Was ist die Rolle der Architektin, des Architekten? Mit dieser Frage beschäftigen sich nicht nur Soziologinnen und Soziologen, sondern im Frühlingssemester 2020 auch die Architekturstudierenden der Fachhochschule Nordwestschweiz. Trotz Corona-Situation durften wir ein Interview mit den renommierten Basler Architekten Paola Maranta und Quintus Miller führen, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Es ergab sich ein spannendes Gespräch über die Rolle sowie den Einfluss der Architekturschaffenden für die Gesellschaft.
Das Büro Miller & Maranta Architekten wurde von Paola Maranta und Quintus Miller im Jahre 1990 gegründet. Beide hatten an der ETH Zürich am Lehrstuhl von Fabio Reinhardt und bei dessen Oberassistenten Miroslav Šik studiert und sich mit dem analogen Entwurfsansatz auseinandergesetzt. Es war die Zeit der Postmoderne, als man die Architektur der Moderne in Frage stellte. «Es hat mit einer Entwurfsmethodik zu tun, die die Architektur gesellschaftlich und kulturell hinterfragt, sich vertieft mit dem Kontext auseinandersetzt und daraus eine Strategie entwickelt,» erklärt Quintus Miller.
«Es hat mit einer Entwurfsmethodik zu tun, die die Architektur gesellschaftlich und kulturell hinterfragt, sich vertieft mit dem Kontext auseinandersetzt und daraus eine Strategie entwickelt»
Wie verändert die Coronakrise die Architektur?
Die Haltung des Lehrstuhls beeinflusste die Arbeitsweise von Paola Maranta und Quintus Miller auch nach der Gründung ihres gemeinsamen Büros. Die intensive Kommunikation mittels Bildern übernahmen sie bis in ihre heutige Arbeitsweise. Der Einsatz geeigneter Hilfsmittel ist für Architekturschaffende von zentraler Bedeutung. Diese sind, wie auch die Architektur selber, im ständigen Wandel. Prägende Herausforderungen, mit denen die Gesellschaft umzugehen hatte, beeinflussten die Architektur schon in der Vergangenheit. Nach solchen Ereignissen veränderte sich jeweils die Gesellschaft und im Gleichzug auch die Architektur. Paola Maranta bezieht sich in ihren Ausführungen auf ein aktuelles Thema, die Corona-Krise: «Ich denke die Architektur widerspiegelt stets die Gesellschaft und es ist schwierig, in solch einer Situation die Zukunft zu antizipieren. Wir wissen nicht genau, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt. Momentan gibt es Eltern, die im Home-Office arbeiten, während auch ihre Kinder zuhause sind, da die Schulen geschlossen wurden. Diese Situation wird den Wohnungsbau womöglich verändern.»
Gesellschaftlichen Bedürfnissen eine Form geben
Die zentrale Aufgabe der Architektin, des Architekten, Räume für Menschen zu schaffen, bleibt jedoch trotz aller kurzfristigen Veränderungen oder des langfristigen gesellschaftlichen Wandels die gleiche. Die Gesellschaft gibt zwar den Rhythmus vor, die Architektin, der Architekt jedoch übersetzt gesamtgesellschaftliche oder neue familiäre Bedürfnisse in eine präzise Form. In neuerer Zeit ist diese Aufgabe komplexer geworden. Es braucht immer mehr Pläne sowie Absprachen mit den jeweiligen Akteuren, um ein Gebäude zu entwickeln. Was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Ein aktuelles Projekt, das dies zeigt, ist der Gletschergarten in Luzern. Miller & Maranta Architekten wurden beauftragt, ein Museum in einem Felsen zu planen. Viele verschiedene Disziplinen und Gewerke waren an diesem Projekt beteiligt. Wichtig dabei waren die Hilfsmittel, welche die Architekten zur Verfügung hatten. Da es sich um ein räumlich und bautechnisch aussergewöhnliches Projekt handelt, konnte man nur begrenzt mit Skizzen und Plänen arbeiten. Um die Raumsequenzen wirklich erfassen zu können, waren Virtual Reality Brillen und sogar Mock-Ups im Massstab 1:1 notwendig.
«Wir bauen Räume für die menschliche Gesellschaft»
Architekturschaffende brauchen die richtigen Hilfsmittel, um ihrer Rolle gerecht werden zu können. Dank der Gesellschaft, sowie neuerer Technologien, werden sich die Architektur und die Mittel ständig ändern. Aber der Kernauftrag der Architektur bleibt derselbe: «Wir bauen Räume für die menschliche Gesellschaft», sagt Quintus Miller. Für uns Studierende war das Gespräch mit Paola Maranta und Quintus Miller äusserst interessant und inspirierend. Bei jedem neuen Projekt müssen sich die beiden mit neuen Fragestellungen auseinandersetzen. Daher ist es für uns ausgesprochen wertvoll, von ihren Erfahrungen zu profitieren. Diese weisen uns eine Richtung, in die wir uns weiterentwickeln können. Auf unserem Berufsweg werden wir uns vermutlich noch oft mit solchen Fragen auseinandersetzen. Aber nun haben wir ein Fundament, auf dem wir aufbauen können.
Die Gesellschaft lesen
Architekturschaffende lesen die Gesellschaft, um deren sich ständig wandelnden Bedürfnisse zu eruieren. Das ist ein interessanter Aspekt am Architekturberuf: Er agiert auf sehr vielen Ebenen und muss sich mit komplexen Fragen auseinandersetzen, die sich stetig aktualisieren. Dieser Herausforderung haben sich Miller & Maranta Architekten angenommen. Wir danken Paola Maranta und Quintus Miller herzlich für ihre Zeit und das lehrreiche Gespräch.
Text: Jonathan Allemann und Silvan Gerber
Dieser Text entstand am Institut Architektur FHNW im Frühlingssemester 2020, im Rahmen der Lehrveranstaltung in Sozialwissenschaften zum Thema «The Image of the Architect». Auf der Suche nach neuen Berufsbildern.