Pratteln wächst. Am Bahnhof wird in den nächsten 20 Jahren etappenweise der neue Stadtteil «Bredella» entstehen. Der Masterplan und das Richtprojekt zur Transformation des Industriegebiets in ein Stadtquartier stammt aus der Feder des Architekturbüros Burckhardt+Partner. Kennzeichnend für den Entwurf ist das Zusammenspiel ausgestalteter Stadt- und vielseitiger Lebensräume sowie die Transformation historischer Industriehallen. Das Projekt soll eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des gesamten Bahnhofgebiets übernehmen.
In Pratteln, nördlich vom Bahnhof, soll aus einem 87’000 m2 grossen Industriequartier ein Stück Stadt werden. Diese Entwicklung ist nicht ganz überraschend, denn Pratteln wächst und das Gebiet um den Bahnhof ist bereits heute stark im Wandel. Früher gehörte das Areal den beiden Schlossereien Buss AG und Rohrbogen AG. Die Buss AG war seit 1893 dort ansässig und produzierte unter anderem Elemente für die Mittlere Brücke in Basel. Heutzutage zieht sich die Industrie immer mehr aus dem Gebiet zurück. Seit 2001 ist das Areal im Besitz der Bredalla AG. Es sind viele unterschiedliche Firmen auf dem Gelände ansässig.
Als auf dem Areal 2015 eine Halle leer stand, kontaktierte der Grundeigentümer das Architekturbüro Burckhardt+Partner, um mit ihnen eine zukunftsweisende Idee für das leerstehende Gebäude zu entwickeln. Schnell wurde das Potential des Ortes erkannt und aus einer Studie für ein einzelnes Gebäude, entwickelte sich eine umfassende Studie für die Zukunft des ganzen Areals.
So soll im Agglomerationsraum eine neue Form der Urbanität entstehen. Dass so ein grosser Perimeter auf einmal entwickelt wird, betrachten die Architekten als einmalige Chance, um die Entwicklung von Pratteln weiter zu bringen und um eine gesamtheitliche Idee zu entwickeln. Denn so könne weitergedacht werden, als wenn nur ein einzelnes Hochhaus gebaut wird, wie das zurzeit um das Areal herum mehrfach geschieht. Es handelt sich um mehr als nur eine klassische Arealentwicklung, da das grosse Areal nördlich der Geleise als verbindender Baustein funktionieren soll. Für die Planung werden Leitsätze entwickelt, die bei der weiteren Planung zur Qualitätssicherung dienen sollen.
Das neue Areal lässt sich in drei unterschiedliche Gebiete einteilen. Da sind einerseits die Gebäude entlang der Geleise in denen Wohnen und Arbeiten realisiert werden soll. Dazu gehört auch ein grosser Bahnhofsplatz mit Busterminal und öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen. Der grösste Teil nimmt die Wohnüberbauung ein, welche sich U- Förmig um den dritten Teil in der Mitte des Areals schmiegt. Diese wird geprägt durch zwei alte Industriehallen, welche erhalten werden sollen und einem Hotelturm, welcher am Bahnhofsplatz steht. Das Hotel könnte für Events auf die bestehenden Hallen zurückgreifen. Für diese sind momentan noch viele Nutzungen denkbar. Von der Konzerthalle, bis zur Schule ist alles möglich und es sollen – ähnlich dem Gundeldinger Feld – auch verschiedene Nutzungen nebeneinander existieren können.
Parallel zu den Geleisen, ein Häuserblock weiter hinten, soll die «neue Bahnhofsstrasse» als Hauptachse entstehen. Vor der Witterung geschützt, soll man an Läden vorbei schlendern können. Ansonsten gibt es im gesamten Areal nur noch eine weitere Strasse für Autos, welche quer zur Bahnhofsstrasse verläuft. Vom Bahnhofsplatz bis zu den Wohnhöfen gibt es mehrere Abstufungen von Öffentlich zu Privat. So sollen verschieden Qualitäten von Aussenräumen entstehen. Nach den Strassen folgen Promenaden für den Langsamverkehr. Unterschiedlich ausgestaltete Quartierplätze bilden öffentliche Aufenthaltsräume. Die Promenaden werden in einer weiteren Verfeinerung von Gassen abgelöst, welche als feinmaschiges Wegnetz dienen und abschliessend folgen die Wohnhöfe als Rückzugsorte für die Bewohner. Im Unterschied zur Bahnhofstrasse und der Überbauung entlang der Geleise, wo im Erdgeschoss kein Wohnen angeboten wird, soll im Wohnquartier das Hochparterre hauptsächlich der Wohnnutzung dienen. Dazwischen sollen vereinzelt Quartiernutzungen wie Coiffeur, Kita oder einem Quartiertreffpunkt entstehen.
Die neuen Wohnungen sollen für den Durchschnitt bezahlbar sein. Genossenschaften als Bauträger stehen dabei nicht im Vordergrund, da diese gemäss Architekten bereits bei der «Zentrale Pratteln» geplant würden. Zum jetzigen Planungszeitpunkt sollen ca. 65% Wohnungen, 13% Büros, 12% Hotel & Gastronomie und diverse weiter Nutzungen vorgesehen.
Als Basis für den Quartierplan, welcher in etwa einem halben Jahr eingereicht werden soll, erarbeitet Burckhardt+Partner einen Katalog an Bauregeln. Dieses soll dabei behilflich sein, dass aus den Visionen Architektur werden kann. So sollen wichtige Grundsätze verbindlich festgelegt werden, aber gleichzeitig noch genügend Spielraum für die Gebäudeentwürfe offenbleiben. Die gezeigten Visualisierungen stellen noch keine Architektur dar, erklären die Architekten. Diese stellen mehr eine Art Testprojekt zur Entwicklung der Bauregeln und Visualisierung der beabsichtigten Qualitäten dar.Die Visualisierungen vermitteln somit eine Idee wie es aussehen könnte. Burckhardt+Partner erachten es als wichtig ins Detail zu gehen, um die architektonische Intention erklären zu können.
Das Areal soll in drei Etappen bebaut werden. Die erste soll in vier Jahren beginnen. Die letzte in 20 Jahren enden. Bis zum Baustart gibt es noch viele zu klärende Fragen zwischen Gemeinde, Kanton, Eigentümer und Architekten. Wer wird das zukünftige Areal bebauen? Sowohl Wettbewerbe wie Direktaufträge sind denkbar. Fest steht, dass für das Hochhaus und die Gestaltung des Bahhofsplatzes ein Wettbewerb durchgeführt wird.
Die qualitätsvolle Entwicklung der Agglomeration ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Bei der Erarbeitung des Projektes haben sich die Architekten auf die Suche nach den Idealen der Stadt begeben. In Zukunft sollen charaktervolle Stadträume auf dem Bredella-Areal geschaffen werden. Dabei wird eine Ausnützungsziffer von zwei angestrebt. Burckhardt+Partner zeigen einen möglichen Weg auf, in dem sie sehr vielfältige Angebote schaffen möchten. Das Projekt bringt bereits jetzt eine hohe Komplexität mit sich. Gute Voraussetzungen, um ein neues Stück Stadt in Pratteln entstehen zu lassen. Die Zukunft wird zeigen, wie viel am Schluss davon auch tatsächlich umgesetzt wird.
Text: Céline Dietziker / Architektur Basel