«Man ist nicht realistisch, indem man keine Idee hat.» Die Worte von Max Frisch und Lucius Burckhardt nahmen sich Grossrat Michael Hug und die Architekten von Gruner & Friends zu Herzen – und entwickelten drei Visionen für Basel. Die inhaltliche Substanz der Ideen ist zwar eher bescheiden. In Anbetracht des Sommerlochs sind sie allemal diskussionswürdig. Eine kleine Kritik.

© Gruner & Friends
Eine Basler Vision ohne Hochhäuser scheint unvorstellbar. Wir sind schliesslich die Hochhausstadt schlechthin. Dass es drei an der Zahl sind, referenziert ebenfalls diverse Projekte – sei es das Nauentor oder die Nordspitze. «Die Vision eines grünen Stadtportals liegt dem Konzept der begrünten Hochhäuser mit Park in der unmittelbaren Umgebung des Basler Hauptbahnhofs zugrunde, die neben dem Nauentor-Projekt der Post und SBB weitergedacht werden.» Wir erinnern uns: Die Initiative für den «CentralParkBasel» forderte vor zehn Jahren ähnliches, jedoch auf der anderen Seite des Bahnhofs. 2013 sagte eine deutliche Mehrheit der Stimmbevölkerung «Nein» dazu. Vielleicht ist es Zeit für einen neuen Anlauf. Kritischer sehen wir die drei Hochhäuser: Ihnen müsste eine ganze Häuserzeile weichen. Das ist weder ökologisch sinnvoll – noch realistisch. Dass dabei mit dem Kopfbau an der Hochstrasse eine Architekturikone von Diener & Diener verloren ginge, verkommt zur Randnotiz.

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Von grünen Brücken träumen viele Menschen in Basel. Die Visionen für die Johanniterbrücke sieht einen neuen grünen Deckel vor: «Durch die Überdeckung der Brücke mit einer neuen begrünten Ebene wird der Basler Bevölkerung mehr Erholungsraum und Grünfläche geboten. Als Bindeglied zwischen Klein- und Grossbasel bietet die begrünte Brücke einen Naherholungsraum in unmittelbarer Nähe zum belebten Rheinufer – inklusive Aussicht.» Dadurch würde die Brücke im Flussraum viel zu dominant – einer Staumauer ähnlich – was dem Stadtbild kaum zuzumuten ist. Die völlige Überhöhung der eleganten, filigranen Brückenkonstruktion ist eine Faust aufs Auge. Ebenso ist es unwahrscheinlich, dass das bestehende Tragwerk die zusätzlichen Lasten aufnehmen könnte. Es bleibt eine Vision, die man in einen offenen Ideenwettbewerb ummünzen könnte: Wie könnten begrünte Rheinbrücken aussehen? Den Anfang sollte die grossflächige Dreirosenbrücke machen. Dort besteht viel Potenzial.

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Die letzte Idee sind Sonnensegel in der Innenstadt. Fast langweilig im Vergleich zu den anderen Visionen – oder zu realistisch? «Positive Effekte der Segel sind eine Aufwertung der Stadtoptik und Dämpfung des Baulärms» lesen wir. Die Visualisierung versprüht eine mediterrane Stimmung. Gar nicht so schlecht. «Zudem bieten die Sonnensegel neue Flächen für eine ausgewählte Bepflanzung, was wiederum Bestäuber in die Stadt lockt und die Artenvielfalt erhöht.» Ob die zusätzliche Begrünung der Segel tatsächlich sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Bestäuber in unsere Stadt zu locken, finden wir natürlich super. So lange es sie nocht gibt. Das Thema ist politisch bereits angekommen: Grossrat Hug hat diesbezüglich bereits einen Vorstoss eingereicht, der an die Regierung überwiesen wurde. Man darf gespannt sein.

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Wir alle kennen das Sommerloch. Man darf es gerne medial nutzen. Zukunftsweisende Visionen und kühne Ideen sind stets willkommen. Wünschenswert wäre jedoch inhaltliche Substanz. Den Visionen von Hug und Gruner fehlt die echte Innovation, die mutige Radikalität. Die aufgewärmte Central Park-Idee mit ein paar begrünten Hochhäusern (und viel Abbruch) daneben, ist schlicht zu wenig wegweisend. Alter Wein in neuen Schläuchen. Was nehmen wir mit? Die Begrünung der Brücken ist ein spannendes Thema, wobei sich die grossflächige Dreirosenbrücke als Versuchsobjekt eher anbieten würde. Und zum Schluss: Obwohl uns die Visionen nicht zu überzeugen vermögen, schätzen wir den Beitrag zur Debatte. Das Kompliment geht an Gruner und Hug. So funktioniert Demokratie.
Text: Lukas Gruntz / Architektur Basel