Die schützenswerte Schulanlage Lärchen, eine Pavillonschule aus den 1950er Jahren in Münchenstein wurde vom Basler Büro Back Simonsen erweitert und saniert. Ein Augenschein vor Ort bestätigt, was sich beim Wettbewerb bereits abzeichnete. Dem jungen Büro, das kürzlich in den BSA aufgenommen wurde, gelingt ein höchst sorgfältiger Umgang mit dem Bestand. Es ist es dieses Zitat von Peter Smithson, das für das sensible Weiterbauen am Bestand und dem Interesse am Vorgefundenen steht und die Arbeitsweise am Schulhaus Lärchen gut beschreibt: «As found is a small affair: it’s about being careful.» Hier wurde nichts dem Zufall überlassen, der Bestand wurde genauestens analysiert, die Interventionen wohlüberlegt und mit grosser Hingabe durchorchestriert.
Umgang mit dem Bestand
Das Wettbewerbsprojekt mit dem Namen «Sequel» was im Filmjargon «die Fortführung eines früheren Erfolges mit ähnlichen Mitteln» bedeutet – setzte sich in einem offenen Verfahren gegen 83 andere Vorschläge durch. Die sich fein in die Siedlungsstruktur integrierende Schulanlage Lärchen wurde 1953 nach Plänen des Basler Architekten René Toffol errichtet und 1963 durch den gleichen Architekten erweitert. Durch die zweigeschossigen Trakte fügt sie sich malerisch in die durchgrünte Siedlung mit zweistöckigen Ein- und Mehrfamilienhäusern ein. Back Simonsen legten grossen Wert darauf, dass die Erweiterung ebenfalls als zweigeschossiges Volumen organisiert wird, um den Massstab des Quartiers weiterhin zu berücksichtigen. Aufgrund des gewünschten Raumprogramms und der grossen Aussenraumflächen war dafür ein äusserst kompaktes Erweiterungsvolumen erforderlich. Das als schützenswert eingestufte Schulhaus wurde vor der Sanierung mehrmals umgebaut. So konnten die Architekten nur an wenigen Stellen von unangetasteten Bestandsqualitäten profitieren. Daher wurde im Austausch mit der Denkmalpflege viel mit alten Bildern aus der Zeit der Eröffnung von 1953 gearbeitet. Das Vorgefundene wurde aufgegriffen, zum Teil wiederhergestellt und daran weitergebaut. An den für das Gesamtareal bedeutsamen Stellen wie beispielsweise dem Haupteingang, wird dem schützenswerten Bestand möglichst originalgetreu den Vortritt gelassen, so die Architekten bereits im Wettbewerbsbeschrieb.
Setzung und Befreiung
Ein gutes Gespür zeigt das Team um Valerie Simonsen und Lukas Back mit der Ergänzung des Pausendachs, welches den Bestand nun mit der Erweiterung verbindet. Dafür wurde die Trennwand zu den Sportplätzen zurückgebaut und das darin enthaltene, wunderbare Fresko «Aggression und Frieden», von Hans Weidmann aufwändig gezügelt. Die heute so selbstverständlich wirkende Verbindung wurde erst durch das Verlegen des bestehenden Geräteraumes auf die Turnhallenrückseite möglich – ein Befreiungsschlag im Entwurfsprozess. Der neue Geräteraum folgt dem gleichen Prinzip wie die neuen Anbauten an Trakt A und B. Die Erweiterung des Pausendachs ist um eine Achse versetzt und vor dem bestehenden Turnhallenfenster aufgebrochen. Dieser Eingriff spendet Licht, verleiht dem Dach eine Eleganz und schafft gleichzeitig den Bestandsbäumen Platz. Sämtliche Bäume auf dem Areal konnten erhalten werden. Der Ergänzungsbau bildet in der nordwestlichen Ecke des Areals den Abschluss zur Birkenstrasse und fasst die beiden Sportplätze seitlich, die zuvor etwas merkwürdig hinter der Mauer lagen. Die städtebaulichen Qualitäten des Projekts bestätigt auch das Fazit der Jury: «Insgesamt handelt es sich um einen intelligent gesetzten, sorgfältig durchgearbeiteten und in hohem Masse integrativen Vorschlag, der hinsichtlich seiner ökonomischen und ökologischen Effizienz weit über dem Durchschnitt der eingereichten Projekte liegt und einen vorbildlichen Umgang mit der bestehenden Bau- und Baumsubstanz aufzeigt.»
Typologische Neuheit
Ein guter Schachzug, ist die typologische Unterscheidung des Erweiterungsbaus zu den Bestands-Schulhaustrakten. Dieser gliedert sich aufgrund seiner spezifischen Nutzung in die Reihe der Spezialunterrichtszimmer ein. Während die Klassenzimmertrakte A und B eine klassische Korridortypologie aufweisen – die durch neue Anbauten mit Sanitäranlagen, Gruppenräumen und einem Lift ergänzt wurden – zeigt sich die Erweiterung als moderne Schulhaustypologie mit zentraler Halle. Eine grosszügige Treppe führt von der Eingangshalle in den darüber liegenden, zentralen Laternenraum. Die Lichtführung hat etwas Anmutiges, beinahe Sakrales – so fühle zumindest ich mich kurzerhand an die Lichtstimmung im Unity Tempel von Frank Lloyd Wright erinnert. Der Effekt dieser Typologie ist verblüffend. Obwohl durch die Türen – welche gestalterisch an Tapetentüren erinnern – grundsätzlich erkennbar ist, dass es eine umlaufende Zimmerschicht gibt, ist sie durch den Kranz aus Oblichtern nicht direkt spürbar. Auch an dieser Stelle sind die Details allesamt fein erarbeitet. Die Treppe und das Geländer beispielsweise bilden eine schlichtere Neuinterpretation der Treppen des Bestandes.
Subtile Differenzierung
Obwohl der Bestandsbau mit hochwertigen Materialien erbaut wurde, war eine Erneuerung der Bauteile nach den rund siebzig Jahren zwingend. Dies zeigte sich an einem Grossteil der Oberflächen und Belägen, die nicht mehr einfach Instand gestellt, sondern ausgetauscht werden mussten. Dies führt dazu, dass alles neu und harmonisch daherkommt und «Alt» und Neu sehr nahe zusammenrücken. Hier zeigt sich vielleicht auch die Herausforderung des Projektes: Das hohe architektonische Niveau des Bestandes, und die vielseitige vorgefundene Formensprache ermöglichte Back Simonsen auf den ersten Blick wenig Spielraum zur Entwicklung einer eigenständigen Formensprache. Dies könnte man zunächst bemängeln. Für den Laien dürfte es unmöglich sein, die subtilen Unterscheidungen zu lesen. Eine der vielleicht augenscheinlichsten aber dennoch unaufdringlichen Differenzierungsmerkmale ist die Materialisierung in Holz für sämtliche Neubauten. Im Bestand waren Holzverschalungen bereits zu finden, jedoch nur an wenigen Stellen. Das Verhältnis der Holz- und Putzfassaden ist nun ausgeglichener und hilft die neuen Bereiche subtil abzugrenzen. Zudem zeichnen sich die neuen Elemente durch eine geometrische Differenzierung aus. Im Grundriss als auch vor Ort, ist beispielsweise die Erweiterung des Pausendaches durch die «gesteigerte formale Präsenz der Rundungen» ablesbar, so die Architekten. Etwas salopp erklärt sich die Differenzierung nach folgendem Schema: Das im Bestand «Eckige» wird neu rund und das «Runde» wird eckig. Dies irritiert vordergründig. Der Differenzierungswillen der Architekten ist aber durchaus nachvollziehbar. Die Gesamtanlage ist am Ende so stimmig, dass es durchaus eine Tugend der Zurückhaltung ist, sich nicht durch das klare Absetzen vom Bestand unnötig wichtig zu machen und das bereits vielschichtige Ensemble in der Sprache des Bestandes zu erweitern.
Text: Christina Leibundgut / Architektur Basel
Sanierung und Ergänzung Sekundarschule Münchenstein, 2017-2022
Auftraggeber Bau- und Umweltschutzdirektion, Kanton Basel-Landschaft
Wettbewerb Offenes Verfahren 2016, 1. Preis
Architektur Back Simonsen, Basel www.backsimonsen.ch
Wettbewerbsteam Lukas Back, Valerie Simonsen, Patrik Strasser
Projektteam Lukas Back, Anna Malina Baertschi, Jochen Kraft, Valerie Simonsen, Patrik Strasser, Roman Venzin
Realisierung 2017-2022
Geschossfläche 7’266 m2
Kosten 23’500’000 (BKP 1-9)
Baumanagement Proplaning AG, Basel
Landschaftsarchitektur Krebs Herde GmbH, Winterthur
Bauingenieur Ehrsam Beurret Partner AG, Pratteln
Holzbauingenieur Büro für Bau + Holz, Basel
HLKSE-Ingenieure Enerconom AG, Solothurn
Bauphysik Ehrsam Beurret Partner AG, Pratteln