Die Energiewende beginnt jetzt. Die Fassade des Coop-Haupsitzes in Gundeli produziert neuerdings Strom. Das markante Hochhaus mit der prägnanten, aussenliegenden Betontragstruktur wurde 1978 von Gass+Boos Architekten erbaut. In den vergangenen Jahren wurde es von Burckhardt+Partner rundumerneuert. Die Sanierung bei laufendem Betrieb umfasste die komplette Erneuerung der Fassade, eine Teilerneuerung der Haustechnik sowie die Neugestaltung und Reorganisation der Büroflächen. Die wertvolle graue Energie der Primärstruktur blieb dadurch erhalten.
Wertschätzung des Bestands
Mit der Sanierung sei «ein überzeugendes Zusammenspiel zwischen der Wahrung charakterbestimmender Elemente, dem Sichtbarmachen der heutigen Technologie und einer zeitgemässen Architektursprache» entstanden, schreiben die Architekten ganz ohne falsche Bescheidenheit. «Uns war ein bewusster und wertschätzender Umgang mit der bestehenden Architektur wichtig», betont Samuel Schultze, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Burckhardt+Partner. Tatsächlich gelang es, die aussenliegende Betonstruktur zu erhalten, was aufgrund der Wärmebrücken bauphysikalisch eine Herausforderung darstellte.
Die fehlende Ecke
Die zwischend den Stützen liegenden Fassadenelemente wurden hingegen komplett erneuert. Sie produzieren neuerdings Strom. Photovoltaik-Elemente bilden die Brüstungsverkleidung und unterstreichen die geschichtete Wirkung der Fassade. «Die neue Fassade ist ein perfektes Beispiel dafür, dass gutes Design auch nachhaltig sein kann», sagt Joos Sutter, Verwaltungsratspräsident von Coop. Die Photovoltaik-Anlage soll rund zehn Prozent des Strombedarfs des Gebäudes abdecken. «Hohe gestalterische mit technischen und nachhaltigen Ansprüchen verbinden» sei das Credo gewesen. Der Wegfall der charakteristischen, um 45 Grad abgeschnittenen Ecken, die den Bestandesbau aus den 1970er-Jahren geprägt haben, bleibt dabei ein gestalterischer Wermutstropfen.
Robuste Typologie ohne Stützen
Die Qualitäten des bestehenden Gebäudes im Innenausbau – der stützenfreie Grundriss und gut proportionierte Nutzflächen – wurden beibehalten und punktuell optimiert: Durch die Umgestaltung der Büroflächen konnte Raum für rund einen Drittel mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Effizienz heisst auch hier das Zauberwort. Die neuen grossformatigen und aussen rahmenlosen Verglasungen verstärken «die Panoramawirkung und führen zu hellen, lichtdurchfluteten Räumen mit angenehmer Arbeitsatmosphäre», wie die Architekten schreiben. «Die Optimierung der Büroflächen bei gleichzeitiger Verbesserung des Arbeitsumfelds erachten wir als grosses Plus der Gesamtsanierung», sagt Christian Coppey, Leiter Direktion Immobilien von Coop. Ein anregendes Arbeitsumfeld ist heutzutage ein wichtiges «asset», wie es im Immoblienjargon heisst.
Am offenen Herzen
Der Umbau fand unter erschwerten Umständen statt. Während der gesamten Sanierung blieb das Gebäude in Betrieb. Dafür wurde das Hochhaus geschossweise von oben nach unten umgebaut. Die Baustelle war ausschliesslich über aussenliegende Gerüstlifte und Plattformen erschlossen. «Eine Gesamtsanierung eines Bürohochhauses unter Betrieb ist wie eine Operation am offenen Herzen», sagt Coop-Verwaltungsratspräsident Joos Sutter. Der chirurgische Eingriff ist geglückt. Der Patient ist genesen.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel