PETITION GAV ARCHITEKTUR

Studienauftrag zur Nachverdichtung «Apfhalter» in Muttenz – Blick auf alle Projekte von Esch Sintzel bis Luca Selva  

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4896 lautet die Nummer der Parzelle in Muttenz. Hier befindet sich die Wohnsiedlung «Apfhalter», die in den 1970er-Jahren erbaut wurde. Ein typisches Kind ihrer Zeit. Gegliederte und gestaffelte Volumen ordnen sich um einen grossen Innenhof. Sie befindet sich im Besitz der Pensionskasse Basel-Stadt. Wo viele renditeorientierte Eigentümerschaften einen Ersatzneubau anstreben würden, erkannte man erfreulicherweise die Vorteile des Bestands: «Bereits die ersten Vorbereitungen der Planung haben uns aber gezeigt, dass die heutige Überbauung viele Qualitäten aufweist, die es im Rahmen der Sanierung unbedingt zu bewahren gilt. So sind die Wohnungen mit ihren familienfreundlichen Grundrissen offensichtlich so zeitlos geplant worden, dass sie sich auch heute noch einer grossen Nachfrage erfreuen», schreibt Jonathan Koellreuter im Vorwort des Juryberichts zum Studienauftrag, der einen Projektvorschlag für eine moderate Nachverdichtung und Weiterentwicklung der Bestandesbauten suchte. Wir blicken auf alle fünf Beiträge.

© Immobilien Basel-Stadt

«Dieser komplexen Aufgabenstellung haben sich fünf engagierte Planungsbüros gestellt. Sie sind ihr mit unterschiedlichen Strategien und Eingriffstiefen entgegengetreten: vom maximalen Erhalt des Bestandes bis hin zu sehr markanter Eingriffstiefe und einem hohen Neubauanteil.» Der Bauherrschaft war es «angesichts der grossen klimapolitischen Herausforderungen» wichtig, eine Vorgehensweise zu wählen, die es erlaubt, «einen hohen Anteil der in den Bestandesbauten verbauten grauen Energie zu bewahren.» Zudem sollte die Bauphase so etappierbar sein, dass die heutige Bewohnerschaft durch mögliche Umzüge am Ort bleiben kann und nicht verdrängt wird. Das ist doppelt vorbildhaft: Sozial und ökologisch. Letztendlich hat das Projekt der ARGE Nord Architekten & Anderegg Partner zusammen mit META Landschaftsarchitektur die Jury am meisten überzeugt, «da es die Balance zwischen den gestellten Ansprüchen am besten meistert.» Mit dem punktuellen Abbruch eines einzigen Gebäudeblocks schafft es das Siegerprojekt, bestehende Defizite der Wohnüberbauung zu beheben und die vorhandenen Qualitäten – insbesondere den durchgrünten Innenhof – stark aufzuwerten. Dank der zweigeschossigen Aufstockung von vier bestehenden Wohnblöcken führt das Projekt zudem zu einer massvollen Verdichtung: Es entstehen doppelt so viele Wohnungen wie bisher.

In unserem heutigen Artikel werfen wir den Blick auf alle fünf eingereichten Projekte. Die nachfolgendem Projektbeschriebe stammen aus dem Jurybericht.


Siegerprojekt 🏆
Nord Architekten, Basel
META Landschaftsarchitektur, Basel

© Nord Architekten

Das Projekt folgt der einfachen städtebaulichen Idee, die heutigen Qualitäten des grossen gemeinsamen grünen Hofs beizubehalten und zugleich eine ortsangemessene Haltung zu entwickeln, die dem bereits stattfindenden Wandel der St. Jakob-Strasse gerecht wird. Mit dieser Entscheidung gelingt eine plausible Weiterentwicklung aus den Qualitäten des Bestands und ein differenzierter Baustein an der Strasse. Die konsequente Orientierung von Zugangsbalkonen und zusätzlichen Nord- und Ostbalkonen zum Hof stärkt das Zusammenleben. Die gestaffelte Setzung zur Strasse ermöglicht die Ausdifferenzierung dreier unterschiedlicher Bereiche. Der westliche, näher an der Strasse gesetzte Gebäudeteil nimmt die zu erwartende Entwicklung auf den Nachbargrundstücken auf und überzeugt städtebaulich, wenn auch noch nicht im Nutzungskonzept im Erdgeschoss. Im mittleren Teil entsteht ein selbstverständlicher Ankunftsplatz, der nicht zuletzt durch den auch ökologisch vorteilhaften Erhalt des baumbestandenen Hügels im Osten bereits von Anfang an eine hohe Aufenthaltsqualität verspricht. Der Apfhalter wird so direkt zum Vermittler zwischen dem Heute und dem Morgen und zwischen der offenen, kleinmassstäblichen Bebauung im Osten und der neuen, grossmassstäblichen Entwicklung im Westen. Ob die Neubauten direkt an den Bestandsbau angebaut werden sollten, sodass ein etwa 110 Meter langer Gebäudekomplex entsteht, wird im Gremium kontrovers diskutiert. Die enge Kopfausbildung im Westen überzeugt zudem wenig und führt zu einer unnötig schattigen Situation auf dem Ankunftsplatz. Ausdrücklich begrüsst wird der öffentliche Weg entlang der Grundstücksgrenze im Westen, der die Hierarchie der öffentlichen Räume klärt und zur Porosität des Quartiers beiträgt.

© Nord Architekten

Das äusserst detailliert ausgearbeitete Freiraumkonzept schafft differenzierte Freiraumqualitäten in dem es die Chancen der städtebaulichen Veränderungen sehr geschickt ausnutzt. Entlang der St. Jakobstrasse werden mit dem Vorgarten, dem Vorplatz und dem Privatgarten dreihausbezogen differenzierte Freiraumtypologien vorgeschlagen, welche jede für sich im Zusammenspiel mit dem Gebäude grundsätzlich plausibel erscheinen. Einzig die privatisierte Vorgartensituation wirft im Zusammenspiel mit der Erdgeschossnutzung noch Fragen auf. Zu klären ist zudem möglicherweise die Beziehung der Freiräume untereinander, sodass strassenbegleitend eine zwar differenzierte, jedoch überzeugende Ganzheit entstehen kann. Entlang der Westseite entsteht neben einer wohl dosierten Durchwegung ein detailliert ausgearbeiteter Siedlungsgarten, welchem das sehr wertvolle Potenzial einer übergeordneten Quartiervernetzung zugesprochen werden kann. Im Innenhof wird gekonnt zwischen dem grünen, nischenreichen Nordbereich vor den Erdgeschosswohnungen und den offeneren, platzartigen Bereichen im Süden unterschieden. Fragen zur Belichtung der südlichen Freiräume sowie zur Nutzung und den topographischen Übergängen im Südbereich sind in der Weiterbearbeitung zu klären. Mit präzisen Massnahmen gelingt es gekonnt den Innenhof zu «entstauben» und mit «neuem Glanz» zu versehen. Das überraschende Angebot eines Kita-Aussenraums in der Südwestecke an der St. Jakobstrasse ist sehr überzeugend und die quartierdienliche Nutzung unbedingt weiterzuverfolgen. Das vertiefte Untersuchen und die integralen Umsetzungsvorschläge zur Bodenbeschaffenheit und zum Regenwassermanagementwerden sehr geschätzt.

© Nord Architekten

Die Verfassenden schlagen je nach Situation unterschiedliche Eingriffstiefen in den Bestand vor. Der Baukörper entlang der Gartenstrasse wird nicht aufgestockt. Er schafft heute den Übergang zum nord-östlich gelegenen Einfamilienhaus-Quartier und bildet gleichzeitig eine Nutzungsreserve für die Zukunft. Der Eingriff in das Gebäude reduziert sich auf die notwendigen Sanierungsmassnahmen und eine Balkonvergrösserung. Ein Einbauschrank, der sowohl als Möbel als auch als Raumtrennelement dient, vervollständigt die Instandsetzung. Die übrigen erhaltenen Häuser werden zweigeschossig aufgestockt. Ein aussenliegender Aufzug erschliesst alle Wohnungen jeweils über private Balkone. Die Küchen werden zu diesen neuen Eintrittsbalkonen versetzt und dienen dem informellen Eingang in die Wohnung. Diese Wohnungsgrundrisse werden in den neuen, aufgestockten Geschossen wiederholt.

© Nord Architekten

Die vertiefte Studie der bestehenden Typologien führt zu einer sehr überzeugenden und angemessenen Strategie, welche im Apfhalter mit wenigen Mitteln attraktiven Wohnraum für die nächsten Jahrzehnte schafft. Letztlich muss nur ein Gebäude abgebrochen werden, um einen mäandrierenden Neubau zur St. Jakob-Strasse hin zu realisieren, welcher die Siedlung Apfhalter konsequent weiterbaut. Die Absicht des Weiterbauens ist verständlich, führt aber zu unnötigen Zwängen, die das Projekt benachteiligen. Die Übernahmeder niedrigen Raumhöhe des Bestandes im Neubau ist nicht zeitgemäss. Die über Laubengänge erschlossenen, tiefen und schmalen Wohnungen mit vorgesetzten Aussenterrassenbrauchen eine Grosszügigkeit, die im Schnitt noch fehlt. Die Dimensionierung der Passage, welche den Zutritt zum Hof bildet, ist zu prüfen. Die Objekthaftigkeit der an der Passage gelegenen Wendeltreppe wirkt anekdotisch und steht dabei im Weg. Die Jury ist der Meinung, dass der Neubau der Architektur des Bestandes in den Fassaden und Schnitten mit dem heutigen Zeitgeist entspannt begegnen kann und sich durchaus eigenständig manifestieren kann. Bedingt durch den Erhalt eines hohen Anteils an Bestandsflächenresultiert eine moderate Steigerung der Ausnützung auf dem Gesamtareal. Ein zusätzliches Erweiterungspotenzialgibt es möglicherweise an der Gartenstrasse.

© Nord Architekten

Die sorgfältige Abwägung der Interventionen im Altbestandbezüglich des Nutzens und der Kosten führen zu einemüberzeugenden, mehrheitlich hindernisfreien Wohnungsangebot. Im Bereich des Neubaus ist die Wohnungsqualität teilweise noch verbesserungsfähig. Insbesondere werden die geringen Geschosshöhen und die Wohnateliers an der St. Jakobsstrasse hinterfragt. Aus dem Verhältnis der unterstellten Mieterträge und der zu erwartenden Kosten ergibt sich eine vergleichsweise gute Wirtschaftlichkeit des Projekts. Das Projekt des Teams rund um das Büro Nord GmbH Architektenüberzeugt in sehr hohem Mass durch seine hohestädtebauliche Qualität, seine differenzierte Ausarbeitung sowie seine angemessene Reaktion auf die Ausgangslage, die Aufgabe und die gesuchte Quartieridentität.

 

Esch.Sintzel, Zürich
Studio Céline Baumann, Basel

© Esch Sintzel Architekten

Mit dem Ersatz des südlichen und des südöstlichen Baukörpers zeigt der Entwurf auf, wie eine tiefe erste Gebäudeschicht den Apfhalter mit einer neuen Adresse und neuen Nutzungen zur St. Jakob-Strasse orientieren kann. Der städtebaulich sehr plausible Ansatz mit der strassenbegleitenden Bebauung mit Atelier- und Gastronomienutzungen und dem kleinen Platz zeigt ein attraktives zukünftiges Bild, welches das städtische Potential der St. Jakob-Strasse glaubhaftumsetzt. Nach einer intensiven Diskussion im Gremium wurde die sozialräumliche Umsetzbarkeit für die absehbare Zukunft an diesem Ort jedoch stark infrage gestellt. Die St. Jakob-Strasse wird auch in Zukunft sehr stark mit Verkehr belastet sein und der Apfhalter liegt auch im kleinräumigen Kontext wenig zentral.

© Esch Sintzel Architekten

Mit den langen Fassaden und der fehlende Massstabsvermittlung zur angrenzenden offenen Bebauung erscheint der Schritt zu weit. Es stellen sich zudem Fragen, wie die beiden Welten an der Strasse und um den Hof plausibel verknüpft werden können; die Zugänge der Gebäude sind einseitig nach Süden orientiert. Hingegen wird die vorgeschlagene Anhebung der Gebäudezugänge der Bestandsbauten ausdrücklich als wesentliche Aufwertung sowohl der Häuser als auch des Sozialraums gewürdigt. Das vorgeschlagene Freiraumkonzept vermittelt sehr glaubwürdig wie die Bestandsqualitäten angereichert und erfolgsversprechend transformiert werden könnten. Die klassisch gehaltenen Vorzonen an der St. Jakobstrasse erscheinen plausibel und gut organisiert. Der vorgeschlagene Platz führt zu einer angemessenen Adressierung von Neubau und Siedlung. Nicht überzeugen kann der Umgang mit der Parkierung auf dem Platz direkt an der Kantonstrasse, welcher die Qualität der offen gehaltenen Platzstrukturschmälert und zu sicherheitsrelevanten Problemen führt.

© Esch Sintzel Architekten

Der nischenreiche Innenhof verspricht eine hohe Aufenthaltsqualität und Identifikation. Der Umgang mit der rückwärtig sichtbaren Tiefgarageneinfahrt scheint räumlich wenig überzeugend. Der Einsatz von Obstgehölzen zwischen Neubau und Bestand ist ökologisch interessant, jedoch pflanzensoziologisch und räumlich in dieser wichtigen Nahtstelle möglicherweise zu wenig robust. Die Wohnhäuser, die bestehen bleiben werden hochwertig saniert, umgebaut und aufgestockt. In jedem Treppenhaus wird ein Lift eingeführt und ein ebenerdiger Zugang geschaffen, womit alle Wohnungen barrierefrei erschlossen werden. Die Eingriffstiefe in den sanierten Wohnungen ist unterschiedlich. Teilweise wird nur die Küchentrennwand entfernt. In anderen Wohnungen wird die Küche in der Mitte der Wohnung oder anstelle eines Zimmers neu angeordnet und Durchwohnen ermöglicht. Jeder Wohnung wird ein Lförmiger Balkon angebaut. Sie wiederholen sich in der Aufstockung und binden die beiden Bauetappen volumetrisch sowie architektonisch zusammen.

© Esch Sintzel Architekten

Die Typologien werden ebenfalls weitergeführt mit Ausnahme an den Gebäudeenden, wo ausgehend von der Überhöhe, welche durch die neu einheitliche Traufhöhe entsteht, eine Verschachtelung der Wohnungen über drei Geschosse vorgeschlagen wird. Der Aufwand, um diese Wohnungen mit unterschiedlichen Geschosshöhen zu realisieren, steht nicht unbedingt im Verhältnis zum gewünschten Wohnstandard. In den Neubauten wird eine neue Typologie eingeführt: der Wohn-Essraum rückt in die Mitte der Wohnung eingerahmt von einer Zimmerschicht und eingespannt zwischenzwei Loggien, diesen klar definierten Hallenraumdient sowohl als Wohndiele wie als Erschliessungsraum.

© Esch Sintzel Architekten

Seine Proportionen ändern je nach Wohnungsgrösse. Die Qualität der vorgeschlagenen Wohnungen im Neubauteil und im erhaltenen Bestand wird gewürdigt. Der Ansatz erreicht eine hohe Nutzfläche bei gleichzeitig moderater Gebäudehöhe. Dies gelingt einerseits durch eine konsequente Aufstockung aller Bestandsbauten und andererseits durch ein erhebliches Neubauvolumen an der St. Jakobsstrasse mit zurückversetztem Solitär. Als Konsequenz wird durchgängig eine innenliegende Lifterschliessung und die räumliche Aufwertung des Bestands und der Aufstockungen verfolgt. Das Wohnungsangebot in den Neubauten stellt eine qualitativhochwertige und interessante Ergänzung dar, wobei an verschiedenen Stellen durch die bauliche Dichte die Qualität der Wohnungen eingeschränkt und die Vermietungsrisiken erhöht sind.

© Esch Sintzel Architekten

Der Mehrwert ist erkennbar, wird aber in Bezug auf die Verhältnismässigkeit zu den hohen Kosten sowie zu den Zielsetzungen eines günstigen Wohnungsangebots und der Beibehaltung der heutigen Mieterschaft kritisch beurteilt. Gesamthaft überzeugt der Beitrag durch die sehr sorgfältige Ausarbeitung und die durchgehend hohe Qualität der einzelnen Projektbestandteile. Offene Fragen zur glaubwürdigen Reaktion auf die realistische Entwicklung der St. Jakob-Strasse sowie die Angemessenheit der umfassenden Eingriffstiefe in sämtlichen Gebäuden führten dazu, dass es dem Projekt im Quervergleich nicht zum Sieg reichte.

 

Luca Selva Architekten
Baumplaner Landschaftsarchitektur I Baumpflege

© Luca Selva Architekten

Das Projekt des Teams rund um Luca Selva Architekten zeigt im Kontext der aktuellen Diskussionen auf, wie der Apfhalter unter maximaler Beibehaltung des Bestands und minimaler Eingriffstiefe verdichtet werden könnte. Diese Versuchsanordnung ist äusserst relevant und ein kluger Ansatz, der im Gremium sehr geschätzt und intensiv diskutiert wurde. In der Ausarbeitung zeigen sich jedoch die systemisch bedingten Nachteile. Städtebaulich bleibt der Apfhalter zwangsläufig im status quo des spätmodernen, funktionalistisch geprägten «Wohnen im Grünen», das mehr auf die einzelne Wohnung als auf ein Zusammenleben im Quartier ausgerichtet ist. Die heutige defensive Haltung zum Strassenraum wird zwar durch den Kopfbau gemildert, dieser entfaltet jedoch aufgrund der punktuellen Setzung nur eine geringe Wirkung. Aufgrund der heutigen Setzung ist das Verdichtungspotentialdurch die Tragfähigkeit des Bestands limitiert, was Fragen zur haushälterischen Bodennutzung aufwirft.

© Luca Selva Architekten

Unverständlicherweise wird der kluge Ansatz der Beibehaltung des Bestands im Aussenraum nicht fortgeführt und mitteilweise nicht nachvollziehbaren Massnahmen gar konterkariert. Das grosse Potential des minimal invasiven Eingriffs im Aussenraum und damit die absolute Stärkung der Gesamtabsicht bleibt damit ungenutzt. Der auf der Westseite vorgeschlagene Gemeinschaftsgarten überzeugt durch seine nischenreiche Gestaltung sowie die anregenden Elemente. Der Erhalt des Baumhains an der St. Jakobstrasse wird grundsätzlich verstanden. Der formale und programmatische Umgang mit der Ausgangslage vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die im Innenhof vorgeschlagenen Elemente und Nutzungenführen zu einer bedauernswerten Verarmung der qualitätsvollen Bestandsstrukturen und damit zu einem Verlust der wertvollen Eigenidentität. Die bestehenden Wohnungen werden konsequent mit wenigen Mitteln saniert und optimiert. Durch das Entfernen der Küchentrennwand, die Einführung einer Garderobe und die Verbreiterung der Balkone wird die Wohnqualität gesteigert. Einem Treppenhaus pro Block wird ein Lift angedockt.

© Luca Selva Architekten

Diese Vertikalerschliessung dient zusätzlich den zwei aufgestockten Geschossen. Trotz einheitlicher Erschliessung über einen Laubengang sind die neu entstehenden Wohnungen unterschiedlich organisiert. Leider sind zu oft Zimmer auf den Laubengang ausgerichtet. Die vorgeschlagenen Lichtschächte zwischen Fassade und gemeinsamer Erschliessung reicht nicht, um die Privatsphäre der Bewohnenden ausreichend zu wahren. Der Entscheid das Dach der Zeilen zu begradigen, produziert an der Schnittstelle mit dem Bestand einen speziellen Lofttypus, der nicht unbedingt gewünscht ist. Viele Wohnung bleiben nicht hindernisfrei, weshalb die Frage der Bewilligungsfähigkeit des gesamten Projektes intensiv diskutiert wurde: Aufstockungsprojekt – Neubau versus darunterliegende Geschosse – Sanierung; wie weit gilt baurechtlich der Bestandschutz einer Bausubstanz unter einem Neubau? Im Kopfbau werden grosse Wohnungen mit einer räumlichen Überhöhung oder einer Vertiefung vorgeschlagen. Die daraus resultierende Fassade an der St. Jakob-Strasse mit sehr grossen fixen Verglasungen wirkt im Kontext fremd und massstabslos.

© Luca Selva Architekten

© Luca Selva Architekten

Der Vorschlag verfolgt den vollständigen Erhalt des Bestandsund die durchgängige Aufstockung bei gleichzeitig optimierter Eingriffstiefe. Damit kann eine massvolle Steigerung des Wohnraums erzielt werden. Das günstige Verhältnis aus Ertrag und Kosten bedeutet kurzfristig eine gute Wirtschaftlichkeit und die Chance auf den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum. Auf mittlere und lange Frist stellt sich die Frage, inwiefern sich die qualitativen Einschränkungen in Bezug auf die übrigen Zielsetzungen des Verfahrens auch auf die Wirtschaftlichkeit auswirken. Gesamthaft stellt der Beitrag eine sehr relevante, zeitgemässe Arbeit dar, welche im Beurteilungsgremium intensivdiskutiert und sehr geschätzt wurde. Leider zeigte der Quervergleich zu weiteren erfolgsversprechenden Strategien auch die Grenzen und Schwächen des gewählten Ansatzes auf.

 

Rosemund + Rieder Architekten, Liestal
pg landschaften, Sissach

© Rosemund + Rieder Architekten

Das Projekt untersucht den Ersatz des zurückliegenden Baus an der St. Jakob-Strasse durch vier quer zur Strasse orientierte Häuser. Die Grundidee der Konzentration der Neubaumasse an der Strasse bei gleichzeitiger Öffnung des grossen Hofs nach Süden ist schlüssig und vielversprechend. Jedoch zeigt die Ausarbeitung, dass die Setzung der im Kontext hohen und langen Baukörper als zu eng empfunden wird. Mit dem Verbindungsbau zwischen den beiden mittleren Bauten wird zudem der Grundidee der Öffnung widersprochen. Die Entwicklung einer intensiv genutzten städtischen Vorzone mit Grossverteiler und Restaurant illustriert eine durchaus reizvolle Idee einer autoorientierten Zentralität in der Agglomeration, die an diesem Ort jedoch hinterfragt wird. Die Teilaufstockung der rückwärtigen Bestandsbauten erscheint als formale Idee, derer erheblichen Nachteile keine nennenswerten Vorteile gegenüberstehen. Diese alternierenden Aufbauten schaffen eine neue Silhouette und führen zu einer unterschiedlichen Behandlung der Vertikalerschliessung. Nur jedes zweite Treppenhaus bekommt einen ebenerdigen Eingang, einen Lift und die Aufstockung. Die bestehende Wohntypologie wird bis auf die Entfernung einer Trennwand im Tagesbereich zwischen Küche und Wohn-Essbereich übernommen und in den zwei neuen Geschossen weitergeführt. In den Wohnungen, in welche der Lift hineinragt, rückt die Küche in die Mitte ohne Durchwohnen. Der dadurch entstehende Mehrwert für die Bewohnenden nach der Sanierung und dem Umbau ist bescheiden.

© Rosemund + Rieder Architekten

© Rosemund + Rieder Architekten

Das Freiraumkonzept führt ausgehend vom an der St. Jakob-Strasse vorgeschlagenen Parkplatz eine starke innere Wegachse ein, von welcher sich der grosszügige grüne Innenhof erreichen lässt. Die sinnstiftenden Wegbeziehungen sowie die daraus entstehenden Freiraumzonierungen werden geschätzt. Der grosszügige Innenhof wird glaubhaft transformiert und behutsam umgestaltet, sodass differenzierte Raumstimmungen und Nischen entstehen können. Die Situierung der Tiefgarage an der Peripherie lässt zudem langfristig wertvolle Baumstandorte erwarten. Der Übergang vom Siedlungsfreiraum zu den Erdgeschossen bleibt sehr schematisch. Bedauert wird das ungenutzte Potential des westlichen Freiraums über der bestehenden Tiefgarage. Typologisch sind die Neubauten als Punkthäuser aufgebaut. Es handelt sich um konventionelle Fünfspänner mit einer zentralen Erschliessung über einen inneren Gang. Der gemeinsamen Nenner der Wohnungen ist die zweiseitige Orientierung um eine Eckloggia. Diese Logik zieht sich rund um das Gebäude mit nur minimalen kontextuellen Anpassungen um den Wohnungsmix zu erreichen, jedoch ohne Berücksichtigung der Himmelsrichtung oder der Lärmbelastung. Vollständig verglaste Südloggien, als Resultat, sind als Lärmschutzmassnahme klar zu vermeiden. Mit einem hohen Anteil Neubauvolumen an der St. Jakob-Strasse wird die Ausnützung deutlich gesteigert.

© Rosemund + Rieder Architekten

© Rosemund + Rieder Architekten

Im Gegenzug wird der Bestand nur partiell aufgestockt, womit die Eingriffstiefe teilweise reduziert werden kann. Die Wohnungen sind sowohl im Neubau als auch beim Bestand punkto Grösse und Nutzwert gut konzipiert und marktgängig. Kritisch diskutiert werden die Gewerbeflächen im Erdgeschoss, die an dieser Stelle zahlreiche Parkierungs- und Anlieferungsflächenerfordern. Das Projekt liegt punkto Wirtschaftlichkeit im Mittelfeld der Projekteingaben. Aus dem städtebaulichen Konzept ergibt sich weder in Bezug auf die Wohnungsqualität noch in Bezug auf den Innenhof ein überraschender Zusatznutzen. Gesamthaft handelt es sich um einen detailliert ausgearbeiteten Beitrag, welcher eine konsequente Grundhaltung mit interessanten Teilaspekten und grosszügigen Freiräumen vermittelt. Im Quervergleich schafft es der Beitrag jedoch nicht eine gesamthaft überzeugende Antwort auf die gesuchte neue Quartieridentität zu geben.

 

Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau, Zürich
USUS Landschaftsarchitektur, Zürich

© Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau

Die städtebauliche Grundidee trennt den Apfhalter in eine dicht bebaute Schicht zur St. Jakob-Strasse und die durch Aufstockungen und Teilersatz behutsam verdichtete lockere Setzung um den grossen grünen Hof. Die durch den Städtebauerreichte freiräumlich differenzierte Ausgangslage wirkt vielversprechend. Leider gelingt es nicht diese gute Ausgangslage mit den vorhandenen Qualitäten des Bestandsüberzeugend weiterzuentwickeln. Entlang der St. Jakob-Strasse schlägt das Projekt eine schematischgehaltene, jedoch realistische Vorzone mit dem Gewerbedienenden Parkplätzen vor. Der vorgeschlagene Platzerscheint gut proportioniert. Vermisst wird an dieser Stelle die Auseinandersetzung mit dem wertvollen Baumbestand. Der vorgeschlagene Innenhof verzahnt sich gut mit dem ankommenden Gassensystem sowie den vorgeschlagenen Gärten.

© Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau

Nicht verstanden wird die vorgeschlagene, wenig überzeugende Addition der Freiraumelemente sowie die umfassenden Eingriffe in die Topografie, welche zu einer starken Entfremdung der zentralen Identität dieses Ortes führen. Das teils etwas eng wirkende Platz-Gassensystem mit Höfen und Durchgängen, das sich hinter der ersten Gebäudetiefe entwickelt, überzeugt trotz seiner interessanten räumlichen Sequenzen wenig. Da es sich auf der Nordseite befindet, wird die Belichtung teils als kritisch beurteilt. Aufgrund der zu erwartenden geringen Personendichte im Apfhalter stellen sich zudem wesentliche Fragen zur sozialen Kontrolle und damit einhergehend einer Einschränkung der empfundenen Sicherheit. Die zusätzlich angebotenen Laubengänge und Gemeinschaftsterrassenbieten teils spannende Momente und schöne Ausblicke, doch auch für sie gilt, dass die notwendige Belebung als schwierig zu erreichen beurteilt wird.

© Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau

Die Aufstockungen im nördlichen Bereich wirken noch nicht schlüssig entwickelt, die Sinnhaftigkeit der Ersatzbauten erschliesst sich nicht. Trotz der einheitlichen Fassade und wiederkehrender architektonischer Elemente wird die starke Differenzierung der beiden Teilbereiche als problematisch für den sozialräumlichen Zusammenhalt des Apfhalters beurteilt. Die bestehenden Wohnungen werden saniert und umgebaut, um ein Durchwohnen zu ermöglichen. Sie sind mit einem zusätzlichen privaten Balkon bereichert. Dort wo Aufstockungen stattfinden, wird ein Lift anstelle der Reduits angeordnet. Diese Massnahmen sind nachvollziehbar und bringen einen Mehrwert. Es werden unterschiedliche Wohnformen in den Neubauten vorgeschlagen.

© Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau

Zur St. Jakob-Strasse wird aus der Lärmschutzproblematik eine Typologie entwickelt: ein Laubengang zur Strasse mit Ausbuchtungen für private Aussenräume und Eingänge erschliesst 2.5- bis 4.5-Zimmer-Wohnungen, welche zum Laubengang hin nach Süden eine Schicht mit Nassräumen, Küchen und Eingangsbereichen aufweisen. Die Wohn-, Ess- und Schlafzimmer sind zur lärmabgewandten Seite nach Norden orientiert. Die Belichtung in der Tiefe dieser Räume ist problematisch. Die Übertragung dieser Typologie in die Hofgebäude ist nicht verständlich. Die Wohnqualität, besonders von dem Karabiner-Zimmer, ist leider nicht überzeugend. Der Fokus liegt auf einem hohen Anteil Neubauvolumen und viel Bestandsabbruch. Die Mehrheit der übrigbleibenden Bestandsbauten wird in der Folge ohne Aufstockung und Lifteinbauten mit Mass erneuert. Die strukturellen Anpassungen ermöglichen das Durchwohnen und der Anbau von grosszügigen privaten Aussenräumen. Damit werden deutliche Verbesserungen erreicht.

© Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau

Die Zielsetzungen eines günstigen Wohnungsangebots unter Beibehaltung der heutigen Mieterschaft können damit im Bereich der Bestandswohnungen erreicht werden. Bei den Neubauten stehen die teilweise geschmälerte Wohnungsqualität und der hohe Anteil Gewerbeflächen im Bereich der grossen Bautiefe an der St. Jakobsstrasse im Kontrast zu den hohen Baukosten. Damit ist das Projekt aus wirtschaftlichen Überlegungen insgesamt nicht überzeugend. Gesamthaft wird der Beitrag für den Versuch der räumlichen Staffelung von der St. Jakobstrasse zur Gartenstrasse geschätzt. Leider gelingt es nicht diese Ausgangslage zu einem unverwechselbaren und in seiner Gesamtheit überzeugenden Projektvorschlag auszuarbeiten.

 

 

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