Friederike Kluge: «Die Dinge sind oft nicht so eindeutig, wie sie scheinen»

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Ein ruhiger Dienstagvormittag. Wir sitzen mit unseren Laptops im eigenen Wohnzimmer, in der Küche oder im Büro. Die App für die Videokonferenz wird gestartet und wir erblicken auf unseren Desktops eine freundliche und offene Friederike Kluge. Über die Webcam entdecken wir einen Teil des Arbeitsplatzes unserer Interviewpartnerin und können uns schnell in die dortige Atmosphäre hineinversetzen. Eine Podiumsdiskussion an der FHNW in Muttenz hat uns auf die wortgewandte Architektin aufmerksam gemacht. Sie begeisterte uns durch ihre differenzierte Sichtweise auf die Kombination von guter Architektur und nachhaltigem Bauen. Wir stellten uns die Frage, wie Friederike Kluge das Berufsbild von Architekt*innen definiert.

Die Klimakrise als Aufgabe und Chance © Countdown 2030

Architektur und Bauen gehen Hand in Hand
Dafür lohnt sich ein Blick auf ihren Werdegang: Die enthusiastische Architektin hat ihre Liebe zum Beruf schon früh entdeckt. Was in Jugendjahren mit der Mithilfe bei der Renovierung einer Burg angefangen hat, findet sich heute im eigenen Architekturbüro «Alma Maki» wieder, das sie 2013 gemeinsam mit Meik Rehrmann gründete. Mehrere Jahre in einem renommierten Architekturbüro bereiteten Friederike Kluge darauf vor, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Das kleine Büro setzt auf Werte wie Individualität und Autonomie. Alle Mitarbeiter*innen begleiten Projekte von Anfang bis Schluss. Wann immer es die Situation zulässt und einen Mehrwert für das Projekt generiert, legen die Architekt*innen selbst Hand an und bauen an ihrer Idee mit.

Die Klimakrise als Aufgabe und Chance
«Alma Maki» beschäftigt sich ausserdem stark mit dem nachhaltigen Einsatz von Ressourcen. Friederike Kluge sieht den Klimawandel als Bedrohung und gleichzeitig als grosse Chance, um alte Mechanismen zu hinterfragen und den architektonischen Raum zu verbessern. In jüngster Zeit spricht sie sich deshalb an verschiedenen Anlässen aktiv für das nachhaltige Bauen aus. An ihrer Professur an der Hochschule Konstanz geniesst sie ihre Lehrfreiheit, die es ihr erlaubt, Student*innen genau dieses Thema näher zu bringen. Die Frage, wie die Vermittlung gelingen kann, beschäftigt Friederike Kluge sehr. Sie sieht das Interesse und eine gewisse Eigeninitiative aller Student*innen dabei als unabdingbar.

Der Anteil der Baubranche am menschengemachten Klimawandel ist riesig. Aus diesem Grund hat das Büro «Alma Maki» sich mit anderen Architekturschaffenden aus Basel zusammengetan und das Projekt «Countdown 2030» gegründet. «Countdown 2030» setzt sich das Ziel, Architekt*innen aufzuklären und die wichtigsten baulichen Massnahmen zu definieren, um in dieser Dekade die negativen Folgen des Klimawandels so weit wie möglich einzudämmen.

Friederike Kluge © horizontall.net

Ehrliche Fragen für neue Lösungen
Beim Thema Nachhaltigkeit, aber auch in anderen architektonischen Diskussionen, ist es für Friederike Kluge essenziell, Fragen zu stellen. Denn die Dinge sind oft nicht so eindeutig, wie sie scheinen. Ehrliche Fragen sind meist zielführend und helfen dabei, neue und bessere Lösungen zu finden. Um dies zu erreichen, verbindet Friederike Kluge die Architektur mit anderen Wissenschaften, wie zum Beispiel der angewandten Kulturwissenschaft, in der sie ein Begleitstudium absolviert hat. Diese Interdisziplinarität erlaubt es ihr, Sachverhalte aus einem differenzierten Blickwinkel zu betrachten. Auch uns Student*innen möchte sie diese Denkweise und den Mut mitgeben, auch unbegangene Wege zu gehen.

Architekt*innen sollten immer hinterfragen und wissensdurstig sein. Es sind dieser Wissensdurst und die Lust am Diskutieren, die zu neuen Lösungsansätzen führen. Die Möglichkeit, die Gesellschaft von morgen mitzugestalten, sieht sie dabei als grosse Bereicherung des Berufes. Für die Zukunft wünscht sich Friederike Kluge, dass sich Architekt*innen noch viel stärker mit ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auseinandersetzen und diese auch wahrnehmen. Dabei sollen das Miteinander und ein offener Diskurs im Vordergrund stehen.

Friederike Kluges Enthusiasmus und Durchhaltewille inspirieren uns sehr. Ihr Berufsverständnis bereichert auch unsere Vorstellung davon, was wir als Architekt*innen sein können. Gerade der offene Diskurs und das autonome Arbeiten scheinen uns für die Zukunft wegweisend. Mit einem letzten Zuwinken durch die Webcam und vielen neuen Anregungen im Hinterkopf geht das Gespräch zu Ende. Wir freuen uns schon auf weitere Diskussionen!

Text: Valerio Dorn, Fabian Hänseler und Maximilian Rüefli


Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.

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