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Hier ist der Wurm drin! | Eine acht Meter lange Brunnenschlange von Tina Z’Rotz

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Kunst-und-Bau muss nicht immer mit einem Gebäude in Zusammenhang stehen. Wie wir in diesem Fall sehen werden, kann sie auch zusammen mit einem Brunnentrog entstehen. Für die Neugestaltung des Eingangshofs des Museums der Kulturen Basel hat Tina Z’Rotz ein Brunnenrohr entworfen, das zum Nachdenken anregt.

Tina Z’Rotz, Brunnen beim Museum der Kulturen Basel, 2014 | Foto: © Serge Hasenböhler, Basel

Kontext
Der gesamte Museumskomplex um das Naturhistorische Museum und das Museum der Kulturen weist eine wichtige Architekturgeschichte auf. Der klassizistische Hauptbau an der Augustinergasse wurde 1849 von Melchior Berri errichtet. Das als «Universalmuseum» entstandene Gebäude war damals das grösste Museum Basels. Aufgrund des Platzmangels wurde es 1917 durch die Architekten Vischer & Söhne gegen den Hof hin erweitert. 2010 wiederum hatte man den Bau um ein imposantes Dachvolumen mit Dachfaltwerk von Herzog & de Meuron nach oben erweitert. Zuletzt wurde dann auch der Innenhof als Abschluss der Bauarbeiten fertiggestellt. Im Rahmen dieses Projekts hat der Kunstkredit Basel-Stadt 2013 einen eingeladenen Wettbewerb ausgeschrieben, an dem fünf Künstlerinnen und Künstler aus der Region Basel teilnehmen durften. Diesen konnte sich dann die Künstlerin Tina Z’Rotz für sich entscheiden.

Tina Z’Rotz, Brunnen beim Museum der Kulturen Basel, 2014 | Foto: © Serge Hasenböhler, Basel

Ausgangslage
Im Laufe der Bauarbeiten im Innenhof des Museums wurde eine Fundamentplatte eines ehemaligen Brunnens freigelegt. Diese sollte auf Wunsch des MKB, der Archäologischen Bodenforschung und der Denkmalpflege vor Ort belassen werden. So entschied man sich, für die einsame Fundamentplatte einen neuen Brunnentrog zu erstellen um den Brunnen provisorisch in Betrieb zu nehmen. Die gebürtige Stanserin Tina Z’Rotz, welche als Gewinnerin aus dem Wettbwerb des Kunstkredits hervorging, durfte die Neugestaltung des Brunnenrohrs übernehmen. Das sich um den Trog schlängelnde Brunnenrohr wurde in einem aufwendigen Verfahren von Hand geschaffen. Die langgezogene Brunnenröhre soll auf die Nützlichkeit des Umweges aufmerksam machen. Eine Qualität, die es in unserer effizienzgesteuerten Gesellschaft fast nicht mehr gibt. «Umwege sind sehr nützlich. Die Suche generell ist ein produktiver Weg», sagt die Künstlerin. So lädt Z’Rotz den Betrachter ein, die Form und den Weg des Rohrs genau zu verfolgen. Das Rohr windet sich um den Trog, taucht in das Wasser hinein und wieder heraus um sich dann in Schlaufenformen zum Auslass hin aufzubauen. Nicht nur die optische, sondern auch die haptische Erfahrung spricht den Betrachter an. Die Künstlerin fertigte das Gusspositiv in reiner Handarbeit an. So lässt die unregelmässig geformte Oberflächenstruktur einen erahnen, wie sie jede einzelne Wölbung von Hand geformt hat. «Man kann sie anfassen. Das und die äusseren Einwirkungen wie Regen werden sie abnutzen und ihre Oberfläche verwandeln. Ich bin gespannt, wie sie sich entwickelt.», wundert sich Z’Rotz über das weitere Leben des Brunnenrohrs.

Tina Z’Rotz, Brunnen beim Museum der Kulturen Basel, 2014 | Foto: © Serge Hasenböhler, Basel

Enstehungsprozess
Die Fertigung dieses Brunnenrohrs war eine grosse Herausforderung. Dabei hat sich Tina Z’Rotz mit der Kunstgiesserei St. Gallen zusammengetan, eine der grössten und wichtigsten Kunstgiessereien der Schweiz, welche bei der technischen Umsetzung mithalf und den Gussprozess ausführte. Die Skulptur entstand im sogenannten «cire perdue» Verfahren, dem seit der Antike  bekannten Wachsausschmelzverfahren. Sie erarbeitete die Form der Skulptur zuerst aus reinem Wachs. Dabei bediente sich Z’Rotz der positiven Eigenschaften von Wachs, auf warme und kalte Temperaturen zu reagieren. In einem warmen Wasserbad konnte sie das Wachspositiv in die gewünschte Form ziehen und drücken und anschliessend in einem kalten Wasserbad wieder erstarren lassen. So formte sie das gesamte Rohr aus mehreren einzelnen Stücken, die dann an einer 1:1 Makette aus Holz zusammengefügt wurden. Daraus entstand schliesslich das ca. acht Meter lange Brunnenrohr.

Tina Z’Rotz, Brunnen beim Museum der Kulturen Basel, 2014 | Foto: © Serge Hasenböhler, Basel

Das Brunnenrohr von Tina Z’Rotz ist ein wunderbares Bespiel für eine etwas andere Art eines Kunst-und-Bau-Projektes, die in diesem Fall nicht einem Gebäude zugrunde liegt. Durch die sich schlängelnde Figur und die unebene Oberfläche erreicht die Skulptur eine gewisse Immaterialität, welche durch die dunkle Patina verstärkt wird. Man bleibt stehen und möchte die Figur anfassen um zu verstehen wie sich die Materialität anfühlt; und dadurch verspürt man sogleich dessen haptische Qualität. Man macht sozusagen einen kleinen «Umweg» um diese Erfahrungen zu erleben:, jene Qualität, welche die Künstlerin dem Betrachter spürbar machen will.


Tina Z’Rotz (*1970 in Stans) lebt und arbeitet in Basel. Ihre Skulpturen, Installationen und Videoarbeiten sind oft poetisch-humorvolle Befragungen der Realität und der Grundbedingungen künstlerisch-plastischen Arbeitens. Ihre Werke sind regelmässig in Ausstellungsräumen der Region und darüber hinaus zu sehen.


Technische Angaben

Künstlerin: Tina Z’Rotz | www.zrotz.net
SIKART Lexikon: http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=10677497&lng=de
Werktitel: Ohne Titel
Standort: Eingangshof Museum der Kulturen Basel, Münsterplatz 20, 4051 Basel
Datierung: 2014
Auftraggeber: Kunstkredit Basel-Stadt
Ausgangslage: Wettbewerb
Architekt:
Herstellung/Zusammenarbeit: Kunstgiesserei St. Gallen
Gattung/Medium: Bronze brüniert


Text:
– Silvio Schubiger | Architektur Basel

Bilder:
– © Serge Hasenböhler

Quellen:
– mkb.ch/de/museum/architektur.html
– kultur.bs.ch

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