AB: Wie hat sich dieser Auftrag ergeben und wie war der Umgang zwischen Bauherrschaft und euch als Architekten?
Jaeger Koechlin: Die Villa am Gempenweg wurde ursprünglich von meinen Grosseltern (Patrick Jaeger, Anm. der Redaktion) in den 60er-Jahren, nach einem zehnjährigen Aufenthalt in Japan in Auftrag gegeben. Zurück in der Schweiz haben sie bewusst Architekten aus der Region gesucht, Vertreter der Schweizer Moderne. In einer intensiven Zusammenarbeit von Architekt und Bauherrschaft flossen damals viele Eigenheiten der japanischen Kultur in die Konzeption des Hauses ein. Neben einem offenen, flexiblen Grundriss ist dies unter anderem am starken Bezug zum Garten, beim Materialumgang und an diversen Details, wie etwa den Wasserabläufen zu erkennen. Nachdem meine Grossmutter verstorben ist, stellte sich die Frage, wie man mit diesem Haus umgehen sollte. Die Erbengemeinschaft beauftragte uns folglich mit einer Machbarkeitsstudie, um eine Sanierung, einen Umbau und sogar einen Neubau zu überprüfen. An der typischen Betonarchitektur der 60er waren die Jahre nicht spurlos vorbei gegangen. Jedoch sahen wir in der Bausubstanz und Grundrissdisposition ein enormes Potential. Um das Haus in die heutige Zeit zu überführen, schlugen wir eine Kernsanierung und somit einen Rückbau bis auf den Rohbau vor. Der Umgang mit der mehrköpfigen Bauherrschaft – mit einem starken emotionalen Bezug zur Villa und den unterschiedlichsten Ansichten – stellte sicherlich eine Herausforderung dar. Jedoch konnten wir schon früh im Prozess eine grosse Begeisterung auslösen und genossen ein sehr grosses Vertrauen.
Wie seid ihr beim Entwurf vorgegangen?
Wir haben uns intensiv mit dem Haus auseinandergesetzt und mussten es richtiggehend dekodieren: Welche Ideen stammen vom Architekten? Welche von der ursprünglichen Bauherrschaft? Wo und wie sind die japanischen bzw. europäischen Einflüsse sichtbar? Erst mussten wir das Haus verstehen, um entscheiden zu können, welche architektonischen Themen wir beibehalten, verwerfen oder stärken wollen und welche neu von uns hinzugefügt werden können. Dieser Prozess dauerte beinahe bis zur Fertigstellung und führte immer wieder zu Projektänderungen.
Welche Herausforderungen haben sich bei der Planung / Realisierung gestellt?
Neben der neuen Technik stellte sich vor allem der Umgang mit der starren Sichtbetonstruktur als grosse Herausforderung dar. Bei diesen Problemstellungen konnten wir entwerferische Themen und unkonventionelle Lösungen entwickeln, welche für das Haus sehr spezifisch sind: Anstelle einer ineffizienten und trägen Luftheizung haben wir auf eine Fussbodenheizung umgestellt. Der neue Bodenaufbau stellte uns vielerorts vor grosse Herausforderungen – etwa bei der Treppe, bei der die bestehenden, auskragenden Betonstufen im neuen Boden versanken. Inspiriert von japanischen ‚Geta’-Holzschuhen haben wir die Stufen mit massiven Lärchenholzstegen aufgedoppelt und konnten so den transparenten Ausdruck der Treppe bewahren. Auch haben wir eine bestehende Vertiefung im Badezimmerboden genutzt, um einen ‚Ofuro’, eine japanische Holzbadewanne, einzulassen. Vertieft in dieser Wanne sitzend, blickt man durch das Fenster in einen Bambusstrauch, welchen wir auf dem Sims im ersten Obergeschoss angepflanzt haben.
Wie würdet ihr euren architektonischen Stil beschreiben? Welche Architekten haben euch am meisten geprägt?
Wir finden es schwierig, einen konkreten Stil zu benennen. Seit Ausbildungsbeginn sind wir mit dem Aufbau unserer eigenen Architekturwelt beschäftigt. Hierbei haben uns das Studium an der ETH Zürich, verschiedene Praktika im In- und Ausland, Reisen, Vorträge und Diskussionen stark beeinflusst. Wir sind stark daran interessiert Neues kennenzulernen. Als junges Büro macht man eine Entwicklung durch und hinterfragt wieder vieles. Nicht zuletzt entwickeln wir uns auch mit jedem Projekt weiter. Interessante räumliche Momente, Materialien oder Konstruktionen werden wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Somit lassen sich anhand unserer Projekte eher Interessen und Arbeitsweisen ablesen, als ein architektonischer Stil.
Kann oder soll Architektur eine politische Funktion haben?
Die gebaute Architektur ist grundsätzlich politisch, da sie in direktem Kontakt zum öffentlichen Raum steht. Die politische Komponente ist auf etlichen Ebenen zu finden: Wer entscheidet? Wer besitzt? Wer nutzt? Wir Architekten haben dabei eine wichtige Rolle und sind oft auch Vermittler. In dem Sinne verstehen wir uns nicht als politisch aktiv, sondern sehen uns in einer architektonischen und gesellschaftlichen Verantwortung. Die Art dieser Verantwortung kann je nach Bauaufgabe und Massstab sehr unterschiedlich sein.
Wie entwickelt sich Basel im Moment?
Wir sind beide in Basel aufgewachsen und nach dem Studium gerne wieder hierher zurückgekehrt, um als Architekten aktiv die Stadt mitzugestalten. Die Architektur hat in Basel einen hohen Stellenwert und eine aktive Szene. Seit Generationen kennt die Stadt einen regen Diskurs und verwirklicht spannende Projekte. Interessant ist zudem die trinationale Region mit ihren grenzübergreifenden Projekten. Für die wenigen übriggebliebenen Entwicklungsgebiete der Stadt, wie auch die bestehende Stadtstruktur erhoffen wir uns, dass auch zukünftig innovative Projekte gefördert und umgesetzt werden.
Architektur Basel bedankt sich ganz herzlich bei Patrick Jaeger & Ariel Koechlin für das interessante Gespräch. Wir sind gespannt auf weitere Projekte und wünschen viel Erfolg!
Interview: Mireille Hohlbaum / Archtektur Basel
Weitere Informationen: www.jaegerkoechlin.ch