«In Zeiten der Klimakrise schlicht verantwortungslos. Das falsche Material, am falschen Ort, falsch eingesetzt», enervierte sich Remo Thalmann in seinem Kommentar auf Instagram. Was ist passiert? Wir stehen im Wohnraum unter dem Dach der neuen Bebauung von Miller & Maranta Architekten an der Hardstrasse im Basler Gellertquartier. Rohe Sichtbetonwände prägen den Innenraum – und lösen überraschend viele emotionale Reaktionen aus.
In unserer Facebook-Community stiess das betonierte Wohnhaus auf grosses Echo. Über hundert Wortmeldungen zählte unser Post. «Erinnert mich an meine Zeit beim Zivilschutz» oder «Wann wird’s fertiggestellt?» gehörten dabei zu den freundlicheren Kommentaren. Offensichtlich hat Sichtbeton bei vielen Menschen nach wie vor einen schweren Stand. «Unruhige Architektur, unruhiger, hässlicher Beton – ich kenne richtig schönen Sichtbeton. Sieht aus nach unfertigem Rohbau», schrieb Beatrice Utzinger. Was die meisten LeserInnen nicht verstehen wollten: Brutalismus ist an der Hardstrasse Programm. Miller & Maranta zeigen sich überraschend radikal – und zelebrieren dabei (frei nach Erasmus von Rotterdam) das «Lob der Rohheit». Gerne nehmen wir euch mit auf einen fotografischen Rundgang.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Welche Rohheit? Das feine, metallische Kleid der Fassade lässt den inneren Brutalismus kaum vermuten. Die reflektierende Alufassade verleiht den Häusern Leichtigkeit und Eleganz. Die städtebauliche Setzung der Häuser ist äussert gelungen. Es entstehen dichte und spannungsvolle Aussenräume. Die Fassaden werden von wenigen Fenstertypen gegliedert. Die kecken Balkone an den Ecken dynamisieren das Volumen.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Wir starten in einer Erdgeschosswohnung. Sie verfügt über einen direkten Bezug zum Aussenbereich, wobei Betonschwellen den Raum fassen. Im Innern prägt der Boden aus einem dunkel-edlem Stäbchenparkett aus Räuchereiche das Wohnzimmer.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Edelrohbau Marke Miller & Maranta. Wir befinden uns im innenliegenden Treppenhaus. Die Materialisierung ist hier schnell erzählt: Beton und Stahl. Ein Geländer im klassischen Sinn gibt es nicht: Ein durchgehendes Drahtgewebe und einen Rundrohr-Handlauf löst die Absturzsicherung. Hatten wir eine ähnliche Lösung nicht erst gerade im Zürcher Zolllhaus gesehen?

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Fiat lux. Glühbirnen sorgen für Licht. In das Rundrohr wurde die Beleuchtung des Treppenhauses gekonnt integriert. Das nennt sich intelligenter Pragmatismus. Oder kurz: Gute Architektur.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Überzogen: Die Rohheit zeigt sich unter anderem im Zementüberzug der Treppenstufen. Hier wird definitiv nichts beschönigt. Perfektionisten mag diese Lösung abschrecken. Puristen werden sie lieben.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Und dann das: Oben angekommen betreten wir die Maisonette-Wohnung unter dem betonierten Dachgewölbe. Die kraftvolle Präsenz des rohen Sichtbetons prägt den Raum. Im Zentrum steht eine grosse Kochinsel. Auf Hochschränke wird gänzlich verzichtet. Kochen wird hier zum Event. Daniel A. Walser kommentierte: «Räumlich toll, frage mich einfach, wieso von oben beim Scheddach (?) kein Licht reinkommt?» Unsere Antwort: Der Raum ist schon komplex genug und zudem ausreichend belichtet.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Jørg Himmelreich befand humorvoll: «Gletschergarten für zu Hause.» Über eine einläufige Treppe geht es hoch auf die Galerie. Über das Parkett, welches auch die Stufen bekleidet, wird die räumliche Kontinuität gestärkt. Andreas Bernhard hatte einen Alternativvorschlag für die Küche: «Eine Küchenblock-Abdeckung aus ungewalztem Stahl wäre passend.» Why not?

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Rohheit ist auch bei der Treppenbrüstung Programm. Darüber, ob die vielen Abplatzungen vom Baumeister tatsächlich gewollt waren, kann nur spekuliert werden. Über handwerkliche Meisterschaft könnte hier ebenfalls diskutiert werden.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Schlafen unter dem Betondach? Hier werden für Betonliebhaber Träume wahr. Barbara Strebel befand «Hommage à Zahra Hadid’s Feuerwehrhaus.» Mit viel Fantasie könnte man das tatsächlich so sehen. Bei Leser Markus Fankhauser wurde hingegen die eigene Kreativität angeregt: «Perfäkti Graffiti-Wänd…»

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
«Rauh» und «roh» trennen zwei Buchstaben. Böse Zungen wie Alexandra Julia Petrasch behaupteten: «Verarbeitung könnte schöner sein. Aber bestimmt günstig, so ganz ohne Malerarbeiten.»

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Feller Standard, what else? Der Designklassiker kommt in edlem Schwarz daher und kontrastiert perfekt zum Sichtbeton, wobei auch hier die Qualität des Betons nicht über alle Zweifel erhaben ist.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Was für eine Badewanne! Unter dem grossen Dachfenster liegend, lässt sich perfekt in den Basler Stadthimmel schauen. Wir freuen uns auf das nächste ausgiebige Schaumbad.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Das grosse Dachfenster ermöglicht die natürliche Belüftung des Bads. Der integrierte Mechanismus garantiert, dass die Absturzsicherung gewahrt bleibt.

Wohnungen Hardstrasse in Basel von Miller & Maranta © Architektur Basel
Der Blick zurück auf die bereits bewohnten Häuser an der Hardstrasse: Die scharfkantigen Bauten setzen einen neuen architektonischen Akzent im Gellert. Villenquartier war definitiv gestern. Und dennoch: Die Geister werden an der Hardstrasse geschieden bleiben. Lob und Tadel folgten auf Facebook Schlag auf Schlag. Beispielsweise zeigte sich Markus Sherab Vögtli begeistert: «Da kann man wunderbar mit Farbeffekten arbeiten … Ich liebe Beton als Hintergrund.» Wittwer Roland befand: «Etwas trist, aber formschön.» Und Manuela Steinberger: «Wenn man Sichtbeton und geometrische Strukturen mag, warum nicht. Mir wäre es zu grau.» Yolanda Gürtler war schockiert: «Absolut abschreckend!» Im Gegenteil würde Yannick Sehn am liebsten einziehen: «Endlich Platz für meine extragrossen Kuckucksuhren!» Bei aller Polemik und Kritik: Der Markt hat Investorin Ecoreal und den Architekten recht gegeben. Alle drei Häuser sind vollvermietet. Bei den Atelierbauten gibt es nur noch einen kleinen Leerstand. In diesem Sinne und bei aller Rohheit: Ein voller Erfolg. Gratulation.
Text und Fotos: Céline Dietziker / Architektur Basel
weitere Infos zum Projekt > https://www.livingframes.ch/