Das Beste, was Schreibenden passieren kann, ist die Entfachung einer Debatte durch einen relevanten Beitrag zum aktuellen Architekturgeschehen. Wie schon Adolf Loos festgestellt hat, spricht man als Autor:in relativ oft ins Leere. Daher freut sich auch unsere Redaktion stets über Kommentare, Zuschriften oder Leserbriefe.
Die Zeitschrift werk, bauen+ wohnen hat mit der Rubrik «Debatte» ein Gefäss geschaffen, in der sich verschiedenste Autorinnen und Autoren aktuellen Themen widmen und so eine Debatte führen, die eben nicht ins Leere spricht. Neben angefragten Beiträgen kann sich die Leserschaft auch frei einschalten und einen Beitrag zum Diskurs einsenden. In nun bereits drei kleinen, wertigen Büchlein finden sich die relevanten Texte gesammelt in kompakter Form.
Den Start machte die Textsammlung zum Thema Baukultur, danach folgte die grüne Ausgabe zum Bauen im Klimawandel. Letzten Donnerstag lud Roland Züger, Chefredaktor des werk, bauen+ wohnen zur Vernissage des magentafarbenen, dritten Bandes über Hochhäuser ein. Am Stadtmodell führte er mit dem Basler Stadtbaumeister Beat Aeberhard, dem Autor des letzten Beitrages im Buch «Basel im Höhenrausch?», ein anregendes Gespräch über die Basler Hochhauspolitik. Nach einer Einführung zum Buch fasste Roland Züger die Inhalte der neun sehr unterschiedlichen Texte für das Publikum zusammen. Das Thema Hochhäuser bewegt, der Bautypus ist umstritten und die Debatte daher lebendig und lesenswert. Roland Züger stellte fest, man schaue von Zürich mit etwas Neid auf Basel, weil hier ein Konzept sichtbar sei.
Das Clusterkonzept
Beat Aeberhard erklärte dem Publikum die Idee der Clusterbildung und warum Hochhäuser in der Gruppe sinnvoll seien. Sie können die vertraute Silhouette durch eine neue Normhöhe ergänzen, was sie selbstverständlicher macht. Das Stadtmodell zeigt neben den gebauten Häusern, welche weiss im Modell ersichtlich sind, auch die Planungen in rohen Holzklötzchen. «Wir werden mehr» so der Stadtbaumeister, der erhöhte Platzbedarf dürfe nicht mehr auf der grünen Wiese erfolgen, womit eine Innenverdichtung zwingend wird. Die Entwicklungen erfolgen in Basel grösstenteils auf ehemaligen Industriearealen. Mit dem Strukturwandel wurden die dreckigen Industriegewerke verbannt, womit die Stadt sauberer und attraktiver wird. In Basel erfolgte dieser Schritt viel später als beispielsweise in Zürich, womit man diese Areale nun zur Verdichtung nutzen kann.
Ebenfalls machte Aeberhard Ausführungen über das Vorgehen und die Hürden, wenn jemand auf seiner Parzelle ein Hochhaus bauen möchte. Man müsse mit den Behörden in einen Dialog treten. Ein Hochhaus brauche zudem zwingend einen Bebauungsplan und ein Varianzverfahren. Das Volk hat nach der Abstimmung des Grossen Rates, welcher auf Antrag der Regierungsrätin über die Bebauungspläne befindet, jeweils die Möglichkeit das Referendum zu ergreifen, wie wir es beim Claraturm gesehen haben. Die erhöhte Ausnutzung wird in Basel an Gegenleistungen für die Allgemeinheit gebunden. So ist für Aeberhard die Mehrwertabschöpfung zur Aufwertung des Sockels sowie die geforderte Stadtrendite zentral.
Skyscraper-Cluster – Rosenthal Mitte
Interessant waren die Ausführungen zur Rosenthal Mitte. (Im Vordergrund des Stadtmodelles zu sehen) Das Areal gehörte einem Fonds in Gibraltar, welcher wenig investierte und das Areal mehr und mehr zerfallen liess. Als es schliesslich auf den Markt kam, wurde der Kanton tätig und konnte es für eine aktive Bodenpolitik und Wirtschaftsförderung erwerben. Der Masterplan wurde mittels Direktauftrag mit Herzog & de Meuron erarbeitet. Die Architekten hätten bereits den Auftrag vom Vorbesitzer innegehabt, meinte der Stadtbaumeister zur Begründung für diese (etwas fragwürdige Art der) Beauftragung. Der imposante Masterplan soll nun schrittweise entwickelt werden. Der sehr dichte Skyscraper-Cluster zeigt sich im Stadtmodell imposant und ist einen eigenen Diskurs wert.
Varianz für Roche
Die kleine Debatte mit dem Publikum zum Ende des Anlasses, zeigt einmal mehr, am meisten bewegen in Basel die zwei gebauten und das geplante dritte Hochhaus von Roche und deren Einwirkung auf das Basler Stadtbild. Der mit dem dritten Turm einhergehende Abbruch der Laborgebäude von Roland Rohn am Rhein polarisiert. Neben dem Denkmalwert ist es auch hinsichtlich der Netto-Null Abstimmung fraglich, ob es legitim ist diese Bausubstanz abzubrechen und die Nutzfläche in einem Turm aufzustapeln. Die positive Randnotiz: Auf Nachfrage erklärten Beat Aeberhard und Jürg Degen (Leiter Städtebau), dass beim Bebauungsplan des dritten Turmes nun ein Varianzverfahren eingefordert wurde und diese Sonderstellung von Roche somit ein Ende findet. Wie zahlreiche andere Projekte von Herzog & de Meuron zeigen, (Tate 1, Kinderspital ZH, Stadion in Bordeaux) ist das in Konkurrenztreten ein gesunder Akt und führt bekanntlich zu einer breiteren Akzeptanz in der Gesellschaft.
Das werk lancierte eine interessante Debatte rund um die Hochhausthematik in der Schweiz und dem Kantonsbaumeister gelang anlässlich der Vernissage eine schöne Übersicht zur Hochhauspolitik in Basel. Für alle die den Anlass verpasst haben, das kleine feine Büchlein ist ein Weihnachtswunsch wert.
Text: Christina Leibundgut / Architektur Basel
Die werk, Debatte ist eine Buchreihe der Architekturzeitschrift werk, bauen + wohnen und Teil der werk, edition.
Mit Beiträgen von Daniel Kurz, Caspar Schärer, Gian-Marco Jenatsch, Christian Blum, Han van de Wetering, Francesco Della Casa, Tibor Joanelly, Heinz Oeschger, Selina Lutz, Meike Müller und Beat Aeberhard.
Grafische Gestaltung: Elektrosmog, Zürich, Marco Walser, Marina Brugger
Illustration Cover: graphicrecording.cool, Johanna Benz, Tiziana Beck
116 Seiten
11 x 16 cm, Taschenbuch
CHF 15.00
ISBN 978-3-909145-29-4