„Ein architektonisches Monstrum“, bereits im ersten Satz wird das neue Hochhaus südlich des Bahnhof SBB abgekanzelt. Die Basler Zeitung zieht in ihrem polemischen Artikel in bestem Boulevardstil alle Register, um das Meret Oppenheim Hochhaus (kurz: MOH) schlecht aussehen zu lassen. In der dazugehörigen Umfrage wählt eine Mehrheit den Bau zum „hässlichsten Gebäude der Stadt“. Der Titel „Hässlich hoch hinaus“ ist Programm. Auf allen Ebenen wird das Hochhaus demontiert. Es sei düster, klobig, klotzig und mache schlicht Angst. Wenn Architekturkritik sich auf solches Niveau begibt, schafft sie sich selbst ab.
Basierend auf der Meinung von ein paar Passanten und Nachbarn wird ein gnadenloses Urteil über die Architektur des MOH gefällt. Man sucht vergebens Gegenstimmen oder Expertenmeinungen. Weder die Architekten, Stadtbildkommission noch der Kantonsbaumeister kommen zu Wort. Immerhin nahm das Projekt sämtliche demokratischen und gesetzlichen Hürden. Die Opposition kommt also zu spät: Die Fristen für Referenden und Einsprachen sind abgelaufen. Es hat genügend Möglichkeiten gegeben, das Hochhaus-Projekt grundsätzlich in Frage zu stellen. Kritik ist immer auch eine Frage des Timings.
Der Artikel offenbart allgemeine Vorurteile und Misstrauen gegenüber Architekten: Das MOH stammt aus der Feder der renommierten, Pritzker-Preis gekrönten Basler Architekten Herzog & de Meuron. Das heisst nicht, dass man ihre Arbeit nicht kritisieren darf. Man muss jedoch besonders gute Argumente vorbringen. Es reicht nicht, dass Haus als „dunkle Wolke“, „Ferienhaus für Nordkoreas Diktator“ oder „Hochsicherheitstrakt“ zu bezeichnen. Das architektonische Urteil bedingt ein Abwägen der Anforderungen an das Haus – und vor allem eine argumentative Begründung. Die Volumetrie des MOH hat viel mit den Ansprüchen der SBB als Grundeigentümerin zu tun. Aber auch mit Wirtschaftswachstum und Verdichtung. Den Architekten gelang es, das grosse Volumen zu brechen und zu stapeln. Damit verliert es an Dominanz.
Der Zeitpunkt des Rundumschlags der BaZ ist fragwürdig: Das MOH steht kurz vor der Vollendung. Keiner schreibt eine Kritik über ein Theaterstück, wenn erst zwei Drittel der Vorstellung vorbei sind. Letztlich hängt die Polemik aber auch mit den zurzeit hermetisch geschlossenen Faltläden zusammen. Hier müssen sich die Projektbeteiligten die Frage gefallen lassen, ob es nicht geschickter gewesen wäre, diese schon während der Bauphase zu öffnen. Auch wenn das ein Mehraufwand gewesen wäre. Ausserdem darf die Farbigkeit des Hochhauses kritisch betrachtet werden. Architektur Basel-Leser Tobias Hirt weist zu Recht darauf hin, dass „auf den Visualisierungen die Farbe freundlicher“ wirke. „Mal eher stahlblau oder ein weissliches grau, entgegen dem mattgrau was er jetzt hat.» Leser Philipp Fuchs argumentiert differnziert: «So, wie es sich jetzt präsentiert wirkt es ziemlich brutalistisch – nicht unbedingt schön, aber doch faszinierend, radikal. Nehmen die „Kisten“ nicht soger Bezug auf die Bahnwagons auf den Gleisen weiter unten? Nach dem Bezug der Wohnungen wird sich der Eindruck bestimmt ändern und das Gebäude auch visuell belebt erscheinen. An diesem Ort verträgt es für mich einen solch dominanten Bau.»
Die Rauchwolken verziehen sich. Die Diskussion wirft am Ende ein schlechtes Licht auf das Niveau des Architekturdiskurses in Basel. Hier stehen die Architekten in der Verantwortung. Sie müssen sich stärker in die öffentliche Diskussion einbringen – die politische Debatte suchen. Edle Zurückhaltung ist in einer direkten Demokratie fehl am Platz.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel