«The Image of the Architect» Auf der Suche nach neuen Berufsbildern

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Wie arbeiten Architekturschaffende heute? Die Studierenden am Institut Architektur der Fachhochschule Nordwestschweiz beschäftigten sich während des Frühlingssemesters 2020 im Fach Sozialwissenschaften mit Arbeitswelten und Berufsvorstellungen von Architektinnen und Architekten. Als Ausgangspunkt diente uns das neu herausgegebene «Berufsbild Architekt» der Verbände CSA, BSA, FSAI und SIA. Entspricht dessen traditionelles Berufsverständnis der Realität der Basler Architekturschaffenden?

Die Berufspraxis der Architektur diversifiziert sich seit längerem: Angesichts komplexer gesellschaftspolitischer Herausforderungen erproben Architekturschaffende unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit und geteilten Expertise. Sie gehen die Digitalisierung von Planungs- und Bauprozessen mit eigenen Ideen an, machen sich fit für klimaschonende Bauweisen und tüfteln an neuen Lösungen für eine kulturlandschonende Innenentwicklung des Siedlungsraums.

Mit solchen Themen im Hinterkopf führten die Studierenden Interviews mit Architektinnen und Architekten aus dem Raum Basel. Daraus sind 19 Texte entstanden, die in den kommenden Wochen hier veröffentlicht werden. Sie zeigen auf eindrückliche Weise die Vielfalt von Herangehensweisen, Arbeitsformen, Grundhaltungen und Aufgaben in der heutigen Architektur. Aus den Texten haben wir neun Thesen zu neuen Berufsbildern abgeleitet:

  1. Architektur ist politisch: Architektinnen und Architekten denken und handeln politisch. Sie greifen in die gesellschaftliche Wirklichkeit ein und gestalten die Umwelt, das Quartier, die Stadt, die Gemeinde, die Landschaft. Sie wollen mehr als «nur» Häuser bauen.

  2. Architektur hat eine ökologische und soziale Hebelwirkung: Architektinnen und Architekten sind sich bewusst, dass sie mit ihrem Beruf Einfluss nehmen können – auf den Klimawandel, auf das Zusammenleben, auf das Wohlbefinden. Diese Themen liegen ihnen am Herzen.

  3. Architektur ist nahe beim Handwerk: Architektinnen und Architekten wollen das Entwerfen und das Handwerk miteinander verbinden, handwerkliche Fertigkeiten in ihre Arbeit einbeziehen und wertschätzen.

  4. Architektur ist offen für die Digitalisierung: Architektinnen und Architekten machen sich die Digitalisierung zunutze, ohne sich ihr zu unterwerfen. Digitalisierung kann die Zusammenarbeit und den Entwurf verbessern und die handwerklichen Aspekte des Berufes aufwerten (s. These 3).

  5. Architektur agiert im Bestand: Architektinnen und Architekten sind geschichtsbewusst. Sie orientieren sich am Bestand, recherchieren die Geschichte der Bestandsbauten und arbeiten mit dem, was sie vor Ort vorfinden.

  6. Architektur verlangt nach Kooperation: Architektinnen und Architekten müssen vermehrt mit Fachleuten aus anderen Disziplinen und Gewerken kooperieren. Sie moderieren den digitalen oder analogen Austausch auf Augenhöhe.

  7. Architektur ist Teamarbeit: Architektinnen und Architekten entwickeln zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Büro eine gemeinsame Haltung. Sie suchen den informellen Austausch im Team und gestalten ihre Arbeitsräume entsprechend. Sie teilen Verantwortung und arbeiten in flachen Hierarchien.

  8. Architektur ist nicht das ganze Leben: Architektinnen und Architekten wollen auch jenseits der Arbeit ein gutes Leben führen, in dem Arbeitszeiten reguliert werden und Teilzeitarbeit möglich ist. Der Berufsalltag soll mit dem privaten Alltag und mit dem Familienleben vereinbar sein.

  9. Architektur hat kein Geschlecht: Architektinnen und Architekten orientieren sich nicht mehr am Rollenbild des männlichen Stararchitekten. Architektur ist divers, und das Geschlecht der Architekturschaffenden soll keine Rolle mehr spielen, weder im Studium noch im Beruf, weder im Büro noch auf der Baustelle.

Text von Janine Kern und Christina Schumacher, Dozentinnen am Institut Architektur FHNW

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