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Stadtreparatur dauert lang – der Bahnhof Liestal

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Für die Zugfahrenden ist die Aussicht beim Bahnhof Liestal seit über fünf Jahren von Bauschranken versperrt. Einzelne Bausteine, wie die Erneuerung des Waldenburgersbähnli oder die Gebäude «Uno, Due, Tre» der SBB auf dem Bahnhofsplatz, sind bereits abgeschlossen. Weitere Umbauten befinden sich zurzeit noch in Planung, wie die Erweiterung des Kantonsgerichts, die Transformation des Lüdin Areals und der Ersatzneubau der Post.

Liestal war immer ein wichtiger Durchgangsort zwischen den Jurapässen und der Stadt Basel. Die Stadtmauer war von zwei Toren unterbrochen. Das abgebrochene, untere Tor schaute nach Basel und das heute noch bestehende, obere Tor in Richtung Jura. Der motorisierte Verkehr wurde umgeleitet und wird heute unter dem Brunnenberg geführt. Die Bahn ist im Tal geblieben. 1854, als der Bahnhof gebaut wurde, befand sich dieser noch ausserhalb der Stadt. In der Zwischenzeit hat sich Liestal entwickelt und der Bahnhof wurde zu einem neuen wichtigen Zentrum.

Liestal im 17. Jahrhundert, in der Mitte führt die Strasse von den Jurapässen nach Basel. Von Matthäus Merian d. Ä.

Infolge der historischen Entwicklung ist der Stadtkern, der ursprünglich von der Stadtmauer begrenzt war, bis heute gut erkennbar. Siedlungen und Industrie haben sich darum herum verbreitet, ohne angebunden zu werden. Wegen der schwierigen Topografie und dem Orisbach wurde der Bahnhof und das «Stedtli» nie direkt erschlossen. Der Bau des Postgebäudes über den Orisbach Mitte der 70er Jahren, verunklärte die Situation noch mehr.

Gegenüberstellung der heutigen Situation mit der Zukunftsvision für das Gebiet nordöstlich des Bahnhofs. © Geoportal BL und Christ & Gantenbein Architekten

Genau dieses Logistikgebäude soll einem Ersatzneubau weichen. Damit kann an dieser Schlüsselstelle eine wichtige Stadtkorrektur stattfinden. Die Planung hat lange vor der wichtigen Debatte über Abriss und Erhalt begonnen. Nach einem ersten Studienauftrag wurde 2016 ein Wettbewerb für einen Ersatzneubau ausgeschrieben. Gewonnen hat Christ und Gantenbein zusammen mit Fontana Landschaftsarchitekten. Das Projekt ist ein Befreiungsschlag und führt zu mehreren markanten Veränderungen. Der eingedolte Orisbach wird freigelegt, dadurch wird auch der ursprüngliche Geländeverlauf wieder erlebbar. Und vor allem ist die Sichtbeziehung zwischen dem historischen Zentrum und dem Bahnhofsplatz erneut möglich.

Die neue Ankunftssituation vom Bahnhof kommend © Christ & Gantenbein Architekten

Aussicht von der Kanzel ins Stedtli © Christ & Gantenbein Architekten

Das Projekt präsentiert sich für die Bahnreisenden als 6-geschossiges Wohnhaus mit einem halböffentlichen Erdgeschoss. Die Ebene des Bahnhofs wird um das Gebäude fortgeführt. Seitlich gibt es Durchgänge, die zur Stadtterrasse führen. Da eröffnet sich der Blick über die Altstadt. Eine grosszügige Treppe führt direkt auf die untere Ebene. Für die Fahrräder wird eine in der Topografie integrierte Rampe angeboten und ein öffentlicher Lift ist in einem Gebäude des Ludin Areals integriert. Vom Orisbach aus erhebt sich der Wohnblock auf einem zweigeschossigen Sockel. In diesem sollen kommerzielle Nutzungen und Parkplätze integriert werden.

Der neue grüne Freiraum statt der heutigen Parkplätze © Christ & Gantenbein Architekten

Zusätzlich zu den erschliessungstechnischen Optimierungen, entsteht ein neuer öffentlicher Freiraum. Eine neue schmale Promenade, unter grossen bestehenden Bäumen und entlang des Wassers, wird diesen Raum wieder beleben. Dafür müssen Parkplätze aufgehoben, und der Verkehr teilweise eingeschränkt werden. Dank der Koordination mit der Umnutzung des Lüdin Areals in Wohnbauten, wird die Stadt dort in der Tiefgarage Parkplätze mieten können. Ein komplett verkehrsfreier Ortskern direkt neben dem Bahnhof ist für die Planenden und Entscheidungsträger leider noch nicht vorstellbar. Ob auf der Bahnhofsebene oder unten beim Bach, materialisiert sich die Wichtigkeit des individuellen Verkehrs in grossen Asphaltflächen.

Die grosse Verkehrsfläche für wenige Autofahrer © Christ & Gantenbein Architekten

Städtebaulich ist diese Transformation eine grosse Aufwertung. Jedoch reagieren die Freiräume noch zu wenig auf die Klimaerhitzung. Auf den Renderings und Plänen sind noch zu viele Asphaltflächen erkennbar. Die Aufwertung sollte für die Fussgänger sein. Für diese sind asphaltierte Flächen nicht geeignet und sollten zugunsten von wasserdurchlässigen Belägen verringert werden. Trotzdem darf festgehalten werden, dass die Stadt Liestal ihre Verantwortung wahrgenommen, und zusammen mit der Post und den umliegenden Entwicklungen ein Projekt aufgegleist hat, dass die Interessen von Privaten und der Öffentlichkeit vereinigt. Doch vorerst werden wir weiter aus dem Zugfenster auf die Bauschranken schauen, und warten bis die Palisaden abgebaut wurden.

Text Martin Zwahlen / Architektur Basel

 

 

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