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Turm oder Keinturm?

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Man musste sich in Geduld üben. Seit der Ankündigung des Siegerprojekts für das zweite BIZ-Hochhaus im Dezember 2022 verging über ein Jahr, bis die Öffentlichkeit endlich über die weiteren Beiträge informiert wurde. Jetzt ist es soweit. Die Ausstellung «From Building to Campus» findet vom 25. bis 30. Januar 2024 im obersten Stockwerk des BIZ-Turms statt. Architektur Basel war zum Preview vor Ort eingeladen und hat sich die Beiträge angeschaut. Redaktor Lukas Gruntz wagt eine kritische Einordnung.

© Elemental/NW Architekten

«Intellektuelle Eleganz des originellen Konzepts»
Die BIZ-Verantwortlichen haben sich alle Mühe gegeben. Der aufwändig gestaltete Katalog zur Ausstellung «From Building To Campus» dokumentiert alle elf Wettbewerbsbeiträge. Unter den teilnehmenden Teams finden sich viele renommierte Namen: Von David Chipperfield über Bjarke Ingels bis Norman Foster. Beim Studium des Katalogs stellt sich bald Ernüchterung ein: Keinen einzigen Plan gibt es zu sehen. Man muss sich mit einem Modellbild und einer Auswahl an Visualisierungen zufriedengeben. Das sei aus sicherheitstechnischen Gründen so, wie ich erfahre. Noch ernüchternder sind die Auszüge aus dem Jurybericht: Wir lesen bei den nicht siegreichen Projekten von «intellektueller Eleganz des originellen Konzepts», «vielen klugen Lösungen» oder vom «eleganten Erscheinungsbild.» Es sind lauter positive Attribute, die sämtlichen Projekten zugesprochen werden. Kritische Voten sucht man vergebens – findet dafür umso mehr bedeutungsleere, nichtssagende Phrasen: «Der Vorschlag hat die interne Debatte stark inspiriert und war entscheidend für ein besseres Verständnis des Potenzials des Standorts für seine künftige Entwicklung.» Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Im demokratischen Kontext, der massgeblich vom Wettstreit der Ideen lebt, ist dieser Wettbewerbskatalog ein Hohn. Von einer Marketingbroschüre müsste die Rede sein.

© Foster+Partners / SKREINSTUDIOS

Was spricht dagegen?
Vielleicht ist der Blick in die Ausstellung aufschlussreich, denke ich mir und fahre mit dem Aufzug in das oberste Stockwerk des BIZ-Turms. Die Aussicht auf Basel ist grandios. Und tatsächlich hält auch der Blick auf alle Wettbewerbsmodelle eine Überraschung bereit: Mehreren Beiträgen gelang es, die geforderte Nutzung in einem niedrigen Baukörper unterzubringen. Beispielsweise schafft es der Entwurf von Foster+Partner und Skreinstudios, die gesamte Nutzung in einem fünfgeschossigen Bau entlang der Centralbahnstrasse zu organisieren. Im Vergleich zu den anderen Beiträgen, die ein zweites Hochhaus vorschlagen, wirkt das wohltuend entspannt – und fügt sich unaufgeregt und selbstverständlich in den Kontext ein. Das Gewebe der Stadt wird weitergebaut. Was spricht dagegen? Den Verantwortlichen der BIZ konnte ich leider keine Erklärung abringen, was der Nachteil dieses Lösungsansatzes sei.

© David Chipperfield Architects & Harry Gugger Studio

Bestmöglich, aber dennoch nicht gut genug?
Der Katalog ist noch weniger aufschlussreich. «Insgesamt lobt die Jury die vom Team verfolgte Entwurfsstrategie eines städtischen Blocks mit niedrigen Stockwerken. Sie würdigt die grosse Aufmerksamkeit, die der Frage des CO2-Fussabdrucks des Projekts in Bezug auf die Gebäudesysteme, einschliesslich Heizung und Lüftung, gewidmet wird», lesen wir da in Bezug auf das Projekt von Foster. Dasselbe gilt für den bemerkenswerten Beitrag von David Chipperfield in Zusammenarbeit mit Harry Gugger: «Die Jury schätzte die Intelligenz, die hinter diesem Projekt steckt, sehr. Der Entwurf wurde eingehend diskutiert und als bestmöglich ausgearbeitete Flachbau-Lösung für die BIZ-Erweiterung beurteilt.» Bestmöglich, aber dennoch nicht gut genug? Die Frage bleibt unbeantwortet.

© David Chipperfield Architects & Harry Gugger Studio

Mit 107 Metern zum Sieg
Das siegreiche Projekt hält an der Hochhausvariante fest. Von einem «Landmark» war an der Medienkonferenz die Rede. Mit seinen 107 Metern wird es das höchste Gebäude rund um den Bahnhof werden. Der Vorteil der Turmvariante aus der Feder von Elemental und Nissen Wentzlaff ist offensichtlich: An der Ecke zur Nauenstrasse schaffen sie einen Freiraum, der den vorhandenen Baumbestand erhält und erweitert. Auf die Frage, ob dieser Grünraum der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen würde, wichen die BIZ-Verantwortlichen aus. Das hänge vom zu entwickelnden Sicherheitskonzept ab.

Das Siegerprojekt © ELEMENTAL & Nissen Wentzlaff Studio

Interpretation einer hybriden Bauweise
Unabhängig davon weist das Hochhaus einige intelligente, typologische Kniffe auf: Die beiden Erschliessungskerne wurden aus der Mitte verbannt. Das erhöht die Flexibilität und Nutzungsoffenheit der Grundrisse. Ebenso werden jeweils drei Geschosse als Cluster zusammengefasst. Das erlaubt direkte räumliche und funktionale Interaktionen zwischen den Etagen, was für ein Hochhaus unüblich ist. An den Gebäudeecken findet man überhohe Loggien. Auch auf konstruktiver Ebene ist die Clusterbildung interessant: Den Brandabschluss bilden die Betondecken, die alle drei Geschosse eingezogen werden. Dazwischen fügt sich eine leichte und ressourcenschonende Holzstruktur. Es ist eine gekonnte Interpretation einer hybriden Bauweise.

© Elemental/NW Architekten

Nachhaltigkeit und Zielkonflikte
Dennoch steht die Grundsatzfrage im Raum: Kann dieses Hochhaus ökologisch nachhaltig sein? Ich höre Nico Ros im inneren Ohr sagen: «Hochhäuser und Nachhaltigkeit ist ein Widerspruch». Trotz dem Holzausbau bleibt in der Primärstruktur und Fassade viel Beton, Stahl und Glas übrig. Ob hier noch Optimierungen möglich sind, wird sich in der weiteren Planung weisen. Architekt Alejandro Aravena ist sich den Herausforderungen bewusst, wie er im Gespräch mit mir einräumt. Er benennt auch Zielkonflikte: Beispielsweise verlangen die Normen für den sommerlichen Wärmeschutz eine hohe Speichermasse, die der Holzbau nicht leisten kann. Hier ist man zwingend auf schwere, mineralische Baustoffe angewiesen.

© Elemental/NW Architekten

Stützenwald
Spannend ist das Thema der Fassade. In Chile seien grosse Institutionen grundsätzlich suspekt, erklärt Aravena an der Medienkonferenz. Deshalb sei ihnen beim Entwurf die Transparenz besonders wichtig gewesen. Das Haus soll offen wirken, sich der Öffentlichkeit zuwenden, gegen alle Seiten einladend wirken. Eine Rückseite werde vermieden. Die Fassade mit ihrem Stützenwald erinnert unweigerlich an das schönste Hochhaus Basels: Den Asklepios-Turm von Herzog & de Meuron auf dem Novartis Campus. Ob dies als Referenz gedient habe, möchte ich von Aravena wissen. Er verneint. Die Analogie sei der Wald gewesen. Dessen besondere räumliche Qualität bestehe darin, dass man stets zwischen den Bäumen hindurchschauen kann – der Raum nie vollständig gefasst werde. Der Entwurf von Elemental kann auch als typologische Gegenthese zum bestehenden BIZ-Turm verstanden werden: Der radiale Grundriss mit dem Kern in der Mitte ist maximal hermetisch, typologisch unflexibel und lässt keine Transparenz zu.

Diskussion am Modell: Redaktor Lukas Gruntz im Austausch mit Alejandro Aravena © Laurence Ziegler / Architektur Basel

Fazit
Turm oder Keinturm, das ist hier die Frage. Nach dem Besuch der Ausstellung bleibt die Antwort offen. Auf jeden Fall offenbarte der Wettbewerb, dass der Turm ein Kraftakt ist – und turmlose Lösungsansätze im Gegenzug absolut valabel wären. In Anbetracht der Klimakrise muss die Frage erlaubt sein, ob ein niedriger Bau die Aufgabe nicht besser gelöst hätte. Neben den technischen Fragen – Brandschutz, Erdbebensicherheit, Erschliessung – würden damit auch die städtebaulichen Herausforderungen der unmittelbaren Nachbarschaft zum bestehenden BIZ-Turm und dem künftigen Nauentor entschärft. Es bleibt beim Konjunktiv. Wer sich selbst ein Bild von den unterschiedlichen Ansätzen machen möchte, dem sei der Besuch der Wettbewerbsausstellung wärmstens ans Herz gelegt. Erfreulicherweise sind dort auch die Abgabepläne aller Teams ersichtlich. Unter einer Bedingung: Fotografieren strengstens verboten.

Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel


Info Wettbewerbsaustellung

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigt vom 25. bis 30. Januar 2024 in einer öffentlichen Ausstellung Designvorschläge für die Umgestaltung des Areals ihres Hauptsitzes in Basel. Die Ausstellung From Buildung to Campus zeigt 11 Entwürfe, die von führenden Architekturbüros im Rahmen eines internationalen Architekturwettbewerbs eingereicht wurden.

+++ UPDATE: Die Ausstellung ist inzwischen ausgebucht. +++

Wichtig:
Besucherinnen und Besucher müssen sich vorab anmelden, um die Ausstellung zu besuchen. www.bis.org.

 

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