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Solarpflicht: Welche PV-Anlage eignet sich für mein Haus und wie hoch sind die Kosten?

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Photovoltaikanlagen sollen im Stadtkanton zur Pflicht werden. Ein entsprechendes Gesetz ist zurzeit beim Regierungsrat in Vorbereitung. Gegen die «Solaroffensive» regt aus mehreren Kreisen Widerstand. Stein des Anstosses ist unter anderem die mögliche flächendeckende Pflicht – also auch für die Innenstadt und für schützenswerte Bauten. Der Verein Domus Antiqua Helvetica schlägt deshalb in einer Stellungnahme ein Moratorium der Photovoltaik-Pflicht für schützenswerte Bauten bis 2030 vor. Auch der BSA steht dem Vorhaben eher kritisch gegenüber. Wenngleich geschützte Bauten in Basel weniger als 5% der Bestandesbauten ausmachen, so dürften viele Gebäude dennoch davon betroffen sein, denn eine Photovoltaikanlage würde für alle Liegenschaften Pflicht, deren Lage vom Kanton im Sinne ihrer Dachausrichtung zur Energiegewinnung als «gut bis sehr gut» eingeschätzt wird. Das Stadtbild – vor allem aber die Dachlandschaft – dürfte sich mit einer Solaroffensive nachhaltig ändern. Nicht zuletzt ist das Aussehen einer Photovoltaikanlage abhängig von ihrer Konstruktion. Wir haben uns die verschiedenen Typen angeschaut und eingeschätzt, welche Anlage zu welchem Zeitpunkt ideal ist und welche Kosten dabei ungefähr anfallen.

Eine Solarpflicht könnte das Stadtbild verändern. Foto © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Eine Solarpflicht könnte das Stadtbild verändern. Foto © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Als Beispielobjekt dient ein Haus, wie es beispielsweise im Gundeli, etwa an der Dornacher- oder Güterstrasse häufig vorkommt: eine mehrstöckige Liegenschaft mit Vorgarten, Hof und einem konventionellen Giebeldach. Unser Haus ist Nord-Süd ausgerichtet; also wenigstens eine Dachhälfte würde sich perfekt für eine Photovoltaik-Anlage mit einer Grösse von circa 100 m2 eignen.

Ausgangslage: Ein Mehrfamilienhaus wie es beispielsweise im Gundeli stehen könnte. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Ausgangslage: Ein Mehrfamilienhaus wie es beispielsweise im Gundeli stehen könnte. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Von anfänglich wenigen Herstellern finden sich heute unzählige Anbieter für PV-Zellen auf dem Markt. Module gibt es in den unterschiedlichsten Grössen in verschiedenen Optiken. Vom Solarziegel eines amerikanischen E-Autoherstellers bis zur aufwändig gestalteten Solarfassade am AUE in Basel. Selbst ein bekanntes schwedisches Möbelhaus vertreibt PV-Anlagen unterschiedlicher Anbieter über ihr Netzwerk. Wenngleich die Auswahl auf den ersten Blick gross scheint, gibt es vereinfacht gesagt drei Typen:

Die Freistehende Anlage

Diesen Typen finden wir meist auf Flachdächern von Mehrfamilienhäusern, Industriegebäuden oder Lagerhallen, aber auch auf Wiesen oder an Schallschutzwänden von Autobahnen. Die PV-Module sind aufgeständert und optimal zur Sonne ausgerichtet. Es gibt auch Anlagen, die dem Sonnenverlauf während des Tages folgen. Da Anlagen auf Flachdächern einen eher kleinen Einfluss auf das Stadtbild haben, da sie vom Strassenraum nicht oder nur wenig zu sehen sind, interessieren uns vor allem die beiden folgenden Konstruktionstypen:

Die Aufdach-Anlage

Der Name sagt es: diese PV-Module werden auf bestehende Dächer montiert. Die einzelnen Module werden dabei auf Rahmen geschraubt und diese auf der Dachhaut befestigt. Der Vorteil: jeder Anbieter hat sie im Angebot. Der Nachteil: meist kommen diese Anlagen eher plump daher, da sie vom Dach abstehen und nicht mit der Architektur einhergehen. In ihren Dimensionen sind die Anlagen nicht immer sehr flexibel. Für die Altstadt eignet sich dieser Typ eher weniger.

Bei einer Aufdach-Anlage läuft die Dachhaut durch. Foto © Simon Heiniger / Architektur Basel

Bei einer Aufdach-Anlage läuft die Dachhaut durch. Foto © Simon Heiniger / Architektur Basel

Szenario 1
Aufdach-Anlage auf bestehendes Dach

Für die Installation einer PV-Anlage auf einem bestehenden Dach ist ein Fassaden- und Sicherheitsgerüst notwendig. Dieses umfasst einen Aufgang mit Treppen, Geländer am Dachrand und Abstützungen. Im Schnitt kostet ein solches Baugerüst ungefähr 4’000.- CHF. Damit die Anlage ins Elektrosystem des Gebäudes integriert werden kann, sind einige Anpassungen durch eine Elektrofirma nötig, sowie eine Zuleitung zum Dach. Eine gute Möglichkeit zur Leitungsführung sind beispielswiese inzwischen nicht mehr genutzte Kamine. Diese Arbeiten schlagen mit ca. 6’500.- CHF zu Buche. Die eigentliche Photovoltaikanlage schliesslich kostet ungefähr 41’000.- CHF. In unserem Beispiel deckt sie die gesamten 100 m2 und weist eine Leistung von 20 kWp auf. Ein Dachfenster oder andere Dachdurchdringungen gibt es nicht. Ausschnitte sind also nicht eingeplant. Der Bund, vertreten durch die Pronovo AG, subventioniert eine Aufdach-Anlage mit dieser Leistung aktuell mit 7’600.- CHF. Die effektiven Kosten betragen demnach 43’900.- CHF.

Kostenvergleich: Aufdach-Anlage auf bestehendes Dach. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Kostenvergleich: Aufdach-Anlage auf bestehendes Dach. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

 

Szenario 2
Aufdach-Anlage bei gleichzeitigem Dachersatz oder Aufstockung

Etwas günstiger ist diese Anlage, wenn sie zusammen mit einer Sanierung der Dachhaut, dem Ersatz des Daches oder einer Aufstockung ausgeführt wird. Aus einem einfachen Grund: das Baugerüst wäre ohnehin nötig für die restlichen Arbeiten und kann für die Installation der Photovoltaikanlage mitbenutzt werden. Abzüglich des Baugerüsts ergeben sich somit Kosten von 39’900.- CHF.

Kostenvergleich: Aufdach-Anlage bei gleichzeitiger Sanierung oder Aufstockung. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Kostenvergleich: Aufdach-Anlage bei gleichzeitiger Sanierung oder Aufstockung. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel


Die Indach-Anlage

Im Gegensatz zur Aufdach-Anlage werden die Module direkt ins Dach montiert. Ziegel oder ähnliches sind nicht nötig – die PV-Module bilden die Dachhaut gleich selbst. Besonders interessant ist dieser Typ, wenn dem Dach eine Sanierung bevorsteht und ohnehin eine neue Eindeckung geplant ist; etwa bei Aufstockungen oder Neubauten. Aufgrund ihrer konstruktiven Einbettung in die restliche Konstruktion kommen Indach-Anlagen meist feiner daher und eignen sich je nach Situation auch für architektonisch anspruchsvollere Situationen.

Eine Indachanlage – Die PV-Module der Indach-Anlage ist gleichzeitig die Dachhaut. Foto © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Eine Indachanlage – Die PV-Module der Indach-Anlage ist gleichzeitig die Dachhaut. Foto © Lukas Gruntz / Architektur Basel

Eine Indachanlage – Dachdurchdringungen wie Dachfenster oder Kamine sind möglich. Foto © Christina Leibundgut / Architektur Basel

Eine Indachanlage – Dachdurchdringungen wie Dachfenster oder Kamine sind möglich. Foto © Christina Leibundgut / Architektur Basel

Szenario 3
Indach-Anlage auf bestehendes Dach

Wiederum dient uns das Haus im Gundeli als Anschauungsbeispiel. Für den Einbau dieser Anlage sind ein paar Arbeitsschritte mehr nötig. Da die Indach-Module gleichzeitig die Dachhaut bilden, muss das bestehende Dach erst entfernt werden. In diesem Fall haben wir es mit einem Ziegeldach zu tun. Die Rückbauarbeiten beziffern wir mit ungefähr 1’500.- CHF. Anpassungen an den Elektroinstallationen und eine Zuleitung zum Dach werden ebenso benötigt und kosten wiederum ca. 6’500.- CHF. In den meisten Fällen sind für eine Indach-Anlage ein neuer Dachrandabschluss an Ortgang und Traufe sowie ein neues Firstblech und möglicherweise Ortgangrinnen nötig. Diese Spenglerarbeiten schätzen wir auf ungefähr 8’500.- CHF. Das Gerüst dafür dürfte mit ca. 4’500.- CHF im Schnitt ebenfalls etwas teurer sein. Ebenso die Anlage selbst. Bei 100 m2 Fläche und einer vergleichbaren Leistung von 20 kWp kosten die PV-Module inklusive Unterkonstruktion ungefähr 51’000.- CHF. Die höheren Investitionen werden hingegen auch besser subventioniert. Derzeit fördert der Bund eine solche Indach-Anlage mit 8’400.- CHF. Somit ergeben sich Gesamtkosten von 63’300.- CHF.

Kostenvergleich: Indach-Anlage auf bestehendes Dach. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Kostenvergleich: Indach-Anlage auf bestehendes Dach. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Szenario 4
Indach-Anlage bei gleichzeitigem Dachersatz oder Aufstockung

Am meisten Kosten einsparen im Vergleich zu den Gesamtkosten lassen sich, wenn eine Indach-Anlage im Rahmen einer Dachsanierung oder Aufstockung ausgeführt wird, oder einer Fassadensanierung, bei der das Baugerüst auch für Arbeiten am Dach mitgenutzt werden kann. Abzüglich des Gerüsts kostet die Anlage noch 57’600.- CHF. Was diese Kombination aber äusserst attraktiv macht ist die Tatsache, dass anstelle der PV-Anlage keine Dachhaut verbaut werden muss. In unserem Beispiel können wir auf 100 m2 Ziegel inklusive Unterkonstruktion verzichten. Das sind immerhin Kosten von 6’500.- CHF, die nicht anfallen. Als (Rechenbeispiel: Bei Faserzementplatten betragen die Minderausgaben im Vergleich zu einem Gesamtdach gar 28’000.- CHF).

Kostenvergleich: Indach-Anlage bei gleichzeitiger Sanierung oder Aufstockung. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Kostenvergleich: Indach-Anlage bei gleichzeitiger Sanierung oder Aufstockung. Grafik © Simon Heiniger / Architektur Basel

Fazit?

In unterschiedlichen Situationen lohnt es sich also genau zu prüfen, welcher Anlagentyp sich am besten für die jeweilige Situation eignet. Zu oft haben wir in letzter Zeit beobachtet, dass bei Aufstockungen oder Dachsanierungen auf den gleichzeitigen Einbau einer Photovoltaikanlage verzichtet wurde. Die Gründe kennen wir nicht. Hinsichtlich einer Solarpflicht aber eine schlechte Entscheidung. Ein Blick auf Basels Dächer zeigt: Viele Dachflächen sind noch leer. Bei den bereits realisierten Anlagen dürften die Aufdach-Systeme in der Mehrzahl sein.

Rot = Aufdach / Blau = Indach / Gelb = Freistehend – Die Aufdach-Anlagen sind in der Mehrheit – doch wären sie auch für die Altstadt geeignet? Foto © Simon Heiniger / Architektur Basel

Rot = Aufdach / Blau = Indach / Gelb = Freistehend – Die Aufdach-Anlagen sind in der Mehrheit – doch wären sie auch für die Altstadt geeignet? Foto © Simon Heiniger / Architektur Basel

In der kommenden Episode des Architektur Basel Podcasts werden wir darüber diskutieren, was das Ganze für die Altstadt bedeuten könnte. Wie könnte die Solarpflicht letzten Endes formuliert sein und welche Ausnahmen wären denkbar? Sollte der Kanton die Mehrkosten für die Planung und Ausführung architektonisch überzeugender Lösungen für geschützte Gebäude gar übernehmen?

Artikel: Simon Heiniger / Architektur Basel


Den Tarifrechner von Pronovo gibts >HIER<

 

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