PETITION GAV ARCHITEKTUR

Transformation Büro zu Kleinwohnungen: Ackermann Architekt gewinnt in Steinenvorstadt

0

«D’Staine» gehört zu den berühmt-berüchtigtsten Strassen Basels. Der Ruf kommt nicht von ungefähr: in den 1980er-Jahren war sie das unbestrittene Revier der hiesigen Ultras. Schlägereien standen an der Tagesordnung. Und wenn inzwischen nicht mehr das Recht des Stärkeren gilt, so geht es in der Steinenvorstadt zu später Stunde nach wie vor hoch zu und her. An der Mündung zum Barfüsserplatz steht das Geschäftshaus mit der Nummer 5. Im Zuge einer Gesamtsanierung soll es umgenutzt werden. Dazu fand ein Studienauftrag statt: «Auf 13 Geschossen verteilt, mit fünf Untergeschossen, Erdgeschoss und sieben Obergeschossen, soll ein diversifizierter Nutzungsmix angeboten werden», heisst es im Jurybericht. Wir blicken auf alle eingereichten Projekte.

Die Eigentümerin ist ein grosser Player im Immobiliengeschäft: Die Swiss Prime Site. Hier geht es also um eine renditeorientierte Entwicklung. So viel ist klar. Dass diese nicht mit einem Ersatzneubau – wie kürzlich am Centralbahnplatz gesehen – angestrebt wird, zeugt von ökologischem Bewusstsein – und von der robusten Struktur des Bestands. Das rigide Stützenraster bietet sich für einen Umbau an. Im Studienauftrag wurden Vorschläge zur Transformation des Gebäudes «unter Berücksichtigung von Städtebau, Bestand, Architektur, Erschliessung wie auch Themen zu städtischem Wohnen, Mikroklima sowie Nachhaltigkeit» erarbeitet. Eingeladen wurden Kollektive, In Situ, Steib Gmür Geschwentner Kyburz und Ackermann Architekt.

Letzterer konnte in Zusammenarbeit mit Schnetzer Puskas Ingenieure den Sieg erringen. Das Beurteilungsgremium lobt den Projektbeitrag von Ackermann als insgesamt «überzeugendsten Lösungsvorschlag». Die Eingriffstiefe des Projekts zeuge von einer «hohen Sensibilität» für einen ressourceneffizienten Umgang mit dem Bestand. Das Gremium sieht jedoch auch Verbesserungspotenzial: «Insbesondere die Fassadengestaltungvermag das Preisgericht noch nicht zu überzeugen. Der Entwurf der Fassade ist deshalb in einer Projektüberarbeitung vor dem Vorprojekt weiterzuentwickeln», liest man im Jurybericht. Ob die Stadtbildkommission den Entwurf wohl gutheissen würde?

Auf stadträumlicher Ebene ist die Transformation spannend: Innerhalb der Transformation des Birsig-Parkplatzes als neuem Anziehungspunkt und Flaniermeile soll mit der Umgestaltung des Gebäudes auch ein Durchgang im Erdgeschoss als Tor zum Birsig-Garten entstehen. Damit entsteht ein neuer Shortcut auf die Rückseite. Das ist vielversprechend. «Dass der Bodenbelag in der Passage die Gestaltung des Birsig-Gartens aufnimmt, unterstützt dies auf eine für Basel übliche und entspannte Art und Weise», schreibt die Jury. In den oberen Geschossen befinden sich in erster Linie Kleinwohnungen: Für ausgehfreudige Singles das perfekte Angebot. Nach dem Motto: Ai Läbe in dr Staine.

Gerne präsentieren wir euch alle vier Beiträge. Die nachfolgenden Projektbeschriebe stammen aus dem Jurybericht,


Ackermann Architekt AG, Basel
mit Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel

© Ackermann Architekt

Das Team um Matthias Ackermann stellt seinem Wettbewerbsbeitrag «Josephine» eine eingehende und schlüssige Analyse des vermeintlich auf der Hand liegenden städtebaulichen Kontexts voran. Dabei finden neben einem Blick zurück auch die gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen des Heuwaage Hochhauses und die Aufwertung des Birsig-Parkplatzes Beachtung. Die Steinenvorstadt wird als eine in ihrer Bebauung heterogene und, durch ihren gekrümmten Verlauf entlang des Birsigs, gen Süden gefasste Durchgangsstrasse interpretiert, welche von zwar baugeschichtlich weit auseinanderliegenden, aber meist zurückhaltend profilier en Fassaden flankiert ist. Eine Fotocollage der gesamten Abwicklung der Steinenvorstadt verdeutlicht diese Überlegung und zeigt zudem auf, dass der zweigeschossige Sockel der bestehenden Fassade desehemaligen Modehauses eine von nur wenigen Ausnahmen darstellt. Durch die geplante Umnutzung des Hauses entsteht für das Planerteam die Chance, hier eine Korrektur vorzunehmen. Sowohl die Fassade zur Steinenvorstadt als auch die zum zukünftigen Birsig-Gartentragen in ihrer Gliederung dieser Beobachtung folgerichtig Rechnung. Lediglich die Passage zwischen Birsig-Garten und Steinenvorstadt wird durch einen überhohen Einschnitt deutlich markiert. In den oberen Geschossen wiederum ermöglicht ein zweischichtiger Fassadenaufbau den Spagat zwischen einer notwendigen Einführung privater Aussenräume vor den Wohnungen und der im Kontext vorherrschenden «zurückhaltenden Profilierung».

© Ackermann Architekt

Deutlich weniger nachvollziehbar wirkt wiederum der Entscheid, die Fassaden auf beiden stadträumlich sehr unterschiedlichen Seiten identisch zu behandeln. Auch die Gestaltung der äusseren Glashaut vermag nicht zu überzeugen. Beide Fassaden bergen, trotz der beschriebenen Transparenz, die Gefahr, zu wenig Licht in die Tiefe der Wohnungen eindringen zu lassen. Der Entscheid, die auf Glas gedruckten PV-Elemente der oberen Geschosse in der Gestaltung der weiter unten liegenden Glaselemente zu zitieren, mag damit zusammenhängen. Während die Grundsatzentscheide in Bezug auf den architektonischen Ausdruck nachvollziehbar sind und sich auf schlüssige stadträumliche Beobachtungen stützen, erscheinen die nachfolgenden gestalterischen Entscheide deutlich weniger überzeugend.

© Ackermann Architekt

Der erfolgreiche Wandel des Modehauses in ein Wohn- und Geschäftshaus gelingt dem Team aber vor allem mit seinen überlegten Eingriffen in die Substanz. Die angemessen grossen Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss, einmal Restaurant, einmal Bar, sind gut platziert. Während das grössere Restaurant über den Birsig-Garten und die Steinenvorstadt erschlossen wird, sind die Bar wie auch die Wohnungen über die neue Passage zugänglich. Das der zu erwartenden Nutzergruppe entsprechend grosszügige Entrée zu den Apartments erschliesst das bestehende Treppenhausund den bestehenden Lift. Zudem gelangen die Bewohner:innen des Hauses von dort über einen sekundären hausinternen Eingang auch in die Bar. Ohne viel Lärm entstehen hier mögliche Verknüpfungen von Birsig-Garten und Steinenvorstadt, aber auch von Wohnen mit den Nutzungsangeboten auf der Ebene der Stadt. Dass der Bodenbelag in der Passage die Gestaltung des Birsig-Gartens aufnimmt, unterstützt dies auf eine für Basel übliche und entspannte Art und Weise. Die nach der Zwischenpräsentation gewünschte vertiefte Untersuchung einer möglichen Garagennutzung der Untergeschosse zeigt auf der Ebene des Gebäudes, dass eine Einstellhalle mit Autolift durchaus umsetzbar und architektonisch vertretbar ist. Die Frage, ob dies in Anbetracht einer nachhaltigen Stadtentwicklung sinnvoll sei, bleibt vom Team unbeantwortet.

© Ackermann Architekt

Die Organisation der bestehenden Obergeschosse knüpft an die Selbstverständlichkeit des Erdgeschosses an und entwickelt fast unbemerkt bestandsspezifische Qualitäten. Das zu erwartende Wohnungsangebot mit mehrheitlich einseitig orientierten Studio-Apartments weicht einer überraschenden Vielfalt. Während entlang der Brandwand zur Steinenvorstadt 11, an der ohnehin Teile der bestehenden Decken ergänzt werden, Durchschuss-Maisonette-Einheiten entstehen, reagieren die Wohnungen im Norden geschickt auf den bestehenden Lift und das Treppenhaus im Nordwesten des Hauses. Die einseitig orientierten Studio-Wohnungen sind, wo es die Struktur erlaubt, um ein drehbares Schrankmöbelorganisiert und weisen über diesen unaufgeregten Kniff eine hohe Flexibilität auf. Einzig die Ankunftssituation und die innenliegenden Erschliessungskorridore in Kombination mit den Waschküchen auf den Regelgeschossen lassen den angemessen luxuriösen Auftakt im Entrée des Erdgeschosses etwas rasch verblassen. Der Abbruch des sechsten Obergeschosses sowie des bestehenden Dachgeschosses und deren leichter Ersatz in Holz ermöglicht weitere Maisonette-Wohnungen im Dach und unterstützt das solide Konzept für eine nachträgliche Erdbebenertüchtigung des Bestands. Der geforderte Wohnungsschlüssel hat hier nachweislich nicht zu Monotonie geführt.

© Ackermann Architekt

Die Überlegungen des Teams zum Umgang mit den bestehenden Strukturen des Hauses und den bei einer solchen Umnutzung notwendigen Ertüchtigungen, die oft über Erhalt oder Abriss entscheiden, sind ebenfalls gut nachvollziehbar und durch die sehr genaue statische Beurteilung belegt. Die Eingriffstiefe des Projekts zeugt von einer hohen Sensibilität für einen ressourceneffizienten Umgang mit dem Bestand. Die heutige Fassade wird zu Gunsten eines neuen Gesichts zur Stadt vollständig zurückgebaut und in Teilen im Ausbau der Loggien und der Passage wiederverwendet. Bauteile, die nicht an Ort und Stelle wiederverwendet werden, können und sollen andernorts verfügbar gemacht werden. Die zweite dämmende Fassadenschicht ist wieder umso konzipiert, dass sie in der Lage ist, Fenster aus anderen Rückbauten in der näheren Umgebung zu integrieren. Das allem zugrunde liegende Konzept, wiederverwendete Bauteile in einer hinteren Ebene der Fassade anzuordnen und die äussere, gestalterisch dominantere Schicht neu zu entwickeln, ist schlau und erweitert den Spielraum für eine Bauteilwiederverwendung in der bedeutenden innerstädtischen Lage signifikant.

Ungeachtet der noch fraglichen Fassadengestaltung generiert das Projekt sowohl aus dem stadträumlichen Kontext als auch aus der bestehenden Struktur des Hauses ein robustes Regelwerk für die kommende vertiefte Auseinandersetzung mit der Steinenvorstadt 5.

 

 

baubüro in situ ag, Basel
mit wh-p Ingenieure AG

© Baubüro In Situ

Im Hinblick auf den Städtebau und die Architektur beinhaltet das Projekt eine grosszügige zweigeschossige Passage, die die Steinenvorstadt mit dem Birsig-Garten verbindet. Sowohl der Strassenraum als auch die Passage werden durch publikumsorientierte Nutzungen im Erdgeschoss belebt. Die Platzierung und Gestaltung der Passage wird von der Jury positiv bewertet, jedoch ist der dafür notwendige Abriss von wichtigen statischen Elementen nicht nachvollziehbar und widerspricht dem Grundsatz eines respektvollen Umgangs mit dem Bestand.

© Baubüro In Situ

Die Fassade bleibt grösstenteils erhalten, wobei der Ausdruck der neuen Wohnnutzung überlagert wird. Besonders erfrischend ist der Umgang mit den Pflanztrögen, die sowohl für die Begrünung der Fassade als auch als Balkone genutzt werden. In Bezug auf die Organisation und Nutzung wird festgestellt, dass die hohe Gebäudetiefe des ehemaligen Warenhauses an der Steinenvorstadt eine anspruchsvolle Herausforderung für die Wohnnutzung darstellt. Obwohl diese Situation richtig analysiert wird, fehltes leider an einer Lösung. Die konventionelle Ausgestaltung der Studios stellt keine Lösung für die übertiefen Grundrisse dar und kann die Jury deshalb nicht überzeugen.

© Baubüro In Situ

Der Rückbau des Treppenhauses an der Steinenvorstadt wird mit einer Gewinnung von Nutzfläche begründet, führt jedoch zu einer umständlichen und unerwünschten Erschliessungssituation. Die Wohnungen sind nur über den Lift von der Passage her erschlossen. Zudem wird die Flexibilität für zukünftige Nutzungsmöglichkeiten unnötig eingeschränkt. Das Problem des fehlenden Treppenhauses spiegelt sich auch in der problematischen Erschliessung der Wohngeschosse wider. Das Projekt weist eine grosse Nutzfläche auf, führt jedoch aufgrund der zu grossen Wohneinheiten zu einer geringen Anzahl von Wohnungen.

© Baubüro In Situ

Beim Tragwerk werden nur wenige Veränderungen vorgenommen. Die grössten Eingriffe betreffen den Umbau des Treppenhauses an der Steinenvorstadt sowie den Abbau von Decken im ersten und sechsten Obergeschoss. Obwohl die Eingriffe im Vergleich zu anderen Projekten gering sind, erfordern sie dennoch erhebliche Verstärkungsmassnahmen. Die Aussagen zur Erdbebensicherheit sind wenig überzeugend, da grosse Verformungen in Kauf genommen werden, die sich auf die benachbarten Gebäude auswirken. Die vorgeschlagenen Massnahmen zum zirkulären Bauen, die in den Erläuterungen beschrieben werden, zeugen von einer kohärenten und wegweisenden Herangehensweise. Es ist bedauerlich, dass sie jedoch nur teilweise bei der konkreten Umnutzung der Steinenvorstadt5 angewendet werden und sie die Jury im Unklaren darüber lassen, ob diese Strategie auch zielführend ist.

 

kollektive architekt KLG, Basel
mit Schmidt & Partner Bauingenieure AG, Basel

© Kollektive Architekt

Der Beitrag präsentiert sich – abgestimmt auf die beiden das Grundstück flankierenden Strassenräume der Steinenvorstadt und des zukünftigen Birsig-Gartens – als Haus mit zwei Seiten, was sich sowohl im äusseren Erscheinungsbild als auch in der Fassade zeigt. Die verlangte Passage zwischen diesen beiden Strassenseiten wird mittels einer Gartenhalle gelöst, die atmosphärisch stimmig als über den Tag offener, nutzbarer Aufenthaltsraum ausgebildet ist. Nachts bleibt diese geschlossen, was zu mehreren Eingängen und zwei Adressen führt. Während die Wohnungen und die Industrienutzung im Untergeschoss tagsüber über die Gartenhalle erreicht werden, ist dies am Abend nur via der «Rückseite» Birsig-Garten möglich. Die Tag-Nacht-Differenzierung führt gleichsam dazu, dass der Birsig-Gartennach Schliessung der Gartenhalle weiterhin als «Sackgasse» endet; die gewünschte Durchwegung der Strassenräume wird nicht eingelöst.

© Kollektive Architekt

Die Fassade zur Steinenvorstadt orientiert sich in der vertikalen Gliederung am ein paar Gebäude weiter südlich gelegenen «Küchlin»-Variété-Theater. Die bestehende Tragstruktur mit massiven Stützen wird hölzern verkleidet, darüber wird in den oberen Geschossen eine Bandstruktur mit Brüstungen aus schräggestellten PV-Modulen gelegt, hinter denen die zurückgesetzte Fassade und die privaten Loggien den Ausblick in die  Stadt ermöglichen. Die Passagenadressierung wird in der Fassade nicht angezeigt. Insgesamt überzeugt die Fassade in der Vielzahl an Themen wenig und erscheint typologisch nicht passend. Auf der Birsig-Garten-Seite wird die Betonstrukturfreigelegt und als durchgehende Balkonschicht ausgebildet. Da die Tiefe für eine Möblierung nicht ausreicht, werden kleine, auskragende Balkone angehängt.

© Kollektive Architekt

Die Erschliessung wird in zwei Bereiche unterteilt. Die Untergeschosse werden über das bestehende Treppenhausund den Lift von der Steinenvorstadt erreicht, wobei die Ladenfläche im ersten Untergeschoss zusätzlich eine neue Wendeltreppe erhält. Die Obergeschosse erhalten eine neue Erschliessung mit Lift und Treppe in der Mitte des Gebäudes. Dies ermöglicht mehr Klarheit und Freiheiten bei der Wohnungsorganisation, stellt aber auch einen grossen Eingriff in die bestehende Struktur dar, bei welchem die Angemessenheit intensiv diskutiert wird. Tagsüber ist der mittige Erschliessungsraum von der Gartenhalle bis oben freizugänglich. Er wird durch einen eingeschnittenen Lichthofaufgewertet, was ein angenehmes Ankommen für die privaten Wohnungen verspricht. Es wird allerdings bezweifelt, dass mit dem Aufbau der gläsernen Orangerie im Dachgartengeschoss das Licht auch noch in die unteren Geschosse gelangt. Das gesamte Erschliessungskonzeptwirkt in seiner Komplexität und Vielfalt unklar und nicht ganz schlüssig.

© Kollektive Architekt

In den Untergeschossen werden mit der Industrienutzung, dem Birsig-Bad, der Ladenfläche sowie Lagerräumen, Technik und Velogarage für die Wohnungen vielfältige Nutzungen untergebracht. Im Erdgeschossergibt die Anordnung von an der Gartenhalle angeordneter Ladenfläche, Gastronutzung und Bar eine schöne Grundrissdisposition. Die Dienstleistungsflächen im ersten Obergeschoss können flexibel und bedarfsgerecht unterteilt werden. In den darüberliegenden Wohngeschossen werden strukturell schönausgearbeitet zwei verschiedene Wohntypologien untergebebracht. Die Wohnungen zur Steinenvorstadt zeichnen sich durch die mittige Klosterküche, die private Loggia, die flexibel abtrennbaren Bereiche, eine gute Belichtung und spannende Lichtbezüge aus. Die kleineren Einheiten zur Birsig-Garten-Seite weisen Inselküchen und eher schmale Balkone aus. Auf die Nutzung des obersten Geschosses wird verzichtet und stattdessen neben den Technikflächen ein nutzbarer Dachgarten angeboten. Es wird jedoch in Frage gestellt, ob es sich bei der von den Wohnungen angesprochenen Mieterschaft um das an einer gemeinsamen Nutzung interessierte Klientel handelt. Insgesamt erscheinen die – auch statischen – Eingriff ein den Bestand sehr umfangreich.

Die Wiederverwendung der alten Fassadenbleche auf der Birsig-Garten-Seite und die konsequent umgesetzte Systemtrennung gehen einher mit der additiven Denkweise des Gesamtkonzeptes. Durch die grossen Eingriffe und die wegfallende Nutzung des siebten Obergeschosses liegt das Projekt bei der Wirtschaftlichkeit im Mittelfeld aller Projekte. Bei dem Projektvorschlag sind die vielen spannenden Ansätze hervorzuheben. Die Wohnungen versprechen eine sehr hohe Wohnqualität. Diese wird jedoch erkauft durch eine dafür notwendige hohe Eingriffstiefe und sehr komplexe Erschliessung.

 

Steib Gmür Geschwentner Kyburz, Zürich
mit Plácido Pérez, dipl. Bauingenieure GmbH, Domat/Ems

© Steib Gmür Geschwentner Kyburz,

Das Projekt lebt vom neuen Herz des Hauses – einem sich vom ersten Obergeschoss bis ins dritte Untergeschosserstreckenden, vertikalen Luftraum. Dieser interessante Kniff wird aus einer städtebaulichen Perspektive begründet. Er soll den Strassenraum weit ins Haus hineinfliessen lassen und es ermöglichen, die Flächen in den Untergeschossen gewerblich zu nutzen und zu vermieten. Diese Intervention lässt neue räumliche Qualitäten entstehen. Auch können die neu aktivierten Untergeschosse als zusammenhängende Fläche glaubhaft derart genutzt werden. Die Vermietbarkeit des dritten Untergeschosses wird jedoch in Frage gestellt. Zudem wird bezweifelt, dass diese Idee auch bei einer Bespielung mit kleineren Einheitenfunktionieren kann. Sie lebt von der grosszügigen Öffnung, eine allfällige Unterteilung würde dieser entgegenstehen. Durch eine öffentliche Passage werden die Steinenvorstadt und der künftige Birsig-Park miteinander verbunden. Diese wurde gegenüber der Zwischenbesprechung reduziert und deutlich vereinfacht. Sie gliedert das Erdgeschoss, ist gut proportioniert und situiert und dient als Verteiler für die verschiedenen Nutzungen. Die Anordnung eines Cafés, welches sich zwischen den beiden Aussenräumen entlang der Passage aufspannt, und des Hauptzugangs in deren Mitte überzeugt. Die Passage und der eingangs erwähnte Luftraum über fünf Geschosse verspricht ein vielfältiges und lebendiges Haus in der Steinenvorstadt.

© Steib Gmür Geschwentner Kyburz,

Die neue Fassade soll der sensibel erhaltenen Volumetrie ein frisches Erscheinungsbild verleihen, was geschätzt wird. In ihrer Ausformulierung gibt es jedoch wenig Verwandtschaft mit der bestehenden, was sehr aufgesetzt wirkt. Zwischen den ersten beiden Geschossen und den darüberliegenden Wohngeschossen gibt es eine starke optische Trennung, welche in dieser Formhinterfragt wird. Die Kleinteiligkeit des Pfosten-Riegel-Systems in den Obergeschossen wird von der birsigseitigen Fassade eines Nachbarhauses hergeleitet, scheint aber insgesamt wenig kontextualisiert. Im Erdgeschoss ist der Öffnungsanteil sehr gross, was sinnvollscheint, um die Untergeschosse besser anzubinden. Obwohl die bestehenden Treppenhäuser rückgebaut und ein neues, im Grundriss zentraler gelegenes erstellt wird, erscheint die Geometrie der Erschliessungsfläche auf dem Regelgeschoss wenig kontrolliert. Aus den Wohnungstrennwänden resultierend und ohne Tageslicht vermag die Mittelzone qualitativ nicht zu überzeugen. Die Wohnungsgrundrisse haben wenig mit der bestehenden Struktur zu tun und können leider auch räumlich nicht von dieser profitieren. Durch situativ gedachte Eingriffe entstehen Wohnungen von ungleicher Qualität. Dies zeigt sich insbesondere in der Ausformulierung und Anordnung der Wintergärten. Eine gewisse Flexibilität wird durch die Abtrennbarkeit von Schlafnischen und -zimmern angedeutet. Dabei kann jedoch der hintere Bereich mit der Schlafnische jeweils nicht mehr natürlich belichtet werden. Speziell in den beiden 2.5-Zimmer-Wohnungen des Regelgeschosses entsteht so eineunbefriedigende Situation. Auf den obersten zwei Geschossen werden neue Maisonnette-Wohnungen vorgeschlagen. Diese werden als sinnvoll erachtet.

© Steib Gmür Geschwentner Kyburz,

Die öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss sind stimmig angeordnet. Zwischen der Steinenvorstadt und dem Birsig-Garten kann mit dem Café und einem kleinen Laden ein lebendiger und schöner Ort entstehen. Zudem sind auch die Nutzungen des Co-Workings im ersten Obergeschoss und dem Gewerbe in den Untergeschossengrosszügig an den Stadtraum angebunden. In den oberen Geschossen wird eine reine Wohnnutzung vorgeschlagen. Die Gewerbenutzung in den Untergeschossen wäre in der vorgeschlagenen Form idealerweise mit einem einzelnen Grossmieter umsetzbar. Auf den Regelgeschossen reduziert sich der Eingriff im Bestand auf das Aufheben der bestehenden Treppen und das Einführen eines neuen Treppenhauses. Dennoch ist es insgesamt das Projekt mit der grössten Eingriffstiefe im Bestand, auch wenn diese seit der Zwischenbesprechung reduziert wurde. Technisch sind die Interventionen machbar, was im Projekt auch glaubhaftaufgezeigt wird.

© Steib Gmür Geschwentner Kyburz,

Dennoch wäre es wünschenswert gewesen, wenn, vor allem in Bezug auf die Erschliessung der Wohngeschosse, direkter mit dem Bestand gearbeitet worden wäre. Der Ersatz des unbrauchbaren Technikgeschosses im Dach durch einen Holzbau für das Erstellen von mehr Wohnfläche ist sinnvoll. Betreffend Kreislaufwirtschaft und Zirkularität werden nur vage Aussagen gemacht. Die Fassadenelemente sollen als Decken- und Wandverkleidung wieder zum Einsatz kommen und die künftige Fassade soll so gebaut werden, dass sie einfach rückzubauen und wiederzuverwenden sein wird. Das Projekt ist dasjenige mit der grössten HNF beim Wohnen. Es weist auch die grössten Wohnungen und die höchste Nutzungsdichte auf. Auch beim Gewerbe wird am meisten HNF angeboten. Insgesamt weist das Projekt eine gute Wirtschaftlichkeit auf, wobei die Vermietbarkeit des zweiten, vor allem aber des dritten Untergeschosses grundsätzlich in Frage gestellt wird.

Mit dem neuen «Herz des Hauses», welches fünf Geschosse zu verbinden vermag und diese mit der Stadtebene in Bezug setzt, haben die Projektverfassenden eine schöne Raumidee umgesetzt. Dies führt zusammen mit der Passage zu einer Aufwertung des Orts. Leider muss die Robustheit dieser Idee bezüglich Nutzbarkeit und Vermietbarkeit in Frage gestellt werden. Auch der Umgang mit dem Bestand, vor allem in Bezug auf die innere Organisation der Obergeschosse, und die Ausgestaltung der Fassade vermögen nicht zu überzeugen.

 

 

 

Comments are closed.