wollen wir auch die Öffnungszeiten des Bauinspektorats verlängern. Die Kundenfreundlichkeit soll besser werden. Aber dazu brauchen wir zusätzliches Personal, ansonsten würde unsere Erfüllungsquote wieder sinken.»
Ein Kritikpunkt betrifft die Stellungnahmen der unterschiedlichen Fachstellen, sei es beispielsweise vom Amt für Umwelt und Energie, der Denkmalpflege oder dem Tiefbauamt. Da kommt es regelmässig zu Zielkonflikten. Wie siehst Du das?
«Tatsächlich wird immer wieder an uns herangetragen, dass wir die Stellungnahmen der einzelnen Fachstellen gewichten sollen. Das ist tricky. Unsere Bauinspektor:innen haben ja nicht die inhaltlich-fachlichen Kompetenzen der jeweiligen Fachstellen. Ist bei einem Projekt beispielsweise der Brandschutz im Vergleich zum Denkmalschutz wichtiger – oder umgekehrt? Um das zu beurteilen, müssten sie ja Universalexperten sein. Dennoch verstehe ich den Wunsch einer stärkeren Gewichtung. Es soll eine gewisse Übersteuerung möglich sein. Eine nicht ganz einfache Aufgabe.»
«Ich überlasse es bewusst dem Team, wie sie meine Vorgaben umsetzen. Einzig das Ziel ist klar: Wir wollen mehr beraten – und mehr ermöglichen.»
Wie wäre es mit einer Art institutionalisiertem runden Tisch, wo die verschiedenen Fachstellen zusammenkommen – und man sein Projekt gemeinsam diskutieren und konsensorientiert einen Lösungsweg finden kann. Wäre sowas denkbar?
«Das bedingt wiederum einen personellen Mehraufwand, ist aber ein möglicher Lösungsweg. Wie wir die Frage der Gewichtung umsetzen, ist noch offen. Das werden wir intern anschauen. Ich überlasse es bewusst dem Team, wie sie meine Vorgaben umsetzen. Einzig das Ziel ist klar: Wir wollen mehr beraten – und mehr ermöglichen.»
Du sagtest, dass dieser Prozess von einer externen Person begleitet wird. Um wen handelt es sich dabei?
«Es handelt sich um eine Organisationsentwicklerin, die grosse Erfahrung in Change-Prozessen hat. Mir war wichtig, dass sie neutral und unabhängig ist. Der Druck auf die Bauinspektor:innen war vergangenes Jahr enorm. Da kamen verständlicherweise viele verärgerte Mails und Anrufe, was die Atmosphäre zusätzlich belastete. Die externe Person hilft uns, dass der Prozess dennoch stattfinden kann. Das ist enorm wertvoll. Luzia Wigger Stein und ich haben gemeinsam beschlossen, dass dieser Prozess externe Unterstützung erfordert, damit der Neustart gelingt.»
Ein weiteres Thema, das vielen Architekt:innen auf dem Magen liegt, sind die Zwischenberichte, die die Bewilligungsverfahren künstlich verlängern – und für die Bauherrschaft zudem Kosten verursachen. In meiner Wahrnehmung haben die Zwischenberichte in den letzten Jahren stark zugenommen. Gibt es dazu interne Statistiken?
«Die Zwischenberichte haben zugenommen. Das ist sicher auch der zunehmenden Komplexität der Bauvorhaben geschuldet. Einen Zwischenbericht gibt es nur dann, wenn dem Dossier etwas fehlt. Wenn das Baugesuch komplett und vollständig ist, besteht kein Grund zu Zwischenberichten. Aber: Wir müssen die Gründe für die Zunahme im Zuge dieser Organisationsentwicklung näher anschauen.»
«In der Krise letztes Jahr waren wie gesagt nur noch drei Bauinspektor:innen an der Arbeit. Dass diese alle Baueingaben des Kantons – jährlich rund 1500 – fristgerecht bearbeiten, ist schlicht unmöglich. Wir mussten sicherstellen, dass das Team Unterstützung erhält. Ansonsten wäre es zu einem Zusammenbruch mit enormem volkswirtschaftlichem Schaden gekommen.»
Für viele Architekturbüros, die mehrheitlich KMUs sind, bedeuten verzögerte Bewilligungsverfahren ein enormes wirtschaftliches Risiko. Mitarbeiter:innen können im schlimmsten Fall nicht weiter beschäftigt werden.
«Wenn das Baubewilligungswesen nicht funktioniert, ist das eine wirtschaftliche Katastrophe, das ist mir völlig bewusst. Obwohl wir im Bau- und Verkehrsdepartement insgesamt 1’300 Mitarbeitende und eine riesige Themenvielfalt haben, ist die Bedeutung des Bewilligungswesens ein Grund, weshalb ich mich dem Thema in den vergangenen Monaten intensiv gewidmet habe. In der Krise letztes Jahr waren wie gesagt nur noch drei Bauinspektor:innen an der Arbeit. Dass diese alle Baueingaben des Kantons – jährlich rund 1500 – fristgerecht bearbeiten, ist schlicht unmöglich. Wir mussten sicherstellen, dass das Team Unterstützung erhält. Ansonsten wäre es zu einem Zusammenbruch mit enormem volkswirtschaftlichem Schaden gekommen. Mir ist klar, wie wichtig das Thema für alle Beteiligten ist.»
Wie steht es eigentlich um die Vereinfachung und Liberalisierung der Baugesetze? Ich bin mir bewusst, dass die Tendenz in eine andere Richtung geht. Bauingenieur Nico Ros forderte an einem Podium vergangenes Jahr, dass für jedes neue Gesetz ein altes abgeschafft werden muss. Ob dieser Vorschlag sinnvoll ist, weiss ich nicht. Dennoch stellt man sich im Alltag oft die Frage, weshalb es gewisse Baugesetze überhaupt noch braucht. Beispielsweise wird gesetzlich eine Firsthöhe festgelegt, obwohl wir heute mehrheitlich Flachdächer ohne First planen. Dazu kommt der Sonneneinfallswinkel, der eine allfällige Firsthöhe sowieso geometrisch definiert. Frage an Dich: Strebst du eine Vereinfachung der Baugesetze an?
«Tatsächlich müssen wir auch ans Eingemachte gehen. Da ist das Parlament als gesetzgebende Kraft gefragt. Es wird jedoch nicht ganz einfach. Nehmen wir als Beispiel die nicht bewilligungspflichtigen Vorhaben. Diese werden privilegiert, indem man bei kleineren Eingriffen nicht gleich das restliche Haus energetisch sanieren oder die Kanalisation erneuern muss. Da kommen wir aber in vitale Bereiche, wo es viele Stimmen gibt, die sagen: ‘Es ist doch richtig, dass man ein Haus auch energetisch saniert, wenn man es schon anfasst! Schliesslich ist das Klimaschutz!’ Da sind wir also in einem Zielkonflikt. Wenn wir es einfacher wollen, kommen wir wohl nicht drum herum, in gewissen Fällen die Ansprüche zu reduzieren.»
Die Frage des Sanierungsstandards könnte man der Eigenverantwortung der Eigentümerschaften überlassen. Gerade das Bewusstsein für die Frage der energetischen Sanierung empfinde ich als extrem hoch. Da sind es in meiner Wahrnehmung eher die ökonomischen Möglichkeiten, die im Einzelfall limitierend wirken – nicht der Wille. Beim Brandschutz oder der Erbebensicherheit ist die Abwägung schwieriger. Im Extremfall geht es da um Leben und Tod.
«Wir müssen uns auch diesen Fragen stellen. Vielleicht ist es ein Weg, die Bagatellgrenze anzuheben. Beim Brandschutz sind die Anforderungen extrem streng. Auf nationaler Ebene ist eine Totalrevision in Gang. Man möchte die Normen hin zu mehr Eigenverantwortung anpassen.»
Dasselbe gilt für den Lärmschutz. Da sind die Anforderungen extrem hoch, was im urbanen Kontext teilweise gute architektonische Lösungen verhindert. Aber auch da tut sich auf Bundesebene etwas.
«Ganz genau. Das ist auch ein weiteres Thema, das uns in Basel in der Bewilligungspraxis beschäftigt.»
«In den nächsten Monaten wird es jedoch möglich, dass man die Baugesuche online eingeben kann. Das wird ein browserbasiertes Login mit nutzerfreundlicher Oberfläche geben, wo man direkt sieht, welche Formulare und Beilagen notwendig sind.»
Von «Steinzeit» hast du letztes Jahr in unserem Podcast gesprochen, als ich dich nach der Möglichkeit einer digitalen Baueingabe gefragt habe. Von aussen betrachtet ist es unverständlich, weshalb man in Basel-Stadt die Baugesuch-Dossiers nach wie vor nur physisch eingeben kann. In Baselland gibt es die digitale Baueingabe schon seit vier Jahren. Was läuft bei uns diesbezüglich schief?
«Wir sind dran. In den nächsten Monaten nehmen wir den ersten Schritt. Dabei muss gesagt sein, dass die Umstellung dasselbe Team betrifft, das aktuell so viel zu tun hat. Priorität hat für mich im Moment ganz klar die fristgerechte Bearbeitung der Gesuche. In den nächsten Monaten wird es jedoch möglich, dass man die Baugesuche online eingeben kann. Das wird ein browserbasiertes Login mit nutzerfreundlicher Oberfläche geben, wo man direkt sieht, welche Formulare und Beilagen notwendig sind. Das ist die erste Phase. Leider arbeiten noch nicht alle Fachstellen digital. Da gibt es weiteren Handlungsbedarf. Die Herausforderung besteht darin, dass wir parallel weiterhin physisch arbeiten müssen. Da warten wir auf das neue eGov-Gesetz. Danach wird es durchgängig digital.»
Das sind gute Neuigkeiten zum Schluss. Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.
Interview: Lukas Gruntz / Architektur Basel