AB: Wie gehst du beim Entwurf von Umbauten im historischen Bestand vor?
Lukas Baumann: «Ich versuche aus dem Bestehenden heraus Neues zu denken. Die Frage, was man vorfindet, ist dabei zentral. Die historische Lektüre des Ortes und des Objekts selbst soll möglichst umfassend sein. Mich interessiert dabei im Besonderen die Frage, wie ein Haus tektonisch aufgebaut ist, wie es genau gefügt ist. Welche Eingriffe wurden über die Jahre vorgenommen, wie hat sich das Haus verändert. All diese Fragen möchte ich so genau wie möglich begreifen. Beim Wyssighaus in Isenthal fiel mir beispielsweise die noch immer intakten traditionellen Verbindung der Sparren auf. Sie wurden überblattet und verzapft. Eine reine Verbindung aus Holz. Bei den Umbauten folge ich dabei dem Grundsatz, die noch vorhandene ursprüngliche Substanz so wenig wie möglich anzutasten.»
«Die Erfahrung zeigt, dass ein Bild im Projektverlauf stets einem Prozess der Transformation und Verfremdung unterliegt.»
Und wie gelangst du letztlich zur architektonischen Idee?
«Meine Architektur könnte man als Überformung des Vorhandenen verstehen. Nehmen wir das Beispiel der Treppe in Isenthal: Die massiven Holzstufen werden per Holzverbindung mit den Treppenholmen verzapft. Ein konstruktive Verbindung , die bei den erwähnten Dachsparren oder bei den Wandflecklingen vorgefunden wird. Die Machart und die Tektonik ist traditionell, die Formgebung jedoch wurde neu interpretiert. Die neue Treppe ist massiv, erinnert fast an ein skulpturales Betonteil, bezieht sich auf den bestehenden Holzbau und schafft dank ihrer reduzierten Gestaltung einen zeitgenössischen Ausdruck. Als anderes Beispiel ist das Hotel Furkablick zu nennen: In unserer Studie sind wir von der präzisen Bestandsaufnahme über eine Reihe von Referenzen aus Architektur und Kunst zur architektonischen Idee gelangt. Wir schlagen vor, die gesamte innere Struktur gezielt zu durchbrechen und damit eine völlig neue innenräumliche Qualität zu schaffen. Neue Blickbeziehungen über die Vertikale und Diagonale entstehen. Mich stört es dabei nicht, Referenzen oder Bilder sehr direkt zu übernehmen. Die Erfahrung zeigt, dass ein Bild im Projektverlauf stets einem Prozess der Transformation und Verfremdung unterliegt.»
Welche Architekten haben dich geprägt?
«Zuerst hat mich die profane Architektur in meinem Heimatkanton Uri geprägt, die vielen Holzbauten, vielleicht noch mehr die einfachen Steinbauten, ihre Konstruktion, die Setzung in der Landschaft. Dann kam die Zeit meiner Lehre in Luzern und anschliessend das Studium in Basel. Während dem Studium faszinierte mich natürlich das Frühwerk von Herzog & de Meuron. Es ist schon beeindruckend, wie sie sich mit ihren ersten Projekten eine eigene architektonische Sprache erschaffen haben. In der Zwischenzeit begleitet mich das Werk von Kazuo Shinohara und Sigurd Lewerentz genauso wie die Arbeit von kleineren Büros, wie beispielsweise von Seiler Linhart aus Luzern.»
«Mich faszinierte das Frühwerk von Herzog & de Meuron. Es ist schon beeindruckend, wie sie sich mit ihren ersten Projekten eine eigene architektonische Sprache erschaffen haben.»
Kann oder soll Architektur eine politische Funktion haben?
«Wahrscheinlich ist sie bei ausgewiesenen Bauaufgaben politisch.»
Wie entwickelt sich Basel im Moment in deinen Augen?
«Ich bin grundsätzlich zufrieden mit der Situation in Basel und sehe durchaus eine positive Entwicklung. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir in Basel nach wie vor eine hohe Dichte an guten Architekturbüros vorfinden. Wir jungen Architekten leben in einem schönen vorgefundenen Nest. Dennoch stehe ich der Stadtentwicklung auch kritisch gegenüber: Nehmen wir das Beispiel Erlenmatt. Da muss man leider festhalten, dass es kurzfristig in die Hose ging. Irgendwo im Prozess ging die Frage unter, was dieser neue Stadtteil der bestehenden Stadt, dem angrenzenden Quartier, eigentlich bieten soll. Demgegenüber steht die Entwicklung auf dem Dreispitz, wo ich die Hoffnung habe, dass ein vielschichtiges, spannendes Quartier entsteht. In Abhängigkeit der Ausbaupläne der Pharmamultis und der Messe stelle ich fest, dass vielerorts ein höheres Segment bedient wird. Als Beispiel kann man die Wohnungen entlang der Voltastrasse nennen. Man muss aufpassen, dass die Durchmischung der Stadt nicht verloren geht.»
Architektur Basel bedankt sich bei Lukas Baumann für das Interview und wünscht ihm viel Energie für seine kommenden Projekte. Wir freuen uns darauf.
Interview: Lukas Gruntz & Mireille Hohlbaum / Architektur Basel
Infos: http://baumannlukas.ch