Die besten Zeiten sind vorbei. Nicht nur auf dem Rasen. Die Kunststoffschalen der Stadionfassade zeigen ein betrübliches Bild. Sie sind vergilbt und verschmutzt. Champions League war definitiv gestern. Die Fassade des St. Jakob-Parks ist offensichtlich marode. Das ist auch der Eigentümerin, der Genossenschaft Stadion St. Jakob Park, bewusst. Zusammen mit Herzog & de Meuron haben sie eine Vision namens «STADION+» für ein neues Joggeli erarbeitet. Das Stadion soll in einem neuen Kleid erstrahlen – und zudem als Kraftwerk Strom produzieren. Die öffentliche Hand soll das 50 Millionen kosten.
Es herrscht Krieg. Die Energiepreise explodieren. Die Weitsicht der Projektverantwortlichen ist beeindruckend: Die neue Fassade des St. Jakob-Parks wird dank Photovoltaik viel Strom produzieren. Das Projekt setzte ein «Zeichen für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen», schreiben die Projektverantwortlichen. Man darf dennoch skeptisch sein, inwiefern ein Fussballtempel ökologisch sein kann. Ob der Rasen in Zukunft nicht mehr mit Heizstrahlern behandelt wird? Ein Kunstrasen sei auf jeden Fall ausgeschlossen, heisst es seitens FCB.
Präsident, David Degen, ist auf jeden Fall begeistert: «Deshalb freut sich der Club sehr darauf, der Stadiongenossenschaft in den kommenden Wochen und Monaten bei der weiteren Planung dieses tollen Projekts unterstützend zur Seite zu stehen und gemeinsam die zur Umsetzung notwendigen Details zu klären. So, dass sich alle künftigen Stadionbesucher und -besucherinnen auf ein renoviertes, an zeitgemässe Standards angepasstes und nachhaltiges Joggeli freuen dürfen.» Das Projekt sieht eine Reduktion der Stadionkapazität vor: Statt 35’600 wären es neu noch 33’023 Plätze.
Die heutige Fassade werde «durch eine attraktive und unterhaltsarme, integrierte Gebäudehülle» ersetzt. Diese überdacht auch die vergrösserten Besucherplattformen, die damit die Möglichkeit für diverse neue Nutzungen eröffnen. Doch die neue Gebäudehülle ist vor allem eines: Eine grosse energieproduzierende Fläche, die aus Photovoltaik-Modulen besteht. Das Stadion als Kraftwerk. «Damit kann der St. Jakob-Park seinen gesamten Eigenenergiebedarf decken.» Das ist eine Ansage. Damit nicht genug: Die vergrösserte Dachfläche kann in Zukunft noch besser für die Regenwasser-Verwertung genutzt werden. Regenwasserduschen in den Kabinen sind angedacht. Die gewählten Materialien seien «hochwertig und dauerhaft». Die Bauteile der Gebäudehülle lassen sich demontieren und weiterverwenden. Das Solardach ist konstruktiv hinsichtlich eines minimalen Materialverbrauchs optimiert.
Für ihn sei das Projekt eine Herzensangelegenheit. Für Fussballfan Jacques Herzog ist das Joggeli mehr als nur ein weiteres Projekt im Portfolio: «Was früher ein Areal am Rande der Stadt war, ist heute zu einem belebten Quartierzentrum geworden. Die Sportstadt St. Jakob, neue Wohnquartiere, Gewerbe – die Umgebung des Joggeli hat sich unglaublich entwickelt. Deshalb ist das Projekt STADION+ enorm wichtig für die ganze Region. Es macht aus dem Joggeli einen Ort, an den man gerne geht. Ein grosses Dach für alle – für Fussballfans genauso wie Familien mit Kindern.» Ein weit ausgreifendes Dach ersetzt die ikonische Fassade und verleiht dem Stadion ein einheitliches Erscheinungsbild. Konstruktiv aus dem bestehenden Dach entwickelt, knüpfen neue Fachwerkträger an die Struktur des Bestandes an und überkragen die neuen Plattformen. Der Zeitplan für das ganze Bauprojekt ist über mehrere Jahre angelegt und würde bei entsprechendem Erfolg auf der politischen Ebene frühestens im Dezember 2027 realisiert werden können.
Rund zwanzig Jahre sind für eine Fassade eigentlich kein Alter. Im schnelllebigen Fussballgeschäft ist es hingegen eine Ewigkeit. Die Ära um Christian Gross scheint schon weit zurück. Die Erneuerung des Stadions ist für den Verein, der sich im Aufbruch befindet, eine Chance der Erneuerung und Erweiterung. Dass sich die öffentliche Hand mit stattlichen 50 Millionen beteiligen soll, wird für politische Diskussionen sorgen. Geht das nicht günstiger? Zum Vergleich: Der gesamte Neubau im Jahre 2001 kostete 220 Mio. CHF. Auch Vergabetechnisch wäre es heikel: Wenn derart hohe Summen an Steuergeldern im Spiel sind, sollte unbedingt ein Wettbewerb stattinden. Formal schafft das neue Projekt sicherlich eine Klärung: Dank seiner verbindlichen Geste fasst es alle Gebäudeteile «unter einem grossen Dach» zusammen. Und dann ist da noch die Referenz an das neue FCB-Trikot: «Als subtiles Rautenmuster ausgeformt, erinnern die Photovoltaikzellen an vertraute Bilder Basels, wie etwa die Dächer des Münsters.» Die architektonische Ansage ist klar. Es gibt in Basel nur zwei echte Kulturtempel: Das Münster und das Joggeli.
Quelle und weitere Infos: www.stadionplus.ch