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Nemausus-Effekt dank zeichenhaftem ReUse am Walkeweg: Alle rangierten Projekte im Überblick

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«Unter dem Radar», nennt es Kantonsbaumeister Beat Aeberhard. Es spricht vom Areal am Walkeweg. Hier sind zahlreiche, preisgünstige Wohnungen vorgesehen. «Low cost – low energy» lautet dabei das Credo. Beim offenen Wettbewerb für die beiden Baufelder C und D war zudem das zirkuläre Bauen in Form von ReUse Programm. Wortwörtlich: Neben dem klassischen Raumprogramm stand den Teams ein Bauteilkatalog zur Verfügung. Das Resultat ist ein spannender Diskussionsbeitrag zur Frage, wie eine neue, zirkuläre Architektursprache aussehen könnte. Die Entwürfe unterschieden sich dabei grundlegend: Von formaler Zurückhaltung bis zur expressiven Überhöhung. Mit dem Projekt «Elementa» von Parabase aus Basel konnte sich ein Projekt durchsetzen, dass das Thema der Wiederverwendung in einen zeichenhaften Ausdruck ummünzte. Wir werfen in unserem Artikel einen Blick auf alle acht rangierten Projekte.

Modellfoto "Am Walkeweg Bild" © Kanton Basel-Stadt

Stand Bebauungsplan: Das Areal am Walkeweg © Kanton Basel-Stadt

«Unter dem Radar zu fliegen, bietet Vorteile. Fern der epischen Ausmarchungen um die Entwicklung auf den grossen Basler Transformationsarealen, wie dem Klybeck oder der Hafen- und Stadtentwicklung, fristet das Areal Walkeweg ein Dornröschendasein», schreibt Kantonsbaumeister Beat Aeberhard im Jurybericht. Das könnte sich bald ändern. Neben dem Neubau für das Schulhaus und dem Genossenschaftsprojekt Walke wird auf den Baufeldern C und D radikaler ReUse erprobt. Die Newcomer Parabase konnten den Wettbewerb für sich entscheiden. Zentraler Bestandteil des Programms war ein Katalog bestehend aus gebrauchten Bauteilen. Wir müssen ehrlich sein: Das Angebot des öffentlich zugänglichen Katalogs von Immobilien Basel-Stadt, der auf der Vorlage desjenigen des Basel Pavillons basiert, ist noch ausbaufähig. Drei einzelne Küchen machen in Anbetracht von über hundert Wohnungen wenig Sinn – oder fast schon humoristisch: Sechs Wand-Urinale aus Keramik. Einige Kolleg:innen nannten ihn liebevoll den «Restpostenkatalog». Spannend waren vor allem die Betonteile des Lysbüchel-Parkhauses. Wenig überraschend wurden sie von den meisten Teams in den Entwurf integriert. Das Parkhaus soll dank dem Entwurf von Parabase am Walkeweg ein zweites Leben finden.

Bauteilkatalog © Immobilien Basel-Stadt

«Die breite und äusserst konstruktive Debatte kreiste letztlich um die Frage, wie sich das Thema Re-Use im architektonischen Ausdruck der neuen Bauten niederschlagen soll.» Das Siegerprojekt macht es explizit. Die robusten Parkhausdeckenlemente werden unverkrampft als Fassadenverkleidung eingesetzt. Abseits Frage der Angemessenheit setzen Parabase auf den Nemausus-Effekt. Das gleichnamige Projekt von Jean Nouvel setzte Ende der 1980er-Jahre ein starkes Zeichen für einen Neuinterpretation des sozialen Wohnungsbaus in Frankreich. Ähnliches soll in Sachen Re-Use am Walkeweg gelingen. Beat Aeberhard fasst die Intention folgendermassen zusammen: «Das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Aufgabenstellung kann über eine kräftige Ästhetik, die der ehrgeizige und selbstbewusste Einsatz der wiederverwendeten Bauteile schafft, weiter gestärkt werden. Das Preisgericht war sich trotz der möglicherweise polarisierenden Wirkung in der öffentlichen Wahrnehmung einig, Re-Use an sich soll zu einem spezifischen Gebäudeausdruck führen. Das mag man als didaktischen oder akademischen Diskurs abtun. Wichtig und richtig ist aber, dass Re-Use mit Nachdruck in unserer Gesellschaft verankert und sichtbar wird.»

Bild aus Fotodokumentation zur Altlastensanierung
(Aufnahme 25.05.2022) Quelle: ARGE Eberhard

Insgesamt nahmen achtzehn Teams am offenen Wettbewerb teil. Das ist für Basler Verhältnisse eher wenig. Wahrscheinlich hatte es mit der fast zeitgleichen Publikation des Wettbewerbs «Pilotprojekt Schliengerweg Netto Null 2040» zu tun. Hier wäre seitens Behörden ein besseres Timing wünschenswert gewesen. Aeberhard zieht dennoch ein positives Feedback: «Bemerkenswert am relativ überschaubaren Teilnehmerfeld ist allerdings der grosse Anteil an jungen, noch weitgehend unbekannten Basler Büros. Damit beweist es sich einmal mehr, dass offene Wettbewerbe jungen Berufsleuten eine Möglichkeit zum Einstieg in die Selbständigkeit bieten.» Das ist so. Für die Nachwuchsförderung ist und bleibt der offene Wettbewerb essenziell. Umso bedauerlicher ist es, dass 2023 in Basel bisher kein einziger ausgeschrieben wurde. Das wird sich hoffentlich noch ändern. Alles andere wäre es ein schlechtes Zeichen in Sachen Nachwuchsförderung. Gerne verlieren wir ein Wort zum Städtevergleich Basel gegen Zürich. Nachdem in den letzten Wohnbauwettbewerben stets die Limmatstädter reüssierten, kehrte der Wind am Walkeweg: Auf dem Podest standen ausschliesslich Basler Büros.

Fazit: Der Wettbewerb lieferte einen spannenden Beitrag zur Frage der architektonischen Umsetzung des zirkulären Bauens. Wie sehen unsere Häuser aus, wenn sie nicht mehr ausschliesslich aus neuwertigen Bauteilen bestehen? «Gut möglich, dass der selbstbewusste und offensive Umgang mit Re-Use auf den Baufeldern C und D das Areal Walkeweg im Nu auf den Radar hievt, sowohl in Fachkreisen als auch im städtischen Diskurs», fasst Beat Aeberhard seine Gedanken zusammen. Es bleibt zu hoffen. Was es unbedingt braucht, ist der weitere Diskurs. Der Wettbewerb macht einen inspirierenden Anfang.

Die nachfolgenden Projektbeschriebe stammen aus dem Jurybericht.

Info: Wettbewerbsausstellung
Die Wettbewerbsergebnisse sind vom 6. bis zum 16 Juni 2023, montags bis samstags von 12.00 bis 17.00 Uhr an der Uferstrasse 90 ausgestellt. Die Vernissage findet am Montag, 5. Juni 2023 um 18.00 Uhr ebenfalls an der Uferstrasse statt.


1. Rang/1. Preis
ELEMENTA
PARABASE, Basel

© PARABASE

Das Projekt ELEMENTA überzeugte die Jury aufgrund seines spezifischen, durch Re-Use geprägten Ausdrucks, der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit sowie der sorgfältigen Durcharbeitung. Die städtebauliche Setzung sieht sechs Zeilen vor. Das Baufeld C wird durch drei Durchgänge souverän verbunden mit der Urbana Iulia-Strasse, an welche die Zeilen von Baufeld C andocken. Alle Wohnungen werden von Norden her erschlossen, bei Baufeld C über durchgehende und bei den MIZE-Wohnungen über unterbrochene Laubengänge. Für Baufeld D sind Triplexreihenhäuser vorgesehen. Die Gebäude sind rational aufgebaut. Das Tragsystem besteht aus einer gelungenen Kombination von alten und neuen vorfabrizierten Bauteilen. Dies ermöglicht nicht nur eine gute Bauteiltrennung für den nächsten Lebenszyklus der Bauten, sondern erlaubt dank nicht tragender Innenwände eine hohe Umnutzungsflexibilität.

Wohnungsbau am Walkeweg © Parabase

Bestechend ist der architektonische Ausdruck der Bauten, die das Thema Re-Use gekonnt umsetzen. Die Hoffnung, dass Re-Use zu einer neuen Ästhetik führt, wird hier erfüllt. Die latent industriell anmutenden, wiederverwendeten Bauteile werden domestiziert durch eine feine konstruktive Detaillierung und differenzierte Gestaltung der Fassaden. Diese Sorgfalt soll bei der zukünftigen Planung weiter kultiviert werden. Auch nicht visualisierte Fassaden sollen auf ein entsprechendes Niveau geführt werden.

© PARABASE

Die Atmosphäre des Ortes lebt auch von der starken Begrünung der Freiräume. Der Bewuchs der Bauten soll offensiv angegangen werden. Das Projekt überzeugt mit einer sinnvollen Freiraumschichtung, die differenzierte Grade an Öffentlichkeit aufweist. Die gemeinschaftlichen Erschliessungs- und Begegnungsräume befinden sich im Baufeld C jeweils im Norden der Gebäude. Die Treppentürme gliedern den Raum geschickt und schaffen im Zusammenspiel mit den Veloabstellplätzen und dem leichten Hochparterre eine wirkungsvolle Zonierung der Höfe. Südseitig werden den Wohnungen ebenerdige Terrassen zugewiesen, die von einem glaubhaften Vegetationspuffer umgeben sind und die von den Bewohnenden angeeignet werden können. Im Baufeld D wird aufgrund der räumlichen Gegebenheiten auf gemeinschaftliche Bereiche verzichtet und es werden grosszügige Privatgärten angeboten, die angemessen sind für die Familienwohnungen. Die Durchwegung in Nord- Südrichtung ist sinnvoll positioniert und bietet durch die Spiel- und Aufenthaltsbereiche in den Zwischenräumen der Gebäude eine spannende Freiraumsequenz. Das Projekt strahlt eine angenehme Gelassenheit aus. Das Thema der Nachhaltigkeit wird auch im Freiraum überzeugend vorgetragen.

© PARABASE

Die soziale Nachhaltigkeit manifestiert sich durch eine gute Durchwegung und ansprechende Begegnungsorte im gemeinschaftlich genutzten Raum. Re-Use wird bei diesem Projektansatz zu einem selbstbewussten Entwurfs- Element, welches jedoch durch die spezielle Ästhetik auch polarisierende Wirkung haben kann. Das Wohnungsangebot ist vielfältig und unterstützt die angestrebte Durchmischung. Teilweise sind die vorgegebenen Wohnungsflächen überschritten, was in der weiteren Bearbeitung überprüft werden muss. Das Projekt zeigt eine starke Auseinandersetzung mit wichtigen Punkten der Leitidee der Entwicklung: Es entsteht ein Lebensraum mit hoher Wohnqualität. Bei ELEMENTA handelt es sich um ein mutiges Projekt, das die Jury mit dem 1. Preis würdigt und zur Ausführung empfiehlt.

 

2. Rang/2. Preis
Living garden
BGM ARCHITEKTEN GmbH, Basel

© BGM Architekten

Die Stärke des Projekts Living garden liegt in der Schaffung eines nachbarschaftsfördernden Wohnumfeldes. Die städtebauliche Setzung sieht fünf Zeilenbauten vor mit stark begrünten Zwischenräumen: Stadtgärten auf Baufeld C, Privatgärten auf Baufeld D. Die primäre Erschliessung auf Baufeld C erfolgt überraschenderweise in Querrichtung zu den Zeilen über einen Weg, der durch die Zeilendurchbrüche mäandriert und jedoch unvermittelt beginnt und endet. Akzentuiert wird der Weg durch einen Platz, an dem der Gemeinschaftsraum sowie die Sitzungszimmer des MIZE angeordnet sind. Dessen administrativen Räume befinden sich im EG des südwestlichsten Zeilenbaus, dessen Wohnungen liegen jedoch verteilt über die drei Zeilen, was für den Betrieb des MIZE nicht praktikabel ist. Baufeld D wird über die Urbana Iulia-Strasse primärerschlossen. Die sekundäre Erschliessung der Zeilen erfolgt auf beiden Baufeldern über schmale, gedeckte Wege entlang der Nordfassaden.

© BGM Architekten

Der architektonische Ausdruck der Bauten wird bestimmt durch die dem Baukörper vorgelagerte südliche Terrassenschicht und die ebenfalls vorgelagerten nördlichen Treppentürme. Deren Bewuchs mit Pflanzen stellt eine starke Verbindung mit den Stadtgärten her und lässt die generisch anmutenden Fassaden in den Hintergrund treten. Die Wiederverwendung von Bauteilen kommt vielfältig zum Einsatz, ist unauffällig und wird nicht explizit zum Thema gemacht. Die äusseren Stirnseiten der Zeilen wirken dank der Befensterung und der farblichen Differenzierung ansprechend. Im Innern strukturiert die neue Holzskelettkonstruktion die Räume angenehm und verleiht ihnen eine wohnliche Atmosphäre.

© BGM Architekten

Das Projekt Living garden nimmt die Leitidee aus dem Programm ernst und schafft eine maximal durchgrünte Oase, die neben Rückzugsmöglichkeiten auch nachbarschaftliche Begegnung verspricht. Der organisch gestaltete Freiraum schafft zudem einen willkommenen Kontrast zur orthogonalen Bebauungsstruktur. Weniger gelungen ist der undifferenzierte Umgang an den Nahtstellen ins Quartier. Die Ausbildung der Erdgeschosszone ist überzeugend und die gewählte Formensprache bildet ein robustes Gerüst. Mit der starken Durchgrünung, den Retentionsflächen und dem Verzicht auf versiegelte Beläge in den Gärten leistet das Projekt einen Beitrag zur Hitzeminderung im Quartier.

© BGM Architekten

Das Projekt zeigt eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung «wer kann hier in welcher Wohnung wie wohnen?» und mit wichtigen Punkten der Leitidee der Entwicklung: Es entsteht ein einladend und wohnlich wirkender Lebensraum, der eine hohe Wohnqualität ausstrahlt. Das Wohnungsangebot ist vielfältig und unterstützt die angestrebte soziale Durchmischung. Mit räumlichen Erfindungen für die Aussen- und Innenräume wie z.B. den Stadtgärten oder den Wohnhallen leistet das Projekt Living garden einen attraktiven Beitrag zur gestellten Aufgabe. Der Vorschlag überzeugte die Jury jedoch nicht auf allen Ebenen, weshalb das Projekt letztlich nicht zur Weiterbearbeitung empfohlen wird.

 

3. Rang/3. Preis
BOSTITCH
Atelier Atlas Architektur GmbH, Basel

© Atelier Atlas Architektur

Das Projekt BOSTITCH überzeugt durch den fundierten Umgang mit dem Thema Re-Use, das nicht nur Zugabe ist, sondern zum bestimmenden Entwurfsthema gemacht wird. So wird unter Verwendung der Betonrippen aus dem Lysbüchel-Parkhaus schlüssig das bauliche Rückgrat für die neuen Quartierbausteine entwickelt, an dem nach Bedarf weitere Raumschichten in Leichtbauweise angefügt werden. Das Projekt interpretiert die städtebaulichen Zeilen zu Reihen von jeweils vier leicht versetzten Einzelbauten weiter.

© Atelier Atlas Architektur

Mag die dadurch erreichte Kleinteiligkeit im Übergang zum Baufeld D zu vermitteln, wirkt sie im Bereich der Emilie Louise Frey-Strasse eher verunklärend. Mit der Drehung der schmalen stirnseitigen Bauten entstehen Kopfbauten, die sich entlang des Gleisbogens staffeln und ein markantes Gegenüber zum Hochpunkt auf Baufeld E bilden. Diese Interpretation einer Zeile mit Kopfbau wird sehr kontrovers diskutiert. Es entsteht eine Torsituation, die den Übergang von der Nachbarschaft zum Binnenraum innerhalb des Baufeldes markiert.

© Atelier Atlas Architektur

Geschickt werden die vorhandenen Strassen für die Erschliessungen und Feuerwehrzufahrten genutzt: Während sich die Eingänge in den beiden südlichen Reihen an der Werkgasse gegenüberliegen, wird die nördliche Reihe von der Dora Schmidt-Strasse her erschlossen. Die Durchlässigkeit in Nord-Süd Richtung ist aufgrund der Aufsplittung der Zeile, so hoch, dass einzelne Durchgänge beinahe redundant erscheinen. Die Anordnung des MIZE in der nördlichen Reihe erscheint folgerichtig und sinnvoll. Die Aussenraumgestaltung des Projekts BOSTITCH zeichnet sich durch die Versätze in den Zeilen aus, die zu spannenden räumlichen Bezügen führen. Durch das Versetzen und Abdrehen der Baukörper vom Baufeld D entsteht eine interessante Verzahnung im Aussenraum. Durch das Erschliessungskonzept kann der mittlere Hof vom Verkehr freigespielt werden und präsentiert sich als geschützte, grüne Oase. Im Gegensatz dazu bietet die Werkgasse, dank grosszügiger offener Bereiche, eine andere Aufenthaltsqualität sowie vielfältige Aneignungsmöglichkeiten.

© Atelier Atlas Architektur

Das Projekt BOSTITCH stösst in der Jury interessante Diskussionen an, zum Beispiel zu den Grundzügen der Reihen im Bebauungsplan oder zur Frage, wie sich Re-Use zukünftig formal manifestieren wird. Im konkreten Projekt wird aber für diese innerstädtische Randlage eine kräftigere und spezifischere Architektur vermisst. Das Projekt überzeugt durch bewussten Einsatz von Materialien, Versickerungselementen und zusammenhängenden Grünflächen in einer nachhaltigen Umgebungsgestaltung. Die einfache Formensprache und die stark reduzierte Materialauswahl für die Beläge tragen zu einem harmonischen Gesamtkonzept bei.

 

4. Rang/4. Preis
DELTA
MADE IN, Genf

© made in

Die Projektverfassenden schlagen vor, das Baufeld C mit drei langen Zeilenbauten und das Baufeld D mit einem solitären Hofgebäude auf dreieckiger Grundrissfigur zu besetzen. Die städtebauliche Disposition besitzt eine grosse Klarheit, gleichzeitig tendiert sie darin zu einem Schematismus. Eine Querung in nord-südlicher Richtung ist über Durchgänge im Erdgeschoss vorgesehen, vermag aber räumlich nicht als solche zu überzeugen. Die nördlichste Zeile und der Solitär auf Baufeld D kommen sich sehr nahe. Die Kernidee des Projektes offenbart sich im Querschnitt der drei Zeilen. Auf Basis der unterschiedlichen Längen der wiederverwendeten Rippendeckenelemente wird ein im Süden terrassierter Gebäudetyp vorgeschlagen. Die Schnittfigur ist eine interessante Interpretation im Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Material und verspricht aufgrund abnehmender Gebäudetiefe Wohnungen mit unterschiedlichen Qualitäten, tollen Aussenräumen und guter Belichtung. In Verbindung mit der Lifterschliessung wird ein Wohnen geschaffen, das allerdings wenig «gemeinschaftlich » ist.

© made in

Die vorgeschlagene Schnittlösung ist konstruktiv gut durchdacht und beschrieben. Den sehr unterschiedlichen Bautypen entspricht eine ebenso klare Nutzungsdisposition, indem das Baufeld C ausschliesslich dem Wohnen und das Baufeld D dem MIZE zugeordnet werden. Die Verfassenden schaffen damit zwei eigenständige und doch ähnliche Welten, in denen die Leitidee der Projektentwicklung spürbar wird. Es entstehen Räume mit spezieller Stimmung, speziellen Wertigkeiten und hohem Identifikationspotenzial. Auch die Wirkung einer grünen Oase scheint in beiden Welten erzielbar zu sein. Insbesondere das MIZE begrüsst den Vorschlag hinsichtlich stadträumlicher Lage, Gebäudetypologie und Betrieb, obschon er wenig zur alltäglichen Integration beiträgt. Es stellt sich die Frage, ob der Entwurf den skizzierten Zielgruppen entspricht, oder ob er sogar zu einer Stigmatisierung beitragen könnte. Auf der Ebene des Wohnens weist das Hofgebäude grössere Schwierigkeiten auf. So ist insbesondere die Raum-zu-Raum-Erschliessung der Grundrisstypologie bei der hohen Belegungsdichte kaum umsetzbar. Auch die direkte Erschliessung der einzelnen Wohnungen mit einer grossen Zahl an Aufzügen ist hier nicht sinnfällig.

© made in

Das Projekt stellt einen eigenständigen Beitrag dar, der auf einem interessanten Umgang mit den wiederzuverwenden Elementen basiert. Leider werden damit starre Bedingungen geschaffen, die auf verschiedenen Ebenen Probleme erzeugen, sodass die Jury das Projekt nicht zur Weiterbearbeitung empfiehlt.

5. Rang/5. Preis
Méta-Matics
kollektive architekt, Basel

© Kollektive Architekt

Die Projektverfassenden schlagen vor, das Baufeld C mit drei identischen Zeilenbauten zu besetzen, die jeweils einmal unterbrochen werden, um eine Nord-Süd-Wegverbindung zu eröffnen. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, warum diese Lücken zweimal korrespondieren und einmal versetzt sind. Der Versatz unterstützt vermutlich nur bedingt die sogenannte Quartiersmitte. Sie erscheint eher gesucht und eine Reaktion in der Architektur mit gemeinschaftlichen Nutzungen bleibt aus. Ebenfalls unglücklich erscheint der Zielpunkt der Wegführung auf Baufeld D, der Hauseingang bildet und die öffentliche Wegverbindung privat enden lässt. Das Baufeld D wird mit einem winkelförmigen Bau besetzt, der im Osten einen Waldspielplatz umgreift.

© Kollektive Architekt

Differenziert ausgearbeitet sind die Freiräume: Mit dem Platzhof, dem Gartenhof und dem Waldspielplatz werden drei Typologien entwickelt, die ein vielfältiges Nutzungsangebot schaffen und Potential für einen lebendigen und gemeinschaftsfördernden Raum haben. Während sich die Gartenhöfe selbstverständlich mit dem Naturraum am Gleisbogen verzahnen, wird der urbane Übergang von der Dora Schmidt-Strasse auf die Platzräume kritisch beurteilt. Der öffentliche Charakter im Zusammenspiel mit bodennahem Wohnen bietet Konfliktpotential. Die fehlende räumliche Abgrenzung verunklärt zudem die Adressierung. Die zurückhaltende Möblierung der Hofräume bietet Potential zur Aneignung. Die zusätzlichen Freiräume der Dachlandschaft stellen eine interessante und attraktive Ergänzung dar. Fraglich sind die Notwendigkeit der Verbindungsstege und die potentielle Verlagerung von Leben auf die Dächer, was die angestrebte Lebendigkeit des Erdgeschosses schwächt.

© Kollektive Architekt

Das Projekt ist der einzige Vorschlag, der vom Angebot, Bauteile wiederzuverwenden keinen Gebrauch macht. Die Projektverfassenden argumentieren damit, dass sich die Bauteile für den Wohnungsbau nicht eignen und in ihrer Anzahl auch nicht ausreichen würden. Stattdessen schlagen sie Holzbauten vor, die nach den heutigen Kenntnissen des zirkulären Bauens erstellt werden sollen – das Re-Use wird damit quasi in die Zukunft verschoben. Die Holzbauten sind dementsprechend sehr rationell als Skelettbauten mit drei Tragachsen aufgebaut. Die durchgehende Struktur widerspiegelt sich auch in einem durchgehend gleichen Wohnungstyp. Davon ausgenommen sind die Reihenhäuser auf dem Baufeld D. Die Räumlichkeiten des MIZE befinden sich im Baufeld C, orientiert in Richtung Schule und Iris-von- Roten-Platz. Ob sich dieser stark integrative Charakter des MIZE im Alltag bewährt, bleibt offen.

© Kollektive Architekt

Der fein und sorgfältig gezeichnete Beitrag kommt ohne Bilder aus und lässt so vieles noch offen. Unklar bleibt dabei auch, inwiefern die Überbauung über die äussere Erscheinung ein identitätsstiftendes Gepräge erhält. Das einzig «expressive» Moment besteht mit den aussteifenden Diagonalen in den vorgestellten Balkonstrukturen. Vielleicht ist die Gelassenheit der vorgeschlagenen Architektur aber gerade eine wesentliche Qualität des Beitrags. Das Projekt wird von der Jury geschätzt, weil es eine starke Auseinandersetzung mit wichtigen Punkten der Leitidee der Entwicklung zeigt: Es entsteht ein einladend wirkender Lebensraum, der eine hohe Wohnqualität verspricht. Vermisst wird schlussendlich doch die fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema Re-Use.

 

6. Rang/6. Preis
NETZ
Stefan Wülser+, Zürich

© Stefan Wülser+

Das Projekt NETZ nimmt zwei wesentliche Teilaspekte aus dem Gestaltungsplan auf und arbeitet sie als Gegensatzpaar konsequent durch: die effizienten beheizten Baukörper und die aussenliegende Erschliessung. Die beheizten Baukörper sind dabei maximal kompakte, lange Riegel in Holzbauweise. Die Aussenerschliessung liegt quer dazu und ist als feingliedrige Folly bestehend aus farblich akzentuierten Brücken, Treppen und Laubengängen konzipiert. So reizvoll dieser simple Ansatz ist, so tückisch ist dessen Implementierung in die entstehende Nachbarschaft. Zum einen topographisch: Durch die Hanglage des Grundstücks müssen die Brücken von Riegel zu Riegel ein nicht unwesentliches Gefälle aufweisen. Zum anderen binden die Brücken den Baustein C zu einem abgeschlossenen Baustein zusammen, was die Vernetzung mit der Nachbarschaft und die Verzahnung der Grünräume stört.

© Stefan Wülser+

Drei, respektive zwei Riegel gleicher Länge besetzen die beiden Baufelder C und D. Der zusätzliche Freiraum zum Gleisbogen wird mit einer durchgehenden Viergeschossigkeit im Bereich C erkauft. Das ortsbildprägende Gartenmotiv verlagert sich aus den Gassenräumen an den Gleisbogen. Mit den vorgelagerten Treppen und Laubengängen kommen die Gassen zusehends in Bedrängnis. Alle Wohnungen sind bemerkenswerterweise mit insgesamt nur sechs Liften erschlossen. Der mittlere Riegel im Baufeld C wird viermal durchbrochen. Die räumliche Qualität dieser innenliegenden Durchgänge ist fraglich. Aufgrund der etwas rudimentären Angaben ist die barrierefreie Erschliessung nicht ersichtlich, sie erscheint jedenfalls umständlich.

© Stefan Wülser+

Die Orientierung und die Adressierung innerhalb des Netzes sind sehr anspruchsvoll. Die Projektverfassenden haben auf Basis der städtebaulichen Setzung eine gut nachvollziehbare Freiraumgliederung entwickelt. Die langen Hofräume vom Baufeld C werden durch Infrastrukturelemente, sowie die Grün- und Belagsflächen angemessen rhythmisiert. Das leichte Hochparterre erwirkt eine überzeugende Abstufung in private und öffentliche Bereiche und schafft damit Potential für Gemeinschaft. In Frage gestellt wird jedoch die fehlende räumliche Abgrenzung der Privatgärten im Erdgeschoss zu den Erschliessungsräumen. Unverständlich ist zudem, wieso in den nicht unterkellerten Hofräumen der Anteil an Grünflächen so klein ist, und keine Baum- oder Strauchpflanzungen vorgeschlagen werden. Diese könnten den karg anmutenden Gassenräumen die nötige Tiefenstaffelung, Identität und Atmosphäre verleihen und gleichzeitig mikroklimatisch wirken. Die Vielzahl der Erschliessungen erzeugt im Freiraum keinen Mehrwert, da sie nicht aneigenbar sind.

© Stefan Wülser+

Mit der Erschliessung quer von Riegel zu Riegel überwindet das Projekt NETZ die fast unvermeidliche Differenzierung in zwei unterschiedlichen Seiten und lässt unerwartete neue Nachbarschaftsbezüge erwarten. Die Vernetzung und die hohe Durchlässigkeit innerhalb des Bausteines stehen im Kontrast zu der eher abweisenden Aussenwirkung.

 

7. Rang/7. Preis
JOLLY JUMPER
Julian C. Fischer Architekten GmbH, Zürich

© Julian C. Fischer Architekten

Die Projektverfassenden schlagen dem Masterplan folgend vor, das Baufeld C mit drei Zeilenbauten in nord-südlicher Orientierung zu besetzen. Auch die geforderte Querung wird durch eine Teilung der Zeilen erfüllt, erscheint allerdings über die Versätze und den nördlichen Anknüpfungspunkt wenig motiviert. Auch das Baufeld D wird mit Zeilenstücken, hier mit einer Ost-West-Orientierung, besetzt. Aufgrund des spezifischen Parzellenzuschnitts kann damit nicht wirklich ein überzeugendes städtebauliches Muster erzeugt werden: acht Einheiten erhalten freie Sicht nach Osten, die anderen vier stehen «hinter» einem vorderen Haus. Die Wohnsiedlung erhält über kleine Platzbildungen eine klare Adressierung an der Dora Schmidt-Strasse, was im Zusammenspiel mit den Gemeinschaftsräumen und Büronutzungen im Erdgeschoss einen gelungenen Übergang ins Quartier schafft.

© Julian C. Fischer Architekten

Die Aussenräume zwischen den Zeilen sind in eine Erschliessungsstrasse und einen privat gelesenen Freiraum gegliedert und insgesamt wenig ausformuliert. Weder die Pläne noch das Bild machen klare Aussagen, wie der Freiraum gestaltet sein soll, noch wie er, auch unter dem Gesichtspunkt einer gemeinschaftlichen Nutzung, funktionieren würde.

© Julian C. Fischer Architekten

Die Verwendung von Obstgehölzen ist aufgrund der Geschichte des Areals nachvollziehbar. Allerdings sind sie hinsichtlich Atmosphäre, Beschattung und Aufenthaltsqualität in der linearen Anordnung nicht stimmig und wirken steif. Positiv aufgefallen ist das Projekt aufgrund seiner plastischen Ausformulierung der Baukörper, bei der die Aussenerschliessungen in nordseitigen «Halbhöfen» zu liegen kommen und dadurch den Freiraum ein Stück von diesen Erschliessungen befreien. Sie haben das Potential übersichtliche Nachbarschaften zu schaffen.

© Julian C. Fischer Architekten

Schliesslich erzeugen diese nordseitigen Abwicklungen spezifische und schöne Wohnungen, bei denen der Ess-/Kochbereich die nachbarschaftliche Mitte der Treppe umgreifen. Alle anderen Räume sind demgegenüber gut «privatisiert» und über ihre Abschliessbarkeit für verschiedene Wohnformen geeignet. Auch die Erdgeschosswohnungen verfügen mit einem Absatz und entsprechender Überhöhe über hohe räumliche Qualitäten. Trotz der genannten Qualitäten bei der Erschliessung und den Wohnungen kann das Projekt die Jury insgesamt nicht überzeugen. Die Schwächen sind insbesondere bei den Freiräumen und dem architektonischen Ausdruck zu sehen.

 

8. Rang/8. Preis
LIVING ITS SECOND BEST LIFE
Fiechter & Salzmann Architekten GmbH, Zürich

© Fiechter & Salzmann Architekten

Das Projekt LIVING ITS SECOND BEST LIFE legt grossen Wert auf eine starke Durchgrünung beider Baufelder, die durch je drei Zeilenbauten gegliedert werden. Auf Baufeld D werden drei Reihenhauszeilen mit Triplexwohnungen und Privatgärten vorgesehen. Auf Baufeld C werden drei Zeilen mit Geschosswohnungen angeboten, denen im Norden die Erschliessung als Türmchen und im Süden die privaten Aussenräume als Gartenzimmer vorangestellt werden. Beide Strukturen werden als Stahlkonstruktionen ausgebildet, die eine Berankung begünstigen.

© Fiechter & Salzmann Architekten

Das Projekt zeichnet sich durch einen hohen Anteil an qualitativen, vegetativen Elementen aus, was eine angenehme Wohnatmosphäre bis in die oberen Geschosse verspricht. Zudem führt die durchgrünte Umgebung zu einer selbstverständlichen Verzahnung mit dem Friedhofsareal und dem Gleisbogen. Die starke Kammerung der Wohngassen durch die gestaffelten Gartenzimmer und Treppenhäuser schmälert allerdings die Grosszügigkeit der grünen Längsverbindung. Die Anschlusshöhen weichen teilweise stark ab von den Vorgaben. Leider haben die grosszügigen Pufferflächen zur Folge, dass die Mehrheit der gemeinschaftlichen Aufenthaltsbereiche auf Dachterrassen angeordnet werden muss, was die nachbarschaftlichen Begegnungen auf der Quartierebene mindert.

© Fiechter & Salzmann Architekten

Die gemeinschaftlich genutzten Dachterrassen vermögen zudem nicht zu überzeugen; sie schmälern einerseits die PV-Flächen auf den Dächern und sind andererseits eingeklemmt zwischen eben diesen PV-Anlagen und dadurch nur bedingt attraktiv. Das Migrationszentrum liegt kompakt in der südlichen Zeile in der Quartiermitte, ist dort jedoch zu öffentlich gelegen. Ein Abtausch mit der nördlichen Zeile wäre angezeigt.

© Fiechter & Salzmann Architekten

Die Wohnungen sind insgesamt gut zoniert und die Zimmer wohlproportioniert. Die Schlafzimmer in den EG-Wohnungen von Baufeld C sind exponiert und werden durch die Lage der Velostandplätze beeinträchtigt. In den oberen Geschossen leidet die Privatheit der Schlafzimmer durch die vorgelagerten Gartenzimmer der benachbarten Wohneinheit. Die Grosswohnungen auf Baufeld D sind alle und teilweise sogar massiv grösser als bestellt, was sich ungünstig auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt. Die Verwendung von bestehenden Bauteilen erfolgt im Innern durch Verwendung der Betondeckenrippen sowie aussen durch Verwendung von Stahlträgern, Gittern und Trapezblechen und Alupaneelen. Die Fügung der Fassadenpaneele verleiht den Häusern einen feingliedrigen, leichten Ausdruck. Das Projekt weist eine sorgfältige Durcharbeitung auf, überzeugte die Jury jedoch nicht auf der Ebene der Anordnung und Gestaltung von Gemeinschaftsflächen.

 

 

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